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SPD und die GrokoEin kleines bisschen mehr Skepsis

SPD-Linke hadern mit dem moderaten Kurs der neuen Parteispitze in Sachen Groko. Der Parteitag wird über den Ausstieg aus der Regierung abstimmen.

Borjans und Esken nach der SPD-Vorstandssitzung im Willy-Brandt-Haus Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Unter welchen Bedingungen bleibt die SPD in der Regierung? Diese Frage wird auf dem Parteitag in Berlin vorentschieden. Die SPD möchte mit der Union laut Leitantrag über mehr Investitionen, wirksamen Klimaschutz und einen höheren Mindestlohn reden. Im Entwurf des Textes waren keine Zahlen genannt worden. Doch offenbar wurde dies nach Kritik vom linken Flügel ein wenig verändert. So heißt es nun, man wolle „perspektivisch den Mindestlohn auf 12 Euro“ erhöhen. Zudem wird ein höherer Preis für CO2-Emissione gefordert.

Rote Linien werden aber nicht gezogen, wohl um für Verhandlungen mit der Union keine zu hohen Hürden zu bauen. Und um die Regierung fortsetzen zu können.

Die Groko-Skeptiker und Teile der Parteilinken hadern mit diesem moderaten Kurs. Thomas Kutschaty, Chef der SPD-Landtagsfraktion in NRW, warnt davor, zu weich in Verhandlungen mit der Union einzutreten. „Es darf“, so Kutschaty zur taz, „nicht der Eindruck entstehen, dass die SPD unbedingt in der Regierung bleiben will.“ NRW stellt fast ein Viertel der Delegierten – der Landesverband hatte Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken offiziell unterstützt.

Kritisch äußerte sich auch Karl Lauterbach, der seit Längerem für den Ausstieg der SPD aus der Regierung wirbt. Esken und Walter-Borjans dürften nicht als Figuren erscheinen, die sich „mit scharfen Worten gegen die Große Koalition in Ämter wählen lassen und sich danach an nichts mehr erinnern können“. Lauterbach hatte während der SPD-Wahltour bereits Esken und Walter-Borjans uneindeutige Haltung zur Fortsetzung der Groko kritisiert.

Eine Gratwanderung

Wie schwierig der Kurs der SPD-Linken in Sachen Groko ist, zeigte auch eine Intervention von Kevin Kühnert, der Parteivize werden will. Der Jusochef versuchte nachträglich den Eindruck zu korrigieren, dass er sich in einem Interview mehr oder weniger mit der Fortsetzung der Groko arrangiert hatte.

Die Berliner Juso-Chefin Annika Klose sagte der taz, dass sie noch immer eine Gegnerin der Groko sei, aber der neuen Parteiführung Walter-Borjans und Esken vertraue. Klose wünscht sich harte Verhandlungen mit der Union und sieht das trotz des offen formulierten Leitantrags gewährleistet. „Ich glaube, dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in Verhandlungen ihren Forderungen treu bleiben werden – anders als andere Parteiführungen.“

Die designierten Vorsitzenden hatten im SPD-internen Wahlkampf ein 500 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm über zehn Jahre, 12 Euro Mindestlohn sofort und einen CO2-Preis von 40 Euro pro Tonne gefordert.

Kritisch sieht die Parteilinke Hilde Mattheis die Lage. Sie will am Freitag den Parteitag über den Austritt aus der Groko abstimmen lassen – auf Grundlage des bisher Erreichten. Mattheis ist Chefin der kleinen linken DL 21, die auch im linken Flügel eine Minderheit repräsentiert. Es wäre das erste Mal, dass ein SPD Parteitag einem Antrag der DL 21 folgt.

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4 Kommentare

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  • Wer will die SPD sein ? Linkspartei 2.0 ? Damit wäre die 5% Hürde in Sichtweite.



    Wenn die SPD Erfolg haben will, dann nur wenn sie sich auf ihre Traditionen besinnt, also wieder eine "Arbeiterpartei" wird. Dafür muss man aber die Wähler die ARBEITEN in den Focus nehmen und nicht jene die Transferleistungen erhalten.



    Das wichtigste aber ist, daß man auch an der Spitze Menschen hat die eine "Arbeiterpartei" glaubhaft repräsentieren. Was gehört dazu ? Jawoll, daß man im Leben schonmal "gearbeitet" hat und zwar nicht nur als Politiker...



    Ein abgeschlossene Berufsausbildung wäre auch nicht schlecht um als Führer einer "Arbeiterpartei" Wähler zu gewinnen. Leider scheinen viele in der SPD zu glauben eine Biografie als "Funktionär" würde langen um arbeitende Menschen von der SPD zu überzeugen.



    Ein schwerer Irrtum, wie man vermutlich bald wieder bei den Wahlen sehen wird.



    Paul Rabe



    Frankfurt

  • RS
    Ria Sauter

    Das hört sich nicht gut an, SPD!



    Etwas ganz Entscheidendes hast du noch vergessen bei den Neuverhandlungen.



    Der absolute Supergau durch rot/grün und den Gasgerhard bei der Absenkung des Rentenniveaus. Kein Thema mehr? Einzahlung aller in die Kasse?



    Dass ihr euch jetzt noch feiern lasst für die "Grundrente" sagt alles. Ihr solltet euch in Grund und Boden schämen, Menschen mit dieser Hungerrente in den Ruhestand zu schicken.



    Dann wünsche ich guten Abstieg unter 5 %.

    • @Ria Sauter:

      Wozu benötigt man die SPD wenn man programmatisch die Linkspartei kopiert?



      Was genau unterscheidet eigentlich die Idee die Kühnert von der SPD hat noch von der Linkspartei ?



      Typischerweise wählen die Leute dann ja gleich das Orginal, oder ?

  • Die Sozialdemokraten sehen das so, verlassen sie die große Koalition, gibt es sie aktuell bundesweit nur noch mit 13,5 Prozent -laut INSA-Umfrage vom O2.12.19 . Statt in der Bundesregierung wären sie dann vielleicht auf Dauer in der Opposition. Ihr Negativpotential liegt bei unter zehn Prozent, also hält sich die SPD an der Macht fest. So bleibt sie auch medial ein Thema. Die Schwierigkeit dabei, die Regeln einer Demokratie lassen sich nicht aushebeln, gehen zwei Opponenten in eine Koalition, braucht es einen davon nicht wirklich, je länger die groKo dauert, desto mehr verschwindet die SPD auf Dauer. Sie ist absorbiert.



    Mut braucht es und Selbstbewusstsein, aus der großen Koalition endlich auszusteigen und wieder das Gegenstück der CDU zu sein und nicht ihr Appendix.



    Die SPD kann das Blatt zwar wenden, es fehlt aber der Mut, nicht nur der Fahne anderer nachzudenken.