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Umweltpsychologe über Klimawandel„Alarmismus vermeiden“

Beim Klimawandel sei es wichtig, Handlungsmöglichkeiten anzubieten. Sonst reagierten Menschen oft mit Verdrängung, erklärt Torsten Grothmann.

Victoria Fälle in Zimbabwe am 17. Januar 2019 (li.) und nach einer langen Dürre am 4. Dezember 2019 Foto: Mike Hutchings/reuters
Bernhard Pötter
Interview von Bernhard Pötter

taz: Herr Grothmann, wir haben in den letzten Tagen viel über neue Studien berichtet, die die Folgen des Klimawandels drastisch beschreiben. War das aus psychologischer Sicht alles umsonst?

Torsten Grothmann: Nein, man muss immer noch auf die Risiken hinweisen. Aber man sollte Alarmismus und Katastrophismus vermeiden, wenn man keine Handlungsmöglichkeiten anbieten kann, die die Katastrophen vermeiden. Denn sonst reagieren Menschen oft mit Verdrängung und nicht mit Handeln.

Es heißt oft, wir wissen genug beim Klima. Wissen wir vielleicht zu viel?

Menschen fühlen sich überfordert, wenn sich das Wissen nur auf das Risiko bezieht, also auf die Klimafolgen. Dann entsteht dieses Gefühl „Ogott­ogott“, weil man meint, man kann nichts tun. Da entsteht Hoffnungslosigkeit.

Wenn das Wissen nur ein schwacher Faktor ist, der uns zum Handeln bringt, was tut es dann?

Menschen in Deutschland wissen viel über die Risiken, aber zu wenig über wirklich wirksame Gegenmaßnahmen. Es gibt ja Dinge, die man tun kann, um sich an den Klimawandel anzupassen, zum Beispiel das eigene Haus starkregensicher machen. Und man kann den Menschen sagen, wo die großen Hebel im Klimaschutz sind, um etwas zu bewirken: weniger fliegen, weniger Fleisch essen. Man muss auch den Mechanismen entgegenarbeiten, mit dem sich die Leute selbst belügen: den Müll trennen, dann aber dreimal im Jahr in den Urlaub zu fliegen.

Es heißt, wenn man nur das Negative betont, hat das nicht nur keine Wirkung, sondern kann sogar nach hinten losgehen.

Im Interview: Torsten Grothmann

48, ist Umweltpsychologe an der Universität Oldenburg.

Das ist eine reale Gefahr. Angst ist in geringen Dosen motivierend, aber wenn sie überhandnimmt, entstehen Abwehrreaktionen. Das ist sicher auch so bei manchen Klimawandelleugnern, einfach eine emotionale Überforderung.

Sie sagen, Angst bringt kaum etwas, wohl aber positive Gefühle wie Stolz oder Hoffnung. Dazu gibt es in der Klima­debatte aber leider nicht viel Anlass.

Es stimmt, auf der Risikoseite ist es schwer, etwas Positives zu kommunizieren. Aber beim Klimaschutz gibt es da durchaus viel. Man kann zufrieden und stolz darauf sein, wenn man wirksam wird: nicht mehr fliegt oder kein Fleisch mehr isst. Wer etwas tut oder bewusst etwas nicht tut, hat auch oft mehr Hoffnung.

Dann kommt das Argument: Was ich und was wir in Deutschland tun, hat ohnehin keine Auswirkungen auf das Klima.

Ob Menschen sich als wirksam erfahren, messen sie nicht nur daran, ob sie damit den Klimawandel aufhalten. Es kann auch reichen, wenn Menschen denken: Ich bin wirksamer als vorher. Das wird noch stärker, wenn sie sich in Gruppen organisieren, etwa in einer Kommune. Auch Vorbilder wie Greta Thunberg sind wichtig, das gibt vielen Motivation. Es macht auch einen Unterschied, wenn sich die Kommunikation spezifisch an eine Zielgruppe richtet: Also über Klimafolgen nicht allgemein reden, sondern mit dem Blick auf Deutschland. Und mit Gutverdienern muss man anders reden als mit Armen, weil hoher Konsum mehr CO2-Emissionen nach sich zieht.

Wie effizient ist denn demnach die Klima-Kommunikation der Bundesregierung?

Der Regierung fehlt der Mut in der Kommunikation, sie will niemandem wehtun. Die Umweltverbände kommen klassischerweise zu sehr über die Risiken und zu wenig über die Optionen zum Handeln. Und oft wird kommuniziert, was alles noch schiefläuft, dass zum Beispiel die große Mehrheit immer noch fliegt. Aber der Hinweis, dass die Mehrheit sich noch nicht klimaschützend verhält, kommt bei vielen so an, dass sie es auch nicht machen müssen. Es sollte daher mehr über Vorbilder und gute Beispiele berichtet werden, die vormachen, wie Klimaschutz gelingt.

