Details der Brexit-Einigung: It’s a deal!
Der Kern des Brexit-Deals ist eine neue Zollregelung für Nordirland. Die Grenze zu Irland bleibt offen, obwohl Nordirland die EU-Zollunion verlässt.
Die Vereinbarung, die wenig später von der EU-Kommission dem EU-Gipfel zur Annahme empfohlen wurde, nimmt wesentliche Veränderungen an dem Abkommen vor, das die EU mit Theresa May im November 2018 geschlossen hatte. Ein neues Nordirland-Protokoll streicht den ungeliebten „Backstop“, an dem der May-Deal im britischen Parlament gescheitert war. Damit hat Johnson, der als Backstop-Kritiker im Juli Premierminister geworden war, einen bis vor Kurzem noch für unmöglich gehaltenen politischen Triumph geschafft.
Man habe die „Quadratur des Kreises“ geschafft, lobte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Gemeint ist eine Lösung des Problems, an dem seit zwei Jahren alle scheitern: Großbritanniens Austritt aus der EU-Zollunion mit der Offenhaltung der zukünftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland zu vereinbaren.
Denn irgendwo muss ja dann eine Zollgrenze verlaufen. Zwischen Irland und Nordirland? Eine undenkbare Gefährdung des Friedens, sagten Brüssel und Dublin. Zwischen Nordirland, das dann in der Zollunion bleiben müsste, und Großbritannien? Eine undenkbare Spaltung des britischen Staatsgebietes, sagte London. Gar nicht, also indem das Vereinigte Königreich einfach ganz in der Zollunion bleibt? Dann wäre man ja faktisch weiter in der EU, sagte London.
Nordirland kommt auf die irische Seite der Zollgrenze
Die Lösung lautet nun so: Das gesamte Vereinigte Königreich darf die Zollunion verlassen. Aber die Zollgrenze zu Irland verläuft nicht an der irischen Grenze, sondern aus britischer Sicht schon vorher, zwischen Großbritannien und Nordirland. Dieses liegt dann geografisch auf der EU-Seite der Zollgrenze, ohne aber zum EU-Zollgebiet zu gehören.
Damit gibt es keine Zollkontrollen auf der irischen Insel. Zollformalitäten gibt es nur zwischen Großbritannien und Nordirland. Sie greifen aber nur bei Handelsgütern, die von Großbritannien aus über Nordirland weiter nach Irland verschifft werden. Bei Gütern, die in Nordirland verbleiben, werden die erhobenen Zölle später erstattet beziehungsweise gar nicht erst eingetrieben.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen verkauft aus England einen Kühlschrank nach Nordirland. Der wird nach EU-Regeln verzollt – aber wenn der Abnehmer in Nordirland sitzt, wird die Zollgebühr nicht fällig. Sitzt der Abnehmer in der Republik Irland und damit in der EU, ist der Zoll fällig, aber die Formalitäten haben schon die Briten erledigt; auf der irischen Insel passiert nichts.
Das Ganze klingt sehr kompliziert. Aber Nordirland hat nur 1,8 Millionen Einwohner, sein Warenimport aus Großbritannien im Wert von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr besteht hauptsächlich aus Lebensmittelprodukten für nordirische Supermärkte. Das ist überschaubar. Wichtig ist zusätzlich, dass in Nordirland, nicht aber in Großbritannien, die Regeln des EU-Binnenmarkts gelten sollen; also muss es sowieso Warenkontrollen geben.
Am problematischsten für den britischen Premier ist nun aber die ablehnende Haltung der nordirischen Unionisten in der DUP (Democratic Unionist Party), die normalerweise die Regierung unterstützen und in Nordirland die stärkste Partei sind. Aus DUP-Sicht verändert das Abkommen den Status Nordirlands innerhalb des Vereinigten Königreichs und benötigt daher laut dem Karfreitagsabkommen von 1998, das den Frieden in Nordirland gewährleistet, die Zustimmung beider Bevölkerungsteile – der protestantisch-unionistischen sowie der katholisch-republikanischen Parteien.
Der neue Abkommenstext sieht gar keine Zustimmungspflicht Nordirlands vor. Erst nach 2025 soll das nordirische Parlament entscheiden, ob das Protokoll weiter gilt. Wenn beide Bevölkerungsteile zustimmen, läuft es weitere acht Jahre, bei einer einfachen Mehrheit vier Jahre. Wenn es abgelehnt wird, läuft es zwei Jahre später aus.
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