piwik no script img

Türkische Offensive in NordsyrienKein Exportstopp für Rüstungsgüter

Norwegen genehmigt bis auf Weiteres keine neuen Ausfuhren an die Türkei. Die Bundesregierung will sich dem Vorbild nicht anschließen.

Leopard-2-Panzer aus deutscher Produktion in der Türkei (Archiv-Foto) Foto: dpa

Berlin taz | Die Bundesregierung behält sich vor, trotz der türkischen Offensive in Nordsyrien weitere Rüstungsexporte an die Türkei zu genehmigen. Ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin sagte am Freitag, die „aktuelle Entwicklung“ in Syrien werde die Bundesregierung bei Genehmigungsentscheidungen „natürlich berücksichtigen“. Einen generellen Genehmigungstopp kündigte er allerdings nicht an – anders als am Vortag die Regierung des Nato-Partners Norwegen.

Die norwegische Außenministerium Ine Eriksen Soreide hatte am Donnerstag bekanntgegeben, wegen des türkischen Vorgehens gegen kurdische Einheiten vorerst keine neuen Genehmigungsanträge mehr bearbeiten zu lassen. Bestehende Genehmigungen wolle sie überprüfen. Entsprechende Forderungen richtete die Opposition im Deutschen Bundestag auch an die Bundesregierung.

„Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas müssen angesichts der anhaltenden türkischen Kriegsoffensive in Syrien ebenfalls alle Rüstungslieferungen an die Türkei stoppen und in Nato und EU auf ein umfassendes Waffenembargo gegen Ankara drängen“, sagte die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen am Freitag. Die Grünen Claudia Roth und Cem Özdemir hatten zuvor schon in einer gemeinsamen Erklärung gefordert: „Wir brauchen einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte in die Türkei.“

Strafmaßnahmen gegen die Türkei könnten nächste Woche auch auf EU-Ebene zum Thema werden. Die französische Europa-Staatssekretärin Amélie de Montchalin sagte am Freitag, beim anstehenden EU-Gipfel solle über gemeinsame Sanktionen gesprochen werden. Welche Sanktionen ihr genau vorschweben und ob auch Rüstungsembargo dazugehört, verriet sie nicht. Eine Sprecherin der Bundesregierung wollte den französischen Vorstoß nicht kommentieren: Man habe den Vorschlag zur Kenntnis genommen, könne ihn aber noch nicht kommentieren, sagte sie.

Millionen-Exporte im ersten Halbjahr

Laut den Richtlinien der Bundesregierung sind Rüstungsexporte an Nato-Staaten wie die Türkei „grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist“. In der Vergangenheit erhielt die Türkei immer wieder umfangreiche Waffenlieferungen aus Deutschland, darunter waren unter anderem Leopard-Kampfpanzer.

Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres exportierte Deutschland Kriegswaffen im Wert von rund 184 Millionen Euro in die Türkei. Laut Wirtschaftsministerium war darunter „ausschließlich Ware für den maritimen Bereich“. Dabei könnte es um U-Boote gehen, deren Ausfuhr schon vor Jahren genehmigt worden war. Neu genehmigt hat die Bundesregierung im ersten Halbjahr Exporte im Gesamtwert von rund 26 Millionen Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2018, aber weniger als in einigen anderen Jahren zuvor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • ein waffenembargo gegen die türkei genügt nicht.ihre nato mitgliedschaft sollte beendet werden noch bevor die nato abgeschafft wird,was wahrscheinlich etwas länger dauern wird..

  • Am Schicksal der Kurden, die im Norden Syriens durchaus demokratische Strukturen errichtet haben und mit schweren Verlusten gegen den IS gekämpft haben, zeigt sich die ganze Verlogenheit der westlichen "Werte"-Gemeinschaft.



    Aber wo sind im deutschen Bundestag die PolitikerInnen insbesondere von SPD und CDU, die mit dieser unsäglichen Außenpolitik, personifiziert durch Heiko Maas, aufstehen und auf die Einhaltung von Menschenrechten pochen?

  • Erdogan hat die Bundesregierung fest im Schwitzkasten. Die Drohung, Millionen Flüchtlinge aus den türkischen Lagern gen Westen ziehen zu lassen, schlägt jeden anderen Trumpf!

