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Deutsche ExporteEine alarmierende Statistik

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Auf den ersten Blick zeigen Deutschlands Exporte erfreuliche Zahlen. Doch das täuscht, denn in der Eurozone stagnieren sie – und das hat Folgen.

Noch läuft das deutsche Exportgeschäft nach Übersee Foto: dpa

A uf den ersten Blick sehen die neuen Exportzahlen beruhigend aus, die am Montag veröffentlicht wurden: Im Juli sind die deutschen Ausfuhren um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Doch die Details sind irritierend und zum Teil alarmierend. Die Handelsdaten spiegeln eine völlig andere Welt wider, als die öffentliche Debatte glauben macht.

Beispiel USA: Permanent wird über die Handelskriege berichtet, die Präsident Trump verbal anzettelt. Doch bisher läuft die Ausfuhr blendend. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres konnten die Deutschen ihre Exporte in die USA um 5,4 Prozent steigern.

Oder China: Auch die Volksrepublik ist ständig in den Medien, weil beharrlich befürchtet wird, dieser wichtige Markt könnte demnächst in die Krise geraten. Die Statistik hingegen bietet keinen Anlass zur Sorge: Die deutschen Exporte nach China haben in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 4,9 Prozent zugelegt.

Die Eurokrise hingegen kommt in den Medien kaum noch vor, und viele Deutsche glauben, sie sei längst überwunden. Doch die Zahlen zeigen, dass sich die Krise sogar vertieft. Die deutschen Exporte in die Eurozone sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur um magere 0,4 Prozent gestiegen. Das gleicht noch nicht einmal die Inflation aus. Real sind die Ausfuhren also gesunken.

Trotzdem wird die Eurokrise in Deutschland beharrlich ignoriert, was zu seltsamen Debatten führt: So wird gern zum Skandal erklärt, dass die Zinsen bei null dümpeln und die Sparer „enteignet“ würden. Es gibt jedoch kein Menschenrecht auf Zinsen. Sie lassen sich nur finanzieren, wenn die Wirtschaft wächst.

Das Wachstum ist jedoch hierzulande schwach, weil die Exporte in die weite Welt nicht ausgleichen können, dass der wichtigste deutsche Markt schwächelt: Europa. Statt auf ihre Kontoauszüge zu starren, sollten sich die deutschen Sparer lieber mit der Frage befassen, wie sich die Eurokrise überwinden lässt. Wer langfristig Zinsen sehen will, muss kurzfristig für ein Konjunkturpaket kämpfen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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8 Kommentare

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  • "Das Wachstum ist jedoch hierzulande schwach, weil die Exporte in die weite Welt nicht ausgleichen können, dass der wichtigste deutsche Markt schwächelt: Europa."

    Der wichtigste Markt für Deutschland ist nicht Europa. Der wichtigste Markt für Deutschland ist Deutschland. Dieser Markt wird sehr vernachlässigt. Eine Aktive nachfragefördernde Politik würde viele Probleme der Deutschen Wirtschaft lösen.

    Öffentliche Investitionen in Schulen, Schwimmbäder, Ökologische Infrastruktur würde die Wirtschaft ankurbeln. Die Nachfrage würde zu mehr Investitionen in den beauftragten Unternehmen führen, zu Mehr Arbeitsplätzen und damit zu mehr Inlandsnachfrage womit die Wirtschaft insgesamt Profitiert.

    Dabei müssen eventuell Kredite aufgenommen werden. Das ist gerade jetzt aber kein Problem, da die Verzinsung derzeit negativ ist. Inzwischen fordert sogar der IWF Deutschland auf mehr zu investieren.

    Ein anderer Aspekt, der sehr eng damit verwandt ist, ist die stark Ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen.

    „Reicher Mann und armer Mann



    standen da und sahn sich an.



    Und der Arme sagte bleich:



    »Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«.“

    Ein Geringverdiener, der auf jeden Euro angewiesen ist, muss sich in seinem Konsum einschränken, wenn zudem die nächste Mieterhöhung ansteht. Ein Einkommensmillionär kann nicht soviel ausgeben, wie er einnimmt. Dazu kommt noch, dass der Einkommensmillionär meist auch Einkommen aus vermögen hat, wozu auch Miete und Pacht gehört.

    Seit Jahrzehnten und noch verstärkt seit der „Agenda 2010“ ist die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer größer geworden. Die politischen Entscheidungen von damals haben einen „der besten Niedriglohnsektoren in Europa“ (Gerhard Schröder) geschaffen.

  • "Auf den ersten Blick sehen die neuen Exportzahlen beruhigend aus, [..]: Im Juli sind die deutschen Ausfuhren [...] im Vergleich zum Vorjahr gestiegen"

    Beruhigend ist das überhaupt nicht, gemäss des magischen Vierecks ist ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht anzustreben, das heißt, dass langfristig ein gleichgewicht der Im- und Exporte anzustreben ist. Das Magische Viereck ist mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zudem auch Deutsches Recht.

  • "Die deutschen Exporte in die Eurozone sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur um magere 0,4 Prozent gestiegen."

    Ja und - soll mehr nach Griechenland und Italien exportiert werden um bei uns auf Kosten der Italiener und Griechen Arbeitsplätze zu sichern?

    • @A. Müllermilch:

      Jein. Güteraustausch kann für beide Seiten von Vorteil sein. Ich meine (aber) zu wissen, was Sie meinen.

    • @A. Müllermilch:

      Genau das ist der Punkt - die Griechen haben wir schon mal erfolgreich kaputt-saniert und wollen auch gern den Rest Südeuropas zum eisernen Sparen zwingen. Dann wundern wir uns, dass wir keine Zinsen mehr kriegen auf unser Erspartes, während es in andern europäischen Ländern am Nötigsten mangelt. Das ist deutsche Wirtschaftslogik.

      • @Artur Möff:

        :-) kaputt saniert, bestimmt, aber zunächst einmal nicht das Ausgangsproblem verursacht. Ist aber von mir kein Griechenland-bashing; Fehler können passieren.

  • Zitat: „Wer langfristig Zinsen sehen will, muss kurzfristig für ein Konjunkturpaket kämpfen.“

    Aber sicher doch. Am besten für eins, mit dem die Bundesregierung funkelnagelneue Dritt- und Viertwagen fördert. Denn die stehen anschließen nur rum und kosten Platz, während das jeweilige Erstauto die Luft verpestet.

    Und nun mal ohne Mist: Wer will, dass die Euro-Krise endet, der sollte den jeweils Größten jeder Branche schleunigst seine Gunst entziehen. Die sogenannten Volksparteien eingeschlossen, die dem Teufel helfen, auf immer höhere Haufen zu sch... - ach, lassen wir das.

    Das Geld sollte jedenfalls künftig weniger in Luxusgüter und Statussymbole fließen, die, einmal gebaut, möglichst lange halten sollten, sondern eher in Dinge und Leistungen, die jeden Tag wieder gebraucht und wenn möglich sogar verbraucht werden. Auch in soziale oder Gesundheitsdienstleistungen. Würden die permanent besser und also teurer, hätten alle was vom Wachstum, nicht nur die Obersten Zehntausend. Die Eu-Politiker könnten das mit den so lange schon fehlenden einheitlichen Standards fördern. So würde es dann vermutlich auch mit der EU-Marktentwicklung klappen. Vom Ende des Rechtsdralls wirklich hier gar nicht erst anfangen. Das wäre ein Kollateralnutzen, schätze ich.

    • @mowgli:

      Ich hoffe darauf jeden Tag :-).