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Söder und DieselfahrverbotAm Ende droht Zwangshaft

Der EuGH hält Beugehaft gegen bayerische Amtsträger für geboten. Aber nur, wenn sie weiter die Luft vernachlässigen und mildere Mittel nichts nutzen.

Söder reagiert erleichtert auf Luxemburger Zwangshafturteil Foto: dpa

Freiburg taz | Wenn Bayern weiter starrsinnig Dieselfahrverbote ablehnt und alle anderen Maßnahmen scheitern, könnte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Ende in Zwanghaft kommen. Dies entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Seit 2012 wird in Bayern darüber gestritten, ob in München Fahrverbote vorbereitet werden müssen, um Grenzwerte einhalten zu können. Bayerische Verwaltungsgerichte haben das angeordnet. Doch die CSU-geführte Landesregierung weigert sich. Zwangsgelder blieben erfolglos, denn deren Höhe ist gesetzlich auf 10.000 Euro begrenzt. Außerdem zahlt das Land das Zwangsgeld an die Staatskasse, also an sich selbst.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat als Klägerin deshalb beantragt, Regierungschef Söder und/oder Regierungsbeamte in Zwangshaft zu nehmen. Das wäre keine Strafe für Fehlverhalten, sondern ein Beugemittel, um die Umsetzung der Gerichtsurteile zu erreichen. In Baden-Württemberg hat die DUH Anfang August einen ähnlichen Antrag gegen Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) gestellt.

In der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist Zwangshaft zwar nicht vorgesehen, aber die VwGO verweist bei Lücken auf die Zivilprozessordnung (ZPO), die die Zwangshaft für die Durchsetzung von Gerichtsurteilen kennt. Auf dieser Grundlage wären bis zu sechs Monaten Zwangshaft möglich.

EuGH: Zwangshaft gegen Regierungsmitglieder ist möglich

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München hielt diesen Weg aber nicht für gangbar. Der Gesetzgeber habe beim Verweis auf die Zivilprozessordnung nicht vor Augen gehabt, dass er hiermit Freiheitsentzug für Regierungsmitglieder ermögliche. Der VGH legte deshalb den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor und wollte wissen, ob EU-Recht zu einer anderen Beurteilung zwingt.

Der EuGH entschied nun, dass Zwangshaft gegen Regierungsmitglieder und hohe Beamten möglich ist und sogar geboten sein kann, wenn Behörden sich beharrlich weigern, gerichtliche Entscheidungen zur Luftreinhaltung umzusetzen.

Zwangshaft wäre möglich

Allerdings nennt der EuGH zwei Bedingungen, deren Erfüllung nun der bayerische Verwaltungsgerichtshof prüfen muss. Erstens muss die Zwangshaft auf einer Rechtsvorschrift beruhen, die „hinreichend zugänglich, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbar“ ist. Hierzu gab der VGH in seinem Vorlagebeschluss zu bedenken, dass die ZPO-Zwangshaft noch nie zur Durchsetzung von verwaltungsgerichtlichen Urteilen verwendet wurde.

Allerdings hält der EuGH seine eigenen Bedenken für „nicht unüberwindlich“. So könnte es genügen, dass den bayerischen Amtsträgern die Zwangshaft – anders als in der ZPO vorgesehen – vorher mit einer letzten Frist angedroht wird. Wenn Bayern dann binnen dieser Frist weiter untätig bleibt, wäre die Zwangshaft doch „vorhersehbar“.

Der EuGH hat jedoch noch eine zweite Bedingung aufgestellt. Danach muss die Zwangshaft auch „verhältnismäßig“ sein. Das heißt zum Beispiel, dass zunächst mildere Mittel genutzt werden müssen. Und hier sieht der EuGH durchaus noch Möglichkeiten, die bisher in Deutschland nicht angewandt wurden. So könnte etwa eine „Geldbuße“ mehrfach und in kurzen Abständen verhängt werden. Das Geld dürfte dann auch nicht an eine andere Staatskasse gehen, sondern an die DUH, was Bayern besonders ärgern dürfte.

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7 Kommentare

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  • München wird nicht von der CSU regiert, sondern von der SPD!

    • @insLot:

      Ja, faktisch nicht falsch, hat aber überhaupt rein garnichts mit der Sache zu tun.

