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Tauziehen um Syrien und SrebrenicaKein bisschen menschlicher

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Beschämend: zum Srebrenica-Jahrestag lässt die Welt die Menschen in Syrien im Stich. Hilfe darf nicht vom guten Willen von Regierungen abhängig sein.

Humanitäre Hilfe darf nie vom guten Willen von Staatenlenkern abhängig sein Foto: dpa

S rebrenica darf sich niemals wiederholen“, mahnte Bundesaußenminister Heiko Maas am Samstag zum 25. Jahrestag des Massakers von Srebrenica und sprach von einem Verbrechen „quasi unter den Augen der Weltöffentlichkeit“. Am gleichen Tag stoppte das Veto Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat, in dem Deutschland den Vorsitz hat, die Genehmigung für UN-Hilfen an die belagerte Zivilbevölkerung in Idlib im Nordwesten Syriens. „Wir bedauern zutiefst“, sagte Maas zu dieser Preisgabe von Millionen Syrern durch die UN.

„Niemals wiederholen“? Der Syrienkrieg ist eine Wiederholung des Horrors des Jugoslawienkrieges in vielfacher Dimension. Wenn der Völkermord von Srebrenica ein Weckruf für die Welt war, wurde er entweder nicht gehört, oder die Welt ist wieder eingeschlafen. Die ausgiebig diskutierte „Schutzverantwortung“ der Weltgemeinschaft für Menschen, die den eigenen Regierenden schutzlos ausgesetzt sind, blieb eine Totgeburt. „Quasi unter den Augen der Weltöffentlichkeit“, um es mit Maas zu sagen, hat das Assad-Regime die Hälfte der syrischen Bevölkerung umgebracht oder verjagt. Keine Regierung der Welt war mutig genug, sich dem entgegenzustellen. Und jetzt wird das wenige, was es an humanitärer Hilfe gibt, weiter eingeschränkt.

Immerhin hat das Einknicken des deutschen UN-Ratsvorsitzes am Ende dafür gesorgt, dass ein türkisch-syrischer Grenzübergang für UN-Hilfe offen bleibt. Dabei ist es eine Lüge, dass ansonsten keine Hilfe mehr möglich wäre. Natürlich wäre sie möglich – nur eben nicht unter der Ägide der Vereinten Nationen. Auf beiden Seiten der Grenze steht die türkische Armee. Ob und wofür die Grenze offen ist, wird in Ankara entschieden. Das konkreteste Ergebnis des Herumeierns im UN-Sicherheitsrat ist, Russland und die Türkei in Syrien weiter zu stärken.

Humanitäre Hilfe darf nicht vom guten Willen von Regierungen abhängig sein. Sie hat sich allein an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten. Vor gut fünfzig Jahren war die Weigerung Einzelner, das Aushungern des Sezessionsstaates Biafra in Nigeria zu akzeptieren, die Geburtsstunde der modernen humanitären Hilfe, die sich über Verbote hinwegsetzte, um Menschen am Leben zu erhalten. Von Ärzte ohne Grenzen bis Cap Anamur standen danach Mutige in aller Welt für das Primat der Menschlichkeit ein.

Es gibt solche Mutigen auch heute in Syrien – sofern sie noch am Leben sind, nach Jahren gezielter Zerstörung der humanitären Infrastruktur. Aber auf den Rest der Welt können sie nicht zählen. Das ist die beschämende Lehre dieses beschämenden Srebrenica-Jahrestages.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • Danke für diese klare Aussage.



    Leider versagte auch "die internationale Linke", als selbsernannte "Schutzmacht" der Verdammten dieser Erde, in Srebrenica genauso,wie sie seit 2012 in Syrien versagt. Ihr ideologischer Tunnelblick auf den Konflikt im früheren Jugoslawien, liess sie blind werden gegenüber einem serbischen Nationalismus und Rassismus, der dann im Völkermord von Srebrenica mündete. Die linke Passivität, angesichts massiver Kriegsverbrechen Putins und Assads in Syrien, ist damit noch beschämender und nimmt der "Linken" jede Glaubwürdigkeit ein Garant für eben die "Verdammten dieser Erde" zu sein.

  • Jemen, Herr Johnson?