    • @amigo:

      Man kann Herrn Erdogan seinen Trumpf ganz einfach aus der Hand schlagen: "Du, weißt Du was Presidente, wir nehmen nicht nur die 3,6 Millonen. Nein Deutschland nimmt alle, die kommen." Womit will der dann noch drohen? Wir verkaufen ihm keine Waffen mehr, sind nicht mehr erpressbar. Ach hat nur einen klitzekleinen Haken. Die 3,6 Millionen nehmen wir zwar schon, aber auf die Milliarden an € durch Rüstungsexport will die Regierung dann wohl lieber doch nicht verzichten. Dabei ist diese Paradoxe Intervention genannte Antwort die einzige Idee, mit der man der Erpressbarkeit entgehen kann. Aber die Waffen sprechen dagegen. Schade. Norwegen Du hast es besser!

  • Dabei müssten sich Internationale Brigaden mit Leopard-3-Panzern der türkischen Okkupation Kurdistans in den Weg stellen und sie zum Rückzug zwischen. Also mit den besseren Waffen weiteres Sterben und Massaker stoppen.

    • @nzuli sana:

      "Leopard-3-Panzern"

      Eine Spezialkonstruktion von Ihnen?

      " Internationale Brigaden"

      Falsches Jahrhundert, falscher Krieg. Für Kurden lässt sich niemand erschießen. Die erschießt man oder liefert wenigstens die Waffen dafür. So ist das in Europa. Leider!

  • Wenn es hier um Waffenexporte geht, dann darf mitgeteilt werden, dass Bayern mit 1,9 Mia den Hauptanteil liefert (natürlich nicht alle in die Türkei, gefolgt von Ba-Wü mit 1,3 Mia und dann erst NRW mit 0,36 Mia. E hat nur noch Spott für die EU übrig und BoJo wird das Desaster weidlich für seine egomanischen Zwecke ausnutzen. www.sevimdagdelen....ngsexporten-vorne/

  • Genauso wie am Sonntag gegen Neonazis demonstriert wird, müssen dringend Demos vor der SPD-Zentrale, dem AA oder dem Bundeskanzleramt organisiert werden. Die Jusos, die Linke und die Grünen müssen dies massiv unterstützen.

  • Gut,dass wenigstens die taz fähig ist den Ungeheuerlichkeiten dieser Bundesregierung auf den Zahn zu fühlen.



    Dafällt einem echt nichts mehr ein.Wie korrupt und verkommen muss man sein als Bundesregierung.



    SPD,jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen die Reißleine zu ziehen,wenn ihr noch ein ganz klein Wenig Gesicht waren wollt.

  • Unser Aussenminister beteiligt sich lieber an einem von Trump initierten Putsch als sich für Aliierte einzusetzen, die auch für uns Soldaten im Kampf gegen den IS verloren haben.



    Deutsche Aussenpolitik ist hier kein Stück besser als die der USA.



    Widerlich.

    • @neu_mann:

      "Unser Aussenminister..."

      Wo ist der eigentlich?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Wo ist der eigentlich?"



        :) Fehlt er Ihnen ?

        • @jhwh:

          Nicht wirklich. Aber ich denke, Leute die bezahlt werden, sollten auch dafür arbeiten.

  • Den Gipfel der Heuchelei hat heute der NATO Generalsekretär erreicht. Er verurteilt zwar das türkische Vorgehen, äußert aber Verständnis für die Türkei und betont, dass sie ein wichtiger NATO Partner bleibt. Mehr muss man über die "Wertegemeinschaft" nicht wissen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was hatten Sie erwartet? Die Türkei stellt, nach den USA, das größte NATO-Truppenkontingent. Die waren schon immer Extrawurst. Die wurden bisher noch nichtmal angeschnautzt, weil sie ihr 2% BIP Versprechen nicht halten. Wenn der POTUS nicht persönlich meckert, machts Keiner. War schon immer so, seit man in den 60ern geostrategisch entschieden hat, daß die Türkei nicht an Moskau fallen darf.

      • @Mephisto:

        "Was hatten Sie erwartet? "

        Nichts Anderes. Aber ich wäre gern überrascht worden.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wie ich gerade an anderer Stelle lesen durfte, haben die Ultras des FC St. Pauli in obiger Angelegenheit eine klügere Haltung als die Deutsche Regierung gezeigt.

    Auf die pronationalistische Reaktion ihres Spielers Sahin haben sie ihm die unzweideutige Empfehlung gegeben, was er in der Verantwortung seiner inhumanen kurdenfeindlichen Auswürfe tun solle.

    Als glühender Befürworter angemessener Sprache sage ich nur: "Der Ton macht die Musik." Neben der Musik natürlich.

  • Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt...

    und CDU und SPD finden‘s gut....

    widerliche Heuchler: für den Flüchtlingsdeal mit dem faschistischen Erdogan- Regime würde diesePack (um Gerhard Schröder zu zitieren) vermutlich auch ihre Töchter in die Prostitution verkaufen.