Rennen um den SPD-Vorsitz: Auf dem Holzweg
Für ihre Kandidatenkür hat sich die SPD die Doppelspitze von den Grünen abgeguckt und von der CDU die Regionalkonferenzen. Kann das gut gehen?
D ie SPD sucht einen Parteivorsitz und gibt sich experimentierfreudig: Bei der CDU guckt sie sich den Prozess ab – die Vorstellung der KandidatInnen in Regionalkonferenzen – und bei den Grünen die Doppelspitze. Aber damit beschreitet die Partei einen Holzweg: Was bei anderen Parteien funktioniert und gut ist, muss nicht das Patentrezept für die SPD sein – im Gegenteil. Sie begeht hier einen massiven, vielleicht sogar einen fatalen Fehler.
Angela Merkel hat es während ihres 18-jährigen Parteivorsitzes mit insgesamt sieben SPD-Parteivorsitzenden zu tun gehabt. Mit der 7-jährigen Amtszeit von Sigmar Gabriel gab es dabei nur zwischen November 2009 und 2017 so etwas wie Konstanz. Während die Neuaufstellung der eine Besonderheit war, gehört der (Auf-)Bruch bei der SPD mittlerweile zur Routine.
Seit einer gefühlten Ewigkeit kreist die SPD vor allem um sich selbst. Der parteiinterne Wahlkampf wird die Aufmerksamkeit noch weiter von der Regierungsarbeit weg lenken und die Zerrissenheit der Partei weiter unterstreichen.
Dabei bescheinigt eine gerade erschienene Studie von der Bertelsmann Stiftung und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung der Regierung, dass sie bereits mehr als 60 Prozent der Koalitionsversprechen umgesetzt oder angepackt hat. Der SPD aber gelingt es weiterhin nicht, ihre Erfolge öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, die Revision zur Halbzeit der Großen Koalition rückt näher und die Ergebnisse der anstehenden Landtagswahlen werden auch keine Ruhe bringen. In diese Gemengelage fällt nun die Suche nach einer Parteispitze, die länger im Amt bleiben soll als die letzten Vorgänger.
Einziger Bewerber aus der ersten Reihe: Scholz
Doch noch bevor die Bewerbungsfrist verstrichen ist, wirft die Suche ein ungünstiges Licht auf die Partei. Die erste Phase des Auswahlprozesses war davon geprägt, wer alles nicht antreten wolle. Sämtliche politischen Schwergewichte, von denen man die Kandidatur erwartet hatte, warteten erst mal ab, oder verneinten direkt.
Das Amt, das Franz Müntefering mal als das „schönste Amt neben Papst“ bezeichnet hatte, scheint nicht sonderlich beliebt. Das ermutigte Kandidaten aus der sogenannten zweiten Reihe, ließ aber gleichzeitig an der Bedeutung der Wahl zweifeln. Nun hat sich zwar Bundesfinanzminister Olaf Scholz beworben, erkennbar eher vom Verantwortungsgefühl getrieben als von echtem Interesse, hatte er eine Kandidatur eigentlich aufgrund seines Ministeramts ausgeschlossen. Mit der verspätet an seine politische Seite tretenden Partnerin Klara Geywitz aus Brandenburg soll auch Ostdeutschland repräsentiert sein.
Fraglich, ob dies das nötige Feuer ist, um die Partei zu mobilisieren. Scholz genießt zwar in großen Teilen der Gesellschaft Respekt, ist aber alles andere als ein Kandidat, hinter dem sich die gesamte Partei versammeln kann. Er gilt als Technokrat, dem man den Unterschied zu seinem CDU-Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble nicht anmerkt. Gut möglich, dass seine Kandidatur vor allem im linken Flügel der Partei weitere Bewerbungen anregen wird. Von SPD-Politikern, die sich Olaf Scholz nicht als Gesicht des Neuanfangs vorstellen können.
Der nächste Konflikt im Haus
Karl Lauterbach hat bereits einen „Lagerwahlkampf“ angekündigt. Der Gesundheitsexperte steht gemeinsam mit Nina Scheer für einen Weg raus aus der Groko, während Olaf Scholz eben das verhindern möchte. Ein „Lagerwahlkampf“ könnte die Krise der SPD aber massiv verschärfen. Die Gräben zwischen jenen, die bei Neuwahlen das nächste Debakel befürchten und jenen, die bereits von Rot-Rot-Grün träumen, würden tiefer.
Die SPD wieder mit sich selbst zu versöhnen, wird zu den schwierigsten Aufgaben der neuen Parteispitze gehören. Grabenkämpfe würden da nicht helfen. Grundsätzlich hat eine Doppelspitze gute Chancen, zur innerparteilichen Versöhnung beizutragen. Nicht nur Mann und Frau wären gleichermaßen vertreten: Es könnte einen Ausgleich bei der Repräsentanz von Ost- und Westdeutschland geben und auch inhaltlich könnten sich die beiden Vorsitzenden ergänzen.
Auf der anderen Seite wäre es fatal, wenn sich die SPD mit der Doppelspitze direkt den nächsten Konflikt ins Willy-Brandt-Haus holt. Möglich, dass sich bisher alle angetretenen Kandidatenduos deshalb inhaltlich sehr nahestehen. Die SPD muss es schaffen, wieder als selbstbewusste Partei aufzutreten, die klar zuordenbare Politikangebote macht.
Neuer Umgang mit Führungspersonal
Mindestens genauso wichtig wird sein, ob es der Partei gelingt, einen neuen Umgang mit ihrem Führungspersonal zu finden. Die größte Gefahr besteht darin, dass auch ein frisch gewähltes Kandidatenduo von der eigenen Partei zerrieben wird. Der Umgang mit Andrea Nahles dürfte ein Grund dafür sein, warum viele vor einer Kandidatur zurückschreck(t)en. Bei allen Vorteilen der innerparteilichen Demokratie: Fehlt der Respekt füreinander, werden Spitzenleute so schnell verbraucht, bis am Ende niemand mehr übrig ist.
Das Risiko, an der Ungeduld der nach Erfolg lechzenden Partei zu scheitern, ist enorm. Um das zu verhindern, bräuchte es leidenschaftliche Parteivorsitzende, die der SPD nach außen ein Profil geben können und auch die Mitglieder dafür begeistern. Die verkörpern können, dass sie tatsächlich die beste Wahl sind, die in diesem langen Auswahlprozess getroffen werden konnte, und die sich im Wahlkampf das nötige Vertrauen erarbeiten, damit nicht kurz nach der Wahl die nächste Führungsdebatte losgetreten wird.
Entscheidend für die Zukunft der SPD wird sein, ob sie den internen Wahlkampf nutzt: für die inhaltliche Auseinandersetzung darüber, welcher Kurs in den verschiedenen Politikfeldern gelten soll. Bei der Suche nach den richtigen Köpfen darf der Inhalt nicht ins Hintertreffen geraten. Sonst droht die baldige Bedeutungslosigkeit.
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