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Maskenpflicht in der BahnJede*r sorge für sich selbst

Die Deutsche Bahn weist in ihren Zügen zwar auf die staatliche Maskenpflicht hin. Durchsetzen will sie die im Konfliktfall aber nicht selbst.

Vorbildlich: Bahnreisende mit Mundschutzmasken Foto: Arne Dedert/dpa

Freiburg taz | Die Züge werden voller. Der Abstand von 1,5 Metern ist nur noch selten einzuhalten. Dennoch ordnet die Bahn keine Maskenpflicht an, sondern verweist nur auf staatliche Vorgaben, die sie selbst aber nicht durchsetzen kann und will.

„Bitte beachten Sie die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung.“ Die Durchsage im ICE klingt verbindlich, wie eine Anordnung der Bahn. Tatsächlich ist dies laut Bahn aber nur ein Hinweis auf die Anordnungen der Länder.

Alle Bundesländer haben in ihren Corona-Verordnungen die Maskenpflicht im „öffentlichen Personenverkehr“ vorgeschrieben. Sie gilt, zum Beispiel in Baden-Württemberg in „Eisenbahnen, Straßenbahnen, Busse, Taxen, Passagierflugzeuge, Fähren, Fahrgastschiffe und Seilbahnen“. Sie gilt auch „an Bahn- und Bussteigen“ und in „Bahnhofs- und Flughafengebäuden“.

Die Durchsetzung der Maskenpflicht sieht die Bahn aber nicht als ihre Aufgabe. Wenn die Zugbegleiter engagiert sind, appellieren sie an nachlässige Fahrgäste. Und die meisten reagieren auch einsichtig. Bei Konflikten mit renitenten Passagieren sollen aber die „Ordnungsbehörden“ zu Hilfe geholt werden, so ein Bahn-Sprecher. Gemeint ist die Bundespolizei, die 1992 die Aufgaben der Bahnpolizei übernommen hat.

Schutz vor Renitenz wichtiger als Schutz vor Corona?

Warum aber ordnet die Bahn nicht selbst eine Maskenpflicht an? Sie könnte dann im Rahmen ihres Hausrechts Fahrgäste, die einfach keine Rücksicht nehmen wollen, aus dem Zug verweisen. Wenn man die Bahn danach fragt, stellt sie sich dumm und verweist auf die staatlichen Anordnungen.

Es entsteht der Eindruck, dass der Verzicht auf eine bahneigene Maskenpflicht vor allem einen Vorteil hat: Die Bahn kann behaupten, dass sie die Mund-Nasen-Bedeckung nicht durchsetzen kann. Karl-Peter Naumann vom Verbraucherverband Pro Bahn hält das für plausibel und sinnvoll. „Konflikte mit renitenten Fahrgästen können relativ schnell in körperliche Auseinandersetzungen ausarten. Der Bahn geht es wohl vor allem um den Schutz ihrer Beschäftigten.“ Der Verweis auf die Bundespolizei, die an allen größeren ICE-Bahnhöfen stationiert ist, sei deshalb gerechtfertigt, so Naumann.

Die Bundespolizei kann einen Masken-Verweigerer nach eigenen Angaben noch einmal nachdrücklich auffordern und ihm notfalls einen „Platzverweis“ für den Zug und das Bahnhofsgelände erteilen. Für die Verhängung von Bußgeldern sind Landesbehörden zuständig. Die Bundespolizei führt keine Statistik, wie oft sie bereits zur Durchsetzung der Maskenpflicht in Zügen zu Hilfe gerufen wurde. In der Praxis erlebt man als Bahnfahrer solche Einsätze so gut wie nie.

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5 Kommentare

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  • Ich bin gestern zum ersten Mal seit Wochen in eine U-Bahn gestiegen und panisch sofort wieder raus, als ich sah, dass eine Dame ohne Maske lautstark in ihr Handy sprach. Je mehr man über mögliche Spätfolgen von Corona erfährt, desto weniger erpicht bin ich darauf, mir diese Krankheit einzufangen. Mir ist egal, wer die Regeln implementiert, aber irgendwer sollte es tun, sonst riskiert die Bahn entweder zusätzliche Verluste oder zur größten Bazillenschleuder der Republik zu werden.

  • Ein bisschen mehr Sachkenntnis wäre von grossem Vorteil. Die Bahn kann die Maskenpflicht gar nicht durchsetzen, denn sie ist nicht Teil der Beförderungsbedingungen. Die Bundespolizei kann das hingegen jederzeit - mit den beschriebenen Mitteln. Die Ahndung in Form von Bußgeldern erfolgt dann durch die zuständigen Ordnungsbehörden der Kommunen auf Basis der Anzeige der Bundespolizei. Wenn die Bahn die Maskenpflicht selbst durchsetzen soll, dann müssen die Beförderungsbedingungen entsprechend geändert werden und die Maskenpflicht beinhalten. Das könnte aber zu Regreßforderungen der Inhaber von Zeitkarten und BahnCards führen, über die dann zivilgerichtlich zu entscheiden wäre.

  • Feigheit vor den Kunden. Daumen runter!

  • Jede*r sorge für sich selbst? Das gilt leider nicht für Masken. Denn ich schütze andere und kann erwarten dass andere mit ihrer Maske mich schützen! Und wer die Maske verweigert sollte bestraft und des Ortes verwiesen werden. Die Bahn ahndet auch falsche und nicht vorhandene Tickets, warum kann sie dann Maskenverweigerung nicht ahnden?

    • @Gerdi Franke:

      Ich gebe Ihnen recht.



      Überhaupt: Warum hat Deutschland nicht null Tote und Kranke? Der Blick nach Italien hätte gereicht. Doch nein, frühere Maße hätten nur noch mehr der Situation unangemessene Renitenz verursacht. Schade dass man die wenigen Prozent Dödel nicht isolieren und sich durchinfizieren kann.



      Am allerbesten wären Masken und mehr Abstand ab Februar gewesen, alle wären gesund und die Wirtschaft viel besser dran. Das wäre aber nur mit Gewalt durchsetzbar gewesen. Abgesehen von dem Mangel an Masken und der Unfähigkeit, sich einen mundschutz selbst zu basteln 😷