piwik no script img

Thüringer Männlichkeit und die FDPMittelmaß und Faschismus

Gewohnt opportunistisch sucht die FDP den Weg zur Macht und schreckt dabei vor nichts zurück. Ein Beispiel männlichen Anspruchsdenkens.

Ein Kunststück männlicher Selbstüberschätzung: Thomas Kemmerich Foto: imago

B eim Staffelfinale der Hufeisenserie in Thüringen offenbarten sich einige Abgründe, vor denen schon seit Jahren gewarnt wird. Der Opportunismus als einzige Konstante des Liberalismus etwa: Das Einzige, worauf du dich bei der FDP verlassen kannst, ist, dass sie dir das Messer in den Rücken rammen, sobald es Profit verspricht.

Die fatalen Folgen des traditionellen Antikommunismus: Bevor bürgerliche Parteien auch nur in die Nähe der Linken gehen, paktieren sie mit Faschist_innen. Der Bürgi-Drip erreichte schließlich Arktis-Level, als das Mitte-Mythos-Dilemma betrauert wurde: Das Gefühl, wenn du den Faschismus zwar nicht leiden kannst, aber Antifaschismus für dich trotzdem nicht infrage kommt. Inmitten dieses Zirkus, gehostet von den Clowns der CDU und FDP: der Egotrip mittelmäßiger Männer. Wenn der Faschismus Sturm klingelt, wirken Genderanalysen unbedeutend wie kleine Knospen in einem Meer blühender Veilchen.

Die Dreistigkeit und Selbstüberschätzung, überhaupt zu kandidieren, wenn man knapp die 5-Prozent-Marke geknackt hat, ist die konsequente Fortsetzung eines sozialen Phänomens, das sich von jedem Dorfbetrieb bis zur krassesten Chefetage abspielt. Überall gibt es diese mittelmäßigen cis Männer – oft, jedoch nicht immer weiß und bürgerlich –, die trotz bestehender Alternativen und bei fehlender Erfahrung oder Kompetenz die besseren Positionen besetzen. Die Plätze, für die es mehr Lohn, Anerkennung oder Komfort gibt. Mehr Macht.

Solche Typen fragen sich nie, ob es nicht verantwortungslos oder einfach falsch ist, Anspruch auf eine Position zu erheben, die ihnen nicht zusteht. Es ist ihnen nicht mal peinlich, sich so aufzuspielen. Währenddessen verzichten viele geeignete Frauen und nichtbinäre Personen – insbesondere jene, die aus einer Arbeiter_innenfamilie stammen und/oder nicht weiß sind – auf solche Beförderungen oder nehmen diese nur mit vielen Selbstzweifeln an.

Überschrittene Grenzen

Sowohl Christian Lindner als auch Thomas Kemmerich bedienen sich gewohnter Rhetorik. Die Floskel „Wir haben von nichts gewusst“ ist nicht nur die deutscheste aller Lügen, sondern eine strategische Naivität, die man auch von hinterlistigen Schlangen jedes Betriebs kennt. Es bleibt jedoch ein Trugschluss zu glauben, man komme besser weg, wenn man sich selbst als abgrundtief dumm darstellt, statt zu seinem Kalkül zu stehen. „Oh, was für eine Überraschung!“

Wer mit Faschist_innen kooperiert, hat keinen Anstand. Solche Männer besaßen ihn jedoch noch nie. Kemmerichs Move ist nicht nur eine gefährliche Farce auf Kosten der Demokratie, sondern auch ein Symptom der Männlichkeitskrise. Lieber geht Kemmerich ein unmoralisches Bündnis ein, übergeht den Wunsch der Wäh­le­r_innen und überschreitet eine Grenze, die ab jetzt immer wieder überschritten werden kann, statt zu akzeptieren, dass er ein Niemand ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • bei der präsentation von wahlergebnissen oder meinungsumfragen wird die f"d"p immer zwischen



    "s" pd und "c"du präsentiert,aber das ist empirisch betrachtet falsch.und also eine manipulation die den betrachter der statistik täuschen soll

    historisch betrachtet stimmte es nur für die kurze zeit vor während und nach der sozialliberalen koalition

    wenn man die n"s"d"a"p als eine um im brd-jargon zu bleiben rechtsextreme partei definiert(obwohl sie eine volkspartei war in der die reaktionären eliten und also die mitte der deutschen gesellschaft überproportional vertreten waren ) so kann die fdp der nachkriegszeit in der es mehr ex-nsdap mitglieder gab als in jeder anderen nicht offen neofaschistischen bürgerlichen partei nicht zwischen "c"du und spd (die anführungszeichen für das "s" der spd waren damals noch nicht nötig) einsortiert werden sondern nur rechts von der "c"du.

    auch heute steht die f"d"p nicht zwischen der "s"pd und der "c"du sondern rechts von der letzteren







    bei keiner partei ist die zustimmung zur sozialen ungleichheit extremer als bei der f"d"p.



    insofern als es ohne gleichheit keine demokratie und mit weniger gleichheit auch weniger demokratie gibt kann man die f"d"p auch nicht als eine demokratische partei bezeichnen



    wie die "a"fd beachtet sie zwar formale demokratische spielregeln lehnt aber die humanistischen grundwerte einer demokratischen gesellschaft ab und bekämpft diese von innen heraus.

    www.spiegel.de/wir...-b0a5-a1519ebfc111

    wie wäre es wenn die taz mit der unehrlichen bundesrepublikanischen tradition bräche ,die f"d"p bei der präsentation von wahlergebnissen oder meinungsumfragen zwischen "s"pd und "c"du zu platzieren.

    derartige grafiken suggererien etwas das nicht der realität entspricht.

