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Pariser Abkommen ohne die USAKlimapolitik ist kein Tralala

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Europäische Union muss gegenüber den USA jetzt härtere Töne anschlagen – und Klimaverbrechen wie Menschenrechtsverletzungen behandeln.

Der überflutete North Roosevelt Küstenboulevard in Key West, Florida, nach dem Sturm Foto: Carlos Barria/reuters

M an könnte jetzt diesen Brexit-Impuls haben: Dann haut doch ab! All die Lügen und Verdrehungen, die Beleidigungen und Dummheiten, die wir uns seit drei Jahren von der US-Regierung zum Klima anhören müssen, sie könnten vorbei sein, wenn die USA nun endlich aus dem Pariser Abkommen verschwinden.

Wäre es nicht einfacher, ohne ein Land Klimaschutz zu machen, dessen regierende Elite die Fakten ignoriert und die Welt verpestet? Wäre es nicht einfacher, sich mit Erwachsenen abzugeben statt mit der US-Regierung?

Die bittere Antwort lautet: Nein. Denn anders als beim Brexit kann man den Weg ins Desaster nicht mal eben so ausprobieren und im Zweifel einfach umdrehen. Die nächsten zehn Jahre, so zeigen es alle wissenschaftlichen Berechnungen, werden entscheiden, ob der Klimawandel noch halbwegs beherrschbar bleibt oder völlig aus dem Ruder läuft.

Die USA sind beim Klima too big to fail. Wir können es uns schlicht nicht leisten, vier wertvolle Jahre an eine Neuauflage der Trump-Seifenoper zu verschwenden.

Wieso reden wir nicht über Handelssanktionen?

Den Menschen in den USA drohen vier weitere Jahre voller Hurrikanes, Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden. Sie haben unsere Solidarität verdient – gegen ihre eigene Regierung. Städte. Staaten, Universitäten und Unternehmen wehren sich mit effektivem Klimaschutz an der Basis.

Wir sollten sie im kommenden Wahljahr so unterstützen, wie wir auch anderswo der bedrängten Zivilgesellschaft helfen: durch Kontakte, Einladungen, Gehör, Kooperation.

Gleichzeitig muss der Ton gegenüber der US-Regierung härter werden. Wir müssen klarmachen: Klimapolitik ist kein Tralala, sondern ernster als jeder Handelsstreit. Klimaverbrechen müssen als Menschenrechtsverletzungen angesprochen und zum Nervensägen-Thema mit US-Diplomaten werden – so wie die Menschenrechte bei Gesprächen mit China. Die EU-Staaten könnten mal ihre Botschafter aus Washington zu Konsultationen abziehen.

Und wieso reden wir eigentlich nicht über Handelssanktionen, wenn die USA gegen ihre Schutzpflichten verstoßen? Wenn es gegen die Erderwärmung hilft, können die zwischenstaatlichen Beziehungen ruhig ein paar Grad frostiger werden.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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6 Kommentare

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  • Auch wenn ich die Empörung und Enttäuschung über das Verhalten der USA (und anderer großer CO2 Verursacher) teile, sehe ich in Aggression keine Lösung.



    Deutschland boykottiert China und USA - eher ein masochistischer Witz.

  • "...All die Lügen und Verdrehungen, die Beleidigungen und Dummheiten, die wir uns seit drei Jahren von der US-Regierung zum Klima anhören müssen, sie könnten vorbei sein, wenn die USA nun endlich aus dem Pariser Abkommen verschwinden...."



    Leider ist das Dummgeschwätze in Bezug auf Klimaschutz nicht vorbei.



    AfD und andere ewiggestrige Nationalisten aus verschiedensten Ländern blasen ins gleiche Horn wie Trump & Co.



    Gegen Dummheit ist leider kein Kraut gewachsen.

  • Völlig richtig: da werden immense Schäden verursacht durch Ignoranz, für die wir wenig später eine hohe Rechnung zahlen, während sich Länder wie USA (Brasilien, Indonesien, China...) am kurzfristigen Vorteil laben.

    Es wird immer gejammert, dass Deutschland nur 2% und wir können doch eh nix machen: doch, genau so können wir (als D und als EU) eine Menge machen. Da würden einige Länder ganz schnell blass.

  • Warum nur geht mir gerade der Satz. "Wer im Glashaus sitzt..." durch den Kopf? Die USA verlassen das Pariser Abkommen offiziell, und wir wahren nur den Schein, unsere völkerrechtlich bindenden Verpflichtungen zu erfüllen.



    Der Mafioso im Weißen Haus hat seine Notduft öffentlich auf das Abkommen verrichtet. Schamgrenzen gab es für ihn noch nie. Wir machen schamhaft hinter einer Hecke das Gleiche, und verklären es mit schönen Worten, leeren Versprechungen, schicken Labeln, massiver Wirtschaftsförderung mit "Klima-Marketing". Unserem Wirtschaftsstandort zuliebe! Denn unsere Wirtschaftsweise hat nichts mit dem Klimawandel zu tun!?

    Nationale Brillen werden gratis verschenkt und geputzt. Unsere CO2 Emissionen werden exportiert, raus aus unserer nationalen Atmosphäre.

  • Richtig ist, dass die Rolle der USA denen immer wieder klar gemacht werden sollte.

    Aber anderseits muss man von "Klimaverbrechen" sprechen? Was soll das sein? Ist der Internationale Strafgerichtshof dafür zuständig and wer geht für x to CO2 für wie lange ins Gefängnis?

    Auch Sätze wie: "Den Menschen in den USA drohen vier weitere Jahre voller Hurrikanes, Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden. " lassen an dem Kommentar zweifeln. Denn, wie auch der Autor weiss, die Wetterkatastrophen sind nicht an Regierungszyklen gebunden. Der Satz ist genauso falsch überdehnt, wie Pompeo s tweet, wonach die USA die besten Umweltstandards und höchste Widerstandskraft hätten .

    • @fly:

      Es ist längst Zeit, von "Klimaverbrechen" zu sprechen, so wie Jean Ziegler von den bereits heute jährlich ca. 9 Mio. Hungertoten spricht, daß wir sie ermordet haben. Internationaler Strafgerichtshof hin oder her.



      Der Ausstoß von Treibhausgasen ist zwar keine Tat, bei der mit einem klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang der/die einzelne Tote bestimmt werden kann. Aber wir können größenordnungsmäßig wissen, was bei weiteren Treibhausgas-Emissionen passiert.



      Wenn Sie der Ansicht sind, Herr Pötters Satz sei überdehnt, dann empfehle ich Ihnen folgenden Artikel im "Freitag "von 2017 von David Wallace-Wells www.freitag.de/aut...t-schlaegt-zurueck, von dem gerade auch ein Buch erschienen ist "Die unbewohnbare Erde".



      Ich finde, es ist höchste Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen. Die bisherige Behandlung der Hauptverursacher der Emissionen mit Samthandschuhen hat meines Erachtens kaum etwas gebracht. Die wohlhabenden CO2-Emittenten verlangen Rücksichtsnahme auf ihren Lebensstil. Welche Rücksicht nehmen sie auf die Menschen, die an den Folgen des Klimawandels sterben werden?