Sie sagen, die Bundesregierung ist zu mutlos. Aber beim Klimapaket hat sie doch getan, was Sie fordern: alle mitnehmen, keinem wehtun, keine Angst machen.

Man muss die Leute abholen, wo sie sind, ihnen aber auch etwas zutrauen. Die Bereitschaft, das eigene Handeln umzustellen, ist größer, wenn es als gerecht gilt, weil alle ein bisschen leiden müssen. Aber dafür müsste man der Wirtschaft so viel zumuten wie den Bürgern und den Einkommensgruppen auch gleich viel je nach ihren Einkommen.

Was machen die „Fridays for Future“ richtig dabei?

Sie bieten mit Greta Thunberg ein Vorbild, machen die Kommunikation aber auch moralisch. Das fehlt bisher. Sie klagen es als unfair an, wie wenig gemacht wird. Es geht bisher in der Klimakommunikation zu viel um Wissen, zu wenig um Moral.

Angstmachen funktioniert nicht, die Moralkeule aber schon?

Moral im Sinne von: „Du sollst!“ funktioniert nicht, im Sinne von „Wir sollen!“, das funktioniert. Gemeinschaftliche Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen und den Menschen in Entwicklungs­ländern, das geht, wenn es fair ist.

Wenn morgen die Kanzlerin bei Ihnen ein Konzept zur Klimakommunikation bestellen würde, wie würde das aussehen?

(langes Schweigen) Wir brauchen mehr und tiefgehendere Bürgerdialoge. Kein Greenwashing, sondern ernsthafte Gespräche dazu, was müsste euer Milieu, eure Einkommensgruppe, euer Berufszweig machen; was wäre notwendig, was kann man euch zumuten, wie können wir das umsetzen. Da würden wir in jeder Zielgruppe aufklären, Akzeptanz schaffen und eine faire Lastenteilung verhandeln. Das könnte uns voranbringen.

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10 Kommentare

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  • Sehr entpolitisierend, dieser Psychologe. Er hebt im Wesentlichen auf individuelle Verhaltensänderung ab. "Weniger fliegen, weniger Fleisch essen", auch weniger Strom verbrauchen: alles schön und gut, aber das ist keine Veränderung der politischen Rahmenbedingungen.



    Er hat offensichtlich nicht im Blick: Die wesentlichen Profiteuere der Verbrennung und Vernutzung fossiler Energierohstoffe die großen Erdöl-, Auto- und Kohlekonzerne sind. Und die Produzenten von Agrarchemie (Dünger und Pestizide).



    Mit denen muss die Politik sich anlegen. Solange das nicht geschieht, ist alles nur billige Kosmetik. Moraldiskussion als Ablenkung vom Kernproblem: die Kapitaleigentümer lassen lieber die Erde verbrennen als dass sie auf Profite verzichten.

    • @Kontext:

      Grundsätzlich haben Sie Recht.



      Der Konsument steht aber genauso in der Verantwortung und darf sich nicht nett zurücklehnen und warten bis die bösen Konzerne und die doofen Politiker sich ändern.



      Wer kauft denn die Autos, fliegt in den Urlaub, wer konsumiert denn die Waren, die auf Erdölbasis hergestellt wurden, wer kauft denn den Kohlestrom, das Billigfleisch und die ganze Unterhaltungselektronik ?



      Die Nachfrage bestimmt das Angebot.



      Und in Wechselwirkung bestimmt auch das Angebot die Nachfrage. Das, was Sie ansprechen.



      Und der Konsument hat es eigentlich recht einfach weil es zu allem schon ziemlich gute klimafreundliche Alternativen gibt. Bahn und Fahrrad fahren, vegane Produkte, zum Ökostromanbieter wechseln, Elektronik so lange nutzen wie es geht, Müll vermeiden usw. Problem:



      Die meisten sind unbeschreiblich bequem und ändern das Verhalten nicht. Dann wird es schwer Forderungen an Politik und Wirtschaft zu stellen, die von der Mehrheit profitiert, und die sind eben wohlstandsverwöhnt. SUV, Flugzeugbranche, Grillpartys und Weihnachtsgans von Aldi lassen grüßen.

      • @Traverso:

        Wenn der Staat (laut UBA) die Verbrennung fossiler Energierohstoffe mit ca. 60 Mrd Euro subventioniert, besteht hier eine massive staatliche Wettbewerbsverzerrung zugunsten derjenige, die davon profitieren - um es mal marktwirtschaftlich zu formulieren.