  • Egal welches Thema, es kommt zuverlässig die Suada über den weißen cis- Mann, den Leibhaftigen, und ist er nicht weiß, so ist es Tarnung, also obacht. Die Edlen hingegen erkennt man an ihrer Bescheidenheit.

  • Kann man jetzt zu einem 'Männerproblem' machen... kann man aber auch lassen...

    Die Haltung und das Versagen ist für mich ein menschliches Problem. Ungeachtet dem Geschlecht, Hautfarbe und Sexualität.

  • Zum Glück gibt es ja inzwischen Vorreiterinnen, die den mittelmäßigen cis Männern ihr unbegründetes Anspruchsdenken streitig machen: Weidel, Storch, Schein-Wittgenstein...

  • Bester Artikel!!!

  • Enttäuscht Stelle ich fest, das nicht einmal das Wort "Kartoffel" vorkam... ;)

    • @Ano Nym:

      Stimmt. Sonst aber eigentlich ein ganz guter Artikel, wenn man ’n bißchen



      im Slalom liest.

  • „Die Dreistigkeit und Selbstüberschätzung, überhaupt zu kandidieren, wenn man knapp die 5-Prozent-Marke geknackt hat, ist die konsequente Fortsetzung eines sozialen Phänomens, das sich von jedem Dorfbetrieb bis zur krassesten Chefetage abspielt.“

    Wenn mich nicht alles täuscht, hat auch die Linke eigene Kandidaten_innen z. B. zu Wahlen zum Bundespräsidenten aufgestellt.... ohne jegliche Aussicht auf Erfolg. Aber das ist bestimmt wieder ganz was anderes.

  • Die BundesCDU hat ziemlich stark und glaubwürdig reagiert. Es gibt aber auch starke Kräfte in der CDU, die die Kooperation mit der AfD als Zukunftsoption sehen. DAS macht mir Sorgen. Auch wenn es noch nicht so weit ist - noch hat die CDU zu viele Wähler, die eine Zusammenarbeit mit den Rechtsradikalen ablehnen. Noch.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Schon beim Titel ahnt man die Feder und stellt das Lesen ein.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Währenddessen verzichten viele geeignete Frauen und nichtbinäre Personen – insbesondere jene, die aus einer Arbeiter_innenfamilie stammen und/oder nicht weiß sind – auf solche Beförderungen oder nehmen diese nur mit vielen Selbstzweifeln an."

    Dann bitte ich um etwas weniger Bescheidenheit, Verzicht und Selbstzweifel.

    Dass die erwähnten Personen fragend in die Runde blicken, ob da nicht doch jemand wäre, der eigentlich geeigneter ist aber sich nicht traut ist ja nicht zu erwarten.

  • Seit der Antike gehören zur Macht-Basis der Stadtgesellschaften, Rebellion und aufmüpfige Lebensformen zu vernichten. Die FDP ist eine besonders krude Einrichtung dieser Kampfformation.

    • @Claus-Peter Leonhardt:

      Hmm - hat sie nicht gerade eben Kemmerich als "aufmüpfige Lebensform" charakterisiert? Wie passt das zusammen?

  • Wie immer ist die grenzenlose Bereitschaft, sich ganz tief sinken zu lassen und das noch als Befreiung zu empfinden, ein verläßlicher Indikator für das Talent zum Faschisten.

    Hier nach Anstand zu rufen ist zwar verständlich, verkennt aber das Problem. Das Problem ist, dass es zu viele Menschen gibt, die "Anstand" als etwas empfinden, von dem sie sich gerne befreien möchten. Das ist praktisch eine konservative Altlast, die auf dem Weg zur Macht nur im Wege steht.

  • danke für (Zitat) ˋ Überall gibt es diese mittelmäßigen cis Männer – oft, jedoch nicht immer weiß und bürgerlich –, ´.



    Der Nebensatz macht´s aus.

    • @uli moll:

      ... und nicht immer Männer.

    • @uli moll:

      Kemmerich hat jedenfalls keine Zisagrn inhaltlicher oder personeller Art an die AfD gemacht. Ohne die bundesweite Aufregung der kokurrierenden Parteien und der Haupstadtpresse haette er vermutlich gut mal ein oder zwei Jahre ohne AfD-Einfluss regieren koennen. Ob besser oder schlechter als Ramelow, haette sich schon gezeigt bzw. waere unterschiedlich wahrgenommen worden. Die AfD-Wahlergebnisse waeren vermutlich niedriger ausgefallen, als es jetzt unter Beschoerung der Solidaritaet der Demokraten bei der naechsten Wahl der Fall sein wird. Verpasste Chance. Der Linken wird es so gefallen.