piwik no script img

Abifeiern in NRW erlaubtBitte ohne Abendkleider!

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

In Nordrhein-Westfalen dürfen ab sofort wieder Abi-Feiern stattfinden. Bitter für die Eltern: Sie dürfen wegen der Abstandsregeln nicht dabei sein.

Wenigstens in Nordrhein-Westfalen darf fdas Abitur wieder gebührend gefeiert werden Foto: dpa

V ielleicht sind manche Eltern Corona ein wenig dankbar: Puh, die Abi-Party bleibt uns erspart, wir müssen kein Geld für Abendkleider und Anzüge ausgeben und keine langweiligen Rektor*innen-Reden ertragen. Wir kommen um all die eitlen Lobhudeleien anderer Eltern herum, wie superdupertop doch ihr Kind und dessen Abi-Note sei. Und wir müssen auch nicht darüber nachdenken, wieso sich junge Leute überhaupt so spießig wie die Royals kleiden, um auszudrücken, dass sie jetzt unabhängig sind.

Eltern in Nordrhein-Westfalen allerdings bleibt das meiste davon doch nicht erspart. Dort dürfen Abi-Feiern ab sofort stattfinden. Möglicherweise werden Mütter und Väter in Düsseldorf, Bottrop und Meckenheim sogar in die Tischkante beißen. Denn zahlen dürfen sie das Ganze, dabei sein laut Corona-Verordnung aber nicht.

Bitter für die Eltern, ein Traum für die Abiturient*innen. Was ist schon cooler als eine Party, bei der für ausreichend Essen und Alkohol gesorgt ist – und ohne Kontrolle der Erwachsenen? Vor allem jetzt, nach den Wochen gefühlten Eingesperrtseins, ohne Klubs, ohne Bier im Park.

Werden die jungen Leute jetzt hemmungslos feiern? Werden sie sich über die Maßen betrinken, im Park liegen bleiben, Sex mit jemandem haben, den sie gar nicht mögen? Vermutlich nicht. Eltern, die in den vergangenen Jahren ihre Kinder dem „Ernst des Lebens“ übergeben haben, waren teilweise erstaunt, wie diszipliniert die jungen Leute das Ende ihrer Schulzeit feierten: ohne laute Musik, mit wenig Alkohol; viele waren relativ früh im Bett. Meine Güte, sind die langweilig, raunten sich die Eltern zu. Was ist denn mit denen los?

Also, liebe Abiturient*innen in NRW, lasst euch so was nicht nachsagen, nutzt eure Chance und lasst es krachen. Ihr müsst am nächsten Morgen nicht unbedingt in der Notaufnahme aufwachen – der Tag danach kann schmerzhaft sein. Und wie ihr beim Tanzen den nötigen Abstand haltet, bleibt eurer Kreativität überlassen. Aber lasst die albernen Abendkleider und Krawatten weg. Die tragt ihr sowieso nie wieder – und die sind wirklich peinlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Falsch, falsch und nochmals falsch. Wir sind frei, uns so zu kleiden, wie es uns paßt. Und so wie es früher möglicherweise unangenehm war, einem Dresscode zu folgen, der einem nicht gepaßt hat, genauso unangenehm ist es heute auch noch. Wer früher Schlips mußte, mochte es nicht und wenn man heutzutage eher zu einer Doofmannskappe -möglicherweise sogar mit Schirm nach hinten- genötigt wird, mag es genausowenig. Mit der Kleidung zeigt man nun mal auch gern, wo und wem man sich zugehörig fühlt und wer die Reaktionen aushalten will, im Badekostüm im Bundestag zu sitzen, mag es gern probieren. Wahrscheinlich ähliche Reaktionen, wenn man im Anzug mit Schlips und Kragen an einer TAZ-Redaktionssitzung versucht teilzunehmen. Ich für meinen Teil zeige dem Kunden durch die Wahl meiner Kleidung, wie ich ihn einschätze. Ich trage den Anzug also nicht wegen des Kunden, sondern für den Kunden. Wer sich bei mir bewirbt und mir zeigt, daß er sich selber für das Allerwichtigste hält, -nun gut, kann das auch weiterhin tun. Aber so, wie derjenige mir zeigt, was er von mir hält, bekommt er das auch zurück.

  • Danke für diesen Artikel. :-)

    Ich werde wohl in zwei Jahren meinen ersten Abi-Ball erleben und mir graut vor dieser spießigen Veranstaltung.



    Zu meiner eigenen Abifeier kam niemand auf den Gedanken, einen Schlips oder ein Ballkleid tragen zu wollen.

    • @rero:

      Die Frage ist, ob die Kids heute das retromäßig geil finden, was ich mir bei den Mädels auch gut vorstellen kann oder die Kids sind heute wieder so malle, daß sie sich nicht trauen zu widersprechen. Aber dann sollten sie doch mit zerissenen Jeans kommen und die Typen mit Doofmannskappe. Also wie die Eltern.

      • @Thomas Schöffel:

        Ich glaube, da will niemand widersprechen. Der Abi-Ball ist deren Wunsch, gegebenenfalls von den SuS selbst organisiert.