      Für Luftreihenhaltepläne ist das Land (CSU) verantwortlich.

  • Der Artikel ist sehr wunschmässig unterwegs. Wenn man sich den entsprechenden Artikel im Spiegel ließt ist es deutlich ernüchternd. Das Zwangsgelder an die DUH geht wäre mit neu, da diese immer an die Amtskasse geht. Zusätzlich bleibt Janosch ein Punkt ungeklärt: Herr Söder ist Mitglied des Landtags und wäre dementsprechend Immun vor solchen Maßnahmen oder irre ich mich hier?

  • Quod erat demonstrandum & ergänz mal:

    “ Ach was! & Na Servus. vgl 14. nov 16:40



    & Däh! Maa hett sich’s denge kenne.Gell.

    “ Der EuGH wird in einigen Wochen entscheiden. Wenn er dem Generalanwalt folgt, geht das Verfahren zurück an den VGH München, der die beantragte Zwangshaft dann voraussichtlich ablehnen wird.

    Der letzte Absatz wurde nachträglich korrigiert. Jetzt wird dort auch auf das noch ausstehende EuGH-Urteil hingewiesen.“

    kurz - Na bitte. Doch nicht umsonst gelebt.

    Na Mahlzeit

    unterm——- kann‘s mal sehn.



    Seinerzeit zu meinerzeit. Da hamer Europarecht ja nur en passant gestoppelt & später dann Käsebohrtechnik.



    Aber - hück gibt’s ja Lück.



    Die wollen das sogar richtig studeert ham.

    kurz2 - Tja. Kanns mal sehn.



    “Lütt beeten bitoo - säh de Amm & door harr dat Kinn open Henkel sheeten!“

    taz.de/Plaedoyer-v...ichtshof/!5642212/

  • Das Urteil ist von krasser Milde - Es ist noch zu prüfen, ob Zwangshaft bei Millionfacher Gesundheitsgefährdung auch „verhältnismäßig“ sei - wenn man bedenkt, das Leute wegen Schwarzfahrentgelt nicht zahlen wollen geknastet werden.



    Die Blau-weiße Staatspartei performt Polittheater von ganz schlechtem Stil.



    Wo bleibt bei uns der Aufschrei, die Demos, die entsetzten Literaten, wenn Bananenweizenrepublikaner Rechtssprüche ignorieren? PiS Polen, Bunga-Italien, Trumpistan… überall schüttelt der Wohlanstandsdeutsche den Kopf, ob justiztriezender Allmachtsanmaßer. Und vor unserer Schwelle? Sind wir derart überheblich, dass nicht sein kann, was nicht sein darf? Nämlich das schlichtweg kriminelles Verhalten in der CSU Alltag ist.



    In Tschechien gehen hunderttausende auf die Straße- wegen einstelliger Millionenungereimtheiten, hier ist ne halbe Milliarde gähnenswert.



    In Polen will sich die Regierung die Gerichte untertan machen - Bayern ignoriert sie einfach.

  • Ich hoffe mal, dass der EuGH das sehr theoretisch meint, dass es solche Fälle geben könnte.

    Angewendet auf Dieselfahrverbote sehe ich es eher so: Wir, und jeder gebildete, anständige Mensch, wissen klar, was recht ist, was richtig ist, was Umwelt und der Mensch brauchen und was ihnen zusteht. Wir wissen wieviele Menschen leiden, wenn "das Richtige" nicht durchgesetzt wird. Deswegen brauchen wir auch kein politisches Taktieren, sondern Gerichte, die "das Richtige" durchsetzen.

    Klingt gut. Scheint mir aber das Ende von Demokratie und der Anfang vom Wahnsinn. Denn genauso denken alle - nur jeder mit seiner eigenen Agenda und mit seiner eigenen Vorstellung, was "das (universell) Richtige" ist.

    • @Markus Michaelis:

      Ich hoffe für Sie, dass Sie in Ihrer Bewertung vergessen haben, dass die bayrische Regierung die eigenen politischen Entscheidungen und Rechtsnormen, auf die sie vereidigt ist (!), nicht eingehalten hat und immer noch nicht einhält.

      Vor diesem Hintergrund, mit Blick auf die Kläger vom Untergang der Demokratie zu schwadronieren ist ziemlich dürftig.