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Dürre im NordenDer Regen reicht nur für die Felder

Im Norden fiel zuletzt so wenig Regen wie noch nie seit 2010. Darunter leidet der Wald – das Grundwasser erreicht neue Niedrigststände.

Mehr Laub muss her – gerade Fichten leiden unter der anhaltenden Trockenheit Foto: Thomas Frey/dpa

BREMEN taz | In Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen fiel im April und der ersten Maihälfte so wenig Regen wie noch nie in den letzten zehn Jahren. Das geht aus einer gerade veröffentlichten Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, für die umfangreiches Zahlenmaterial des Deutschen Wetterdienstes ausgewertet wurde. In Schleswig-Holstein sieht es zwar etwas besser aus, aber auch dort fielen in dieser Zeit nicht einmal zwei Drittel dessen, was in den letzten zehn Jahren an Regen zu verzeichnen war.

In der Folge komme es vor allem „zu vermehrten Grundwasserniedrigstständen“ – und zwar nicht nur im niederschlagsärmeren Nordosten, sondern auch in den Mittelgebirgen, analysiert das Bundeslandwirtschaftsministerium. Auch für den Gesundheitszustand des Waldes habe die anhaltende Trockenheit „erhebliche Auswirkungen“.

Zwar hat es in den vergangenen Wochen immer mal geregnet. Das entspannt die Lage aber nur in den oberen Bodenschichten bis etwa einen halben Meter, also dort, wo das Regenwasser einsickert. „Für die Landwirtschaft ist das wichtig“, erklärte jüngst der Hydrologe Dietrich Borchardt von der TU Dresden der taz. „Bäume aber wurzeln viele Meter tief und stehen im Trockenen. Und Grundwasser wird erst in noch größeren Tiefen gewonnen.“ Dort fehlten in manchen Gegenden etwa die Hälfte jener Mengen, die eigentlich nachgeflossen sein müssten, sagte Borchardt.

Die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) haben bereits 2019 ein Defizit von 27 Millionen Euro erwirtschaftet, wie der Forstbetrieb in der vergangenen Woche mitteilte. 2018 hatte das Minus noch 5,9 Millionen Euro betragen. Für das aktuelle Geschäftsjahr rechnen die Niedersächsischen Landesforsten damit, dass der Verlust möglicherweise 30 Millionen Euro überschreitet.

Anhaltende Dürre

In Niedersachsen fielen laut Bundesregierung vom 1. April bis 15. Mai rund 26 Liter Regen pro Quadratmeter – der Schnitt der letzten zehn Jahre liegt bei 55 Litern.

In Bremen ist das Verhältnis im selben Zeitraum noch drastischer: In diesem Jahr fielen 22 Liter Regen pro Quadratmeter – und der Durchschnitt seit 2010 beträgt 59 Liter.

In Schleswig-Holstein waren es knapp 36 Liter, verglichen mit einem Schnitt von zuvor fast 60 Litern.

Im April fielen über Niedersachsen, Hamburg und Bremen 14 Liter Regen pro Quadratmeter – zwischen 2000 und 2010 waren es im Schnitt 38, von 1981 bis 2010 rund 45 Liter.

„Die angespannte Situation hat sich aufgrund der coronabedingt wegbrechenden Exportmärkte für Holz noch einmal verschärft“, sagt Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Anders als in den Vorjahren lässt sich der Waldumbau derzeit nicht mit den Erlösen aus dem Holzverkauf finanzieren. Bis 2025 stellt Niedersachsen den Forst­wir­t*in­nen insgesamt 85 Millionen Euro zur Verfügung, um klimastabilere Mischwälder entstehen zu lassen. Mit Birken, Ebereschen, Erlen und Weiden wollen die Landesforsten das Risiko für den Wald insgesamt senken.

„Erbitterter“ Kampf gegen Borkenkäfer

Die rund zweieinhalbjährige Dürre führt bereits zu einer starken Ausbreitung von Borkenkäfern. Sie kämpften „erbittert“ gegen den Schädling, heißt es von den NLF. Laut der Schadensbilanz des Bundes summiert sich die zerstörte Waldfläche bundesweit auf 245.000 Hektar, was etwa der Größe des Saarlands entspricht. In Niedersachsen gehen die NLF von 10.000 Hektar aus, die aufgeforstet werden müssen. Niedersachsen hat einen Waldanteil von etwa einem Viertel der Fläche, in Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein ist es rund ein Zehntel.

Schleswig-Holstein steht, verglichen mit anderen Bundesländern, zwar „noch gut da“, ist im Waldzustandsbericht zu lesen, der im März veröffentlicht wurde. Die jüngsten Regenfälle bedeuten für den Wald aber auch nur „eine kurze Erholungspause“, sagt der Sprecher der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Für 2020 stellt die Landesregierung bis zu 9 Millionen Euro an Fördermitteln für Waldumbaumaßnahmen bereit.