        Manche Unternehmen nötigen ja sogar ihre Mitarbeiter einen SUV-Dienstwagen zu fahren, um ihr Unternehmen angemessen zu repräsentieren. Frei Tanken auch für private Fahrten inbegriffen. Natürlich gibt es Idealisten, die daneben noch ein kleines Auto privat fahren, um nicht mit dem SUV bei der Verwandtschaft aufkreuzen zu müssen - aber hier den "Verbraucher" die Verantwortung zuzuschieben führt nicht weiter.



        Vor 40 Jahren gab es die "Aktion e - einfacher leben", und viele Leute bemühen sich auf unnötigen Ressoucenverbrauch zu verzichten. Auf die Abbaggerung ganzer Landstriche und die Verfeuerung von Braunkohle oder auf die Zulassung von SUVs oder den Flugverkehr mit steuerbefreitem Kerosin hat das leider nur sehr marginalen Einfluss...

        • @Kontext:

          Wenn Sie meinen Kommentar genau lesen, dann habe ich nicht platt dem Verbraucher die Verantwortung zugeschoben. Vielmehr habe ich von der Wechselbeziehung von Angebot und Nachfrage gesprochen.



          Der SUV ist vor allem deshalb so verbreitet weil die Fahrer es einfach geil finden so eine Maschine zu fahren. Dann wird der halt als Kassenschlager produziert. Hier gibt es die höchsten Umsätze für Autokonzerne. Es wird produziert wo es die höchsten Umsätze gibt.



          Raus aus diesem Dilemma kommt man durch hohe Umweltauflagen und Verbote. Und wer meckert darüber ?

          • @Traverso:

            Zur Wirtschaft fällt dem Herrn Umweltpsychologen nichts ein? Etwa auf den massiven Einsatz von Werbung, die ja lediglich zum Kauf manipulieren soll, zu verzichten. Das wäre zumindest ein Zeichen, dass die Wirtschaft verstanden hat.

  • Ich bin niemand der leicht in Panik verfällt, eher in Verständnislosigkeit; wie auch bei diesem Interview. Ja alles richtig, hätten wir das Jahr 2000 oder so.

    Seit 1990 gibts das Kyoto Protokoll; also die Anerkenntnis eines Probelms und eine Planzahl 2020. In 30 Jahren ist aber nix passiert!



    Ein durchschnittlicher Deutscher sollte von ca. 8 t CO2 im Jahr auf 2 t/a runter.



    Mit Fleichverzicht und weniger Fliegen ist da leider nix zu erreichen!



    Mir ist eher klar: Der Mensch ist ein Faultier und macht erst dann was gegen den UNtergang wenn es ihn unmittelbar betrifft. Das wird aber bei den Verursachern der Klimakrise, also hier in Europa, ganz bedauerlich erst ziemlich zuletzt passieren!



    Was sagt mir das?: Da muss man den Europäer eben "Komik-like" an den Ohren schnappen und solange schütteln bis er das macht was er soll. Kurzum. Regeln setzen und auf das Einhalten "hinarbeiten" mit Druck und Zwang.



    Alles andere ist doch "Täter schützen", in vielen Bereichen ein No-go, hier (im Interview) aber akzeptierte Bequemlichkeit!

    • @Tom Farmer:

      Volle Zustimmung

    • @Tom Farmer:

      Ja, genau so ist es!

      Die "Freiheit" uns weiterhin wie Arschlöcher zu benehmen, muss dringend beschnitten werden!

  • Die Demonstrationen zum Klimawandel gehen allesamt in die falsche Richtung.

    Statt gegen einzelne Kohlekraftwerke zu demonstrieren, sollte man besser allgemein für die drastische Erhöhung des Strompreises, des Benzinpreises und des Preises für Heizöl ohne Sozialausgleich demonstrieren. Sonst treibt man die Pest mit der Cholera aus.

    Wenn staatliche Subventionen wie die Pendlerpauschale oder die unverhältnismässige Heizkostenübernahme für Hartz-IV-Empfänger nicht gestrichen werden, wird Deutschland weiter ein Klima-Schweinehund bleiben, der pro Kopf mehr CO2 ausstösst als selbst Indien.

  • "Es geht bisher in der Klimakommunikation zu viel um Wissen, zu wenig um Moral."

    Ich würde sagen: Beides fehlt. Merkt man auch ein wenig bei einigen Sätzen des Psychologen: "Man kann zufrieden und stolz darauf sein, wenn man wirksam wird: nicht mehr fliegt oder kein Fleisch mehr isst."

    Wenn wir alle nicht mehr fliegen und kein Fleisch mehr essen würden, würde das zwar helfen, doch nicht reichen. Ist aber sekundär, wenn es mehr um Gefühle geht.

    Irgendwie komme ich nicht damit klar, dass ein sach- und problemorientiertes, hochwertiges Gespräch als Ausnahmeleistung in unserer Gesellschaft gelten soll.