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Deutsche Milliarden für EU-KrisenländerTeure Hilfen, die billig sind

Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Bundeskanzlerin hat es verstanden: Deutschland hilft sich selbst, wenn es Europas Krisenländer unterstützt.

Europa wird gemeinsam reicher, nicht getrennt Foto: Rupert Oberhäuser/imago

E s ist eine Zäsur: Kanzlerin Merkel lernt endlich vom Europapolitiker Helmut Kohl. Sie lässt „Bimbes“ springen, um das Projekt Europa zu retten. Sie ist jetzt nicht nur bereit, europäische Coronabonds in Höhe von 500 Milliarden Euro zu akzeptieren. Sie geht sogar noch weiter und hat zugesagt, dass Deutschland milliardenschwere Zuschüsse an die Krisenländer gewährt. Noch vor wenigen Tagen schien dies undenkbar.

Doch die ökonomische Logik war stärker: Deutschland erdrückt die Nachbarn schon lange mit seinen Exportüberschüssen. Diese Unwucht hat sich jetzt durch Corona noch verschärft, weil viele EU-Länder nicht reich genug sind, um ihre Betriebe zu unterstützen. EU-Wettbewerbskommissarin Vestager hat daher Alarm geschlagen: Die Hälfte aller Anträge für Unternehmenshilfen stammten aus Deutschland. Dies sei eine „Wettbewerbsverzerrung“. Vestager hat nicht übertrieben. Die Gefahr ist enorm, dass vor allem deutsche Firmen die Coronakrise überleben – und dann den gesamten Binnenmarkt aufrollen.

Auf den ersten Blick mag es erfreulich wirken, wenn man seine Nachbarn in den Boden konkurriert. Doch dieser Siegestaumel wäre kurzsichtig: Die anderen Europäer können deutsche Waren nur kaufen, wenn auch sie über Einkommen verfügen. Europa wird gemeinsam reicher, nicht getrennt.

Die Details des neuen EU-Fonds sind noch nicht ausgehandelt, aber am Ende dürfte Deutschland Zuschüsse von bis zu hundert Milliarden Euro gewähren. Das klingt viel, ist in Wahrheit aber billig. Denn die indirekten Effekte sind nicht zu überschätzen: Erstmals signalisiert Deutschland unmissverständlich, dass es hinter der gesamten Eurozone steht und dass es nicht zulassen wird, dass einzelne Staaten in eine Dauerkrise rutschen.

Dieses deutsche Signal hat bisher gefehlt und einen Teufelskreis in Gang gesetzt: Da die Pleite einzelner Länder möglich schien, stiegen die Zinsen für diese Staaten, was deren Pleite dann wahrscheinlicher machte. Diesen Teufelskreis hat die Kanzlerin nun durchbrochen. Gerade noch rechtzeitig.

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16 Kommentare

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  • Wie kommt die TAZ darauf dass Deutschland bewusst die europ. Konkurrenz schwächt? Das ist unsäglicher Unfug. Die Ungleichgewichte entstehen durch die Währung. Deutschland konzentriert sich auf China oder die USA, nicht auf Spanien oder Italien.

  • Erstens ärgert mich die eigennützige Begründung für mögliche Hilfen. Wir geben den Anderen Geld, damit es der deutschen Wirtschaft besser geht.



    Zweitens müssen zuerst alle zustimmen, so dass man am Ende vielleicht gut aussieht, ohne wirklich Geld springen zu lassen.



    Drittens werden die Hilfen an Bedingungen gekoppelt, die vielleicht so einschneidend sind, im Kleingedruckten, dass die reich Beschenkten gar keine Wahl haben, als das Angebot auszuschlagen.

  • Ich darf darauf hinweisen, daß es in den EU-Regeln sogar ein Verbot gibt (nicht gab), daß ein Land für das andere geradesteht. Aber genau das passiert. Jajaa, man formuliert geschickt und trickst und eiert rum, um das alles doch hinzubekommen, wie es gerade die aktuelle politische und mediale Lage zu erfordern scheint. Aber die ursprüngliche Intuition ist verlorengegangen.

    • @Thomas Schöffel:

      Für den EU Haushalt stehen alle gerade.



      Das ist schon immer so.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Eines muss ich Frau Merkel lassen: sie ist eine Wundertüte. Nähme ich eine Anleihe aus der Tierwelt, fiele meine Wahl auf Chamäleon.

    Die Motive von Frau Merkel kann und mag ich nicht beurteilen: ist es Erkenntnis, wie die Unter-Überschrift behauptet, ist es Machttrieb oder die Mischung aus beidem? Ich weiß es nicht.

    Aber eines ist so sicher wie sonst nichts: wenn nicht das getan wird, was bereits 2015 hätte getan werden müssen, ist die EU schnell Geschichte.

    Mit Blick auf mögliche Alternativen zweifle ich - mittlerweile - daran, ob dies freien Geistern zu wünschen ist.

  • "Die Details des neuen EU-Fonds sind noch nicht ausgehandelt..."

    Vorm Jubeln sollte man die abwarten. Mutti's Ankündigungen haben sich schon oft als Luftballon herausgestellt...

  • Haha, man hebe das Problem auf eine andere Eben. Cooler Trick.

    EU-27 ist auch nicht-Euro, d.h. die nicht-Euro-Länder sind mit im Boot und Es gibt keine gemeinsamen Schulden, da ja die Kommission die Anleihen übernehmen muss. Oops, auch nichts in der EZB-Bilanz.

    Nachteil dieses Zaubertricks: alle 27 müssen zustimmen und einige lassen sich das gut bezahlen.

    Großes Theater, das vom Versagen bei den Euro-Bonds ablenkt.

  • Auch wenn ich eh nicht betroffen wäre, hoffe ich doch, dass es in Deutschland nun zur Finanzierung des Ganzen nicht zu Vermögensabgaben oder zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes kommt. Denn ich fände es schon schräg, wenn Italien seine Berlusconis und Agnellis schont, aber Deutschland seine Gebrüder Albrecht schröpft.

    • @gradselääds:

      Keine Angst. DAS wird nun wirklich nicht passieren.

      Zumal die Vermögenden ihr Geld problemlos in der EU herumschieben können. Wer die Reichen zur Kasse bitten will, muss EU weit vorgehen.

  • " Da die Pleite einzelner Länder möglich schien, stiegen die Zinsen für diese Staaten, was deren Pleite dann wahrscheinlicher machte. Diesen Teufelskreis hat die Kanzlerin nun durchbrochen."

    So einfach ist es. Wenn Jemand in die Pleite geht, gibt man so lange Geld, bis diese Gefahr abgewendet ist. Es klingt fast wie das finanzielle Perpetuum mobile. Und das es am Ende gut geht, ist genau so wahrscheinlich wie das Perpetuum mobile selbst.

  • Es dreht sich bei den Merkelschen 500 Milliarden nicht um Europa. Europa besteht aus 50 Staaten, die EU ist mit 27 Staaten nur ein Teil davon.



    Es dreht sich auch nicht um die EU! Es geht um die Finanzierung des franz. Haushalts. Frankreich ist mit ca. 97 Prozent verschuldet, Dtl. mit ca. 65 Prozent. Und... Frankreich ist am drittstärksten neben Italien und Spanien von der Korona-Krise betroffen.So will Macrons seinen Haushalt sanieren. Merkt das keiner, wie Macron alle über den Tisch zieht? So naiv kann doch keiner sein.Für eine solche Situation ist der ESM gebildet worden.



    Aus diesem Fonds kann alles bezahlt werden, mit einer Einschränkung, DAS GELD MUSS ZURÜCKGEZAHLT WERDEN!



    HIER geht es um das VERSCHENKEN von Steuergeld, ohne eine wirkliche Kontrolle einrichten zu wollen. de.statista.com/st...ng-von-frankreich/,



    Die Staatsverschuldung von Frankreich erreicht im Jahr 2018 mit geschätzt rund 2,3 Billionen Euro einen neuen Höchststand. Frankreichs Staatsschulden sind somit innerhalb von zehn Jahren um rund 900 Milliarden Euro gewachsen. Innerhalb der Europäischen Union weist nur Italien einen noch höheren Schuldenstand auf.

  • Jetzt fehlt nur noch die EINSTIMMIGKEIT.



    AT und NL u.a.



    Ihr seid am Ball

  • komisch, ich habe als Wähler weder die Politik gewählt die unsere Nachbarn ausnimmt (stagnierende Löhne und immer schneller reich werdende Reiche inklusive), noch eine Politik wo ich für Nachbarn hafte die seit Jahren auf pump Leben...

    Aber vielleicht ist es ja ne super Idee falscher Politik falsche Politik entgegen zu setzen

  • Der Schlüsselsatz: "Noch vor wenigen Tagen schien dies undenkbar."

    Merkel strikes back. Klare Antwort auf das Urteil aus Karlsruhe. Sie will vor ihrem Renteneintritt noch einmal massiv die EU-Integration stärken.

    Wird spannend zu sehen, wie die potenziellen CDU-Nachfolger darauf reagieren.

  • Ich mag es nicht wenn Frau Merkel gelobt wird.



    Kann ich aber nicht immer erwarten, gebe ich zu.