Fällt kein Regen, wird es aber auch mit dem Aufforsten schwierig. Doch während sich die durchschnittlichen Monatsniederschläge im März in Niedersachsen, Bremen und Hamburg laut Bundesregierung noch im Mittel der vergangenen 20 Jahre bewegten, fiel dort im April nur noch ein Drittel dessen, was seit 2000 durchschnittlich herunterkam. Die intensiven Sommertrockenheiten der letzten beiden Jahre und die gebietsweise geringen Niederschläge in den vergangenen beiden Wintern haben laut Bundeslandwirtschaftsministerium vielerorts zu dauerhaft geringen Bodenwasservorräten, absinkenden Grundwasserständen und einer geringen Grundwasserneubildung geführt. Das schwächt die Bäume, gerade Fichten. Ein gesicherter Überblick über die Folgen der Trockenheit auf die Artenvielfalt sei aber noch nicht möglich.

Expertenschätzungen gehen davon aus, dass in 20 bis 30 Jahren ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen mit Grundwasser bewässert werden muss. Niedersachsen hat dabei mit 12 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an landwirtschaftlichen Flächen mit Bewässerungsmöglichkeiten. Aus den vorliegenden Daten lasse sich derzeit aber „eher (noch) kein Trend zur Zunahme der Bewässerung ableiten“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort – nicht einmal in Niedersachsen.

„Schon heute zeichnen sich Nutzungskonflikte um unser Wasser ab“, sagt dagegen die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen Kirsten Kappert-Gonther – die Wasserversorgung der Bür­ge­r*in­nen steht in Konkurrenz zur der Landwirtschaft, der Industrie oder der Schifffahrt. Der öffentlichen Trinkwasserversorgung müsse dabei „bereits heute ein klarer Vorrang eingeräumt werden“, sagt Kappert-Gonther.

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6 Kommentare

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  • Ach, macht doch nix! Wir haben doch noch einen Ersatzplaneten ... Wie? Haben wir nicht? Sch"§%%!! Dann hat die Mehrheit in den Industrieländern sich ja die letzten Jahrzehnte total daneben benommen und womöglich den Ast bereits abgesägt, auf der sie dachte, sicher zu sitzen. Und die meisten sägen offenbar immer noch ...

  • Weniger verbrauchen, unter anderem sehr viel weniger Schweinefleisch, kann die einzige vernünftige Lösung sein.

    Man sollte nicht auf die Technk blicken mit der Hoffnung, sie möge einem doch das liebgewonnene falsche Verhalten noch ein paar weitere Jahre ermöglichen... besser jenes Verhalten endlich zu ändern, vielleicht auch mit Zwang. Wo Maskenpflicht und Tempolimit gehen, da geht auch ein höherer Preis für Fleisch bzw eine Abgabebegrenzung. Man sollte sich nicht den ganzen Wagen damit vollknallen dürfen (und ne Kiste Fanta obendrauf). 1 Kilo pro Nase pro Einkauf!

    Einige werden durchdrehen, wenn sie im Supermarkt nicht mehr alles billig kaufen können, so viel sie wollen... aber die müssen halt von ihrer Droge mal runter.

    • @kditd:

      Weniger verbrauchen, weniger Schweinefleisch wird die Marktwirtschaft schon lösen, die Frage ist nur, wem nützt das. Wenn jemand meint, das Deutschland mit 250 Leuten pro Quadratkilometer ohne Lebensmitteleinfuhr existieren können, dann geht das nur , wenn andere ihren Verbrauch einschränken, wenn die anderen auch die deutsche Dichte erreicht haben werden, dann wird es bald kein Schweinefleich mehr geben. Die Hoffnung, dass 10 oder 12Mrd. so leben können, selbst wie die ärmsten Amerikaner oder Deutschen mindestens 2, 4 oder 10 Generationen noch heisst an ein Wunder zu glauben, egal ob Kapitalismus, Kommunismus, Islamismus oder ...

  • Ich vermute, der jährliche Niederschlag wird in Litern pro Quadratmeter Bodenfläche gemessen, nicht pro Kubikmeter, wie in der Erklärspalte angegeben...

  • Hatten wir es nicht erst neulich vom Konflikt um den Nil? Es wird irgendwann auch in Deutschland spannend wenn wir uns nicht ganz schnell eine technische Lösung einfallen lassen. Es gibt hier viele tolle Wissenschaftler, jetzt da der Bedarf bei uns selbst entsteht gibt es hoffentlich eben Innovationspush.

    • @sachmah:

      Ich glaube nicht, dass es mit einem "Innovationspush" getan ist. Vielmehr benötigen wir ein Umdenken, was den Anspruch an Profite, die wir aus den Wäldern holen wollen betrifft. Dieses Umdenken wird optimalerweise auch mit "loslassen" zu tun haben. Man wird sich nämlich vom Profitgedanken verabschieden müssen, um dann zum Beispiel auch zu verstehen, dass man Flächen großflächig in Ruhe lassen muss. Die sich auf diesen Flächen bildende Pflanzendecke wird ein Blick in die Zukunft unserer Landschaft sein, die vermutlich einen beträchtlichen Anteil an degenerierten ehemaligen Waldstandorten mit Gebüsch enthalten wird. Da, wo noch Wald wächst ist dieser der Wald der Zukunft: Mit breiter Genetik und weniger Material für die Container, die regelmäßig für viel Geld nach China geschippert werden.