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Reform der GrunderwerbsteuerStaat, Mieter und Bauern geprellt

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Mit Share Deals umgehen Konzerne gerne Steuern sowie Regeln gegen Wohnungsnot. Die Pläne der Regierung würden daran kaum etwas ändern.

Protest gegen Mietsteigerungen: Ein Grund ist Spekulation, die durch Share Deals angeheizt wird Foto: dpa

I mmobilienverkäufe mit Share Deals sind asozial: Gerade Konzerne erwerben das Gebäude oder Grundstück nicht direkt, sondern Anteile („Shares“) an einer Firma mit der Immobilie. So lange sie weniger als 95 Prozent kaufen, müssen sie nach aktueller Rechtslage keine Grunderwerbsteuer zahlen. Es gelten auch nicht gesetzliche Vorkaufsrechte etwa von durch Wohnungsnot geplagte Kommunen oder – bei Agrarflächen – von Landwirten.

So können vor allem große Investoren Wohnhäuser häufiger verkaufen und die Preise in die Höhe treiben. Den Ländern entgehen nach Schätzungen bis zu eine Milliarde Euro Steuern pro Jahr, Mieter zahlen langfristig mehr und Bauern werden Äcker von Branchenfremden weggekauft.

Leider würde daran der am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Grunderwerbssteuer kaum etwas ändern. Die Große Koalition will, dass die Abgabe schon dann fällig wird, wenn der Käufer 90 Prozent der Firma mit der Immobilie übernimmt. Den Rest darf er nicht wie bisher bereits nach 5, sondern erst nach 10 Jahren steuerfrei übernehmen.

Das sind angesichts der Millionengeschäfte, um die es hier geht, lächerlich niedrige Hürden. Die Investoren müssen einfach die Verträge mit ihren Strohleuten, die die restlichen Anteile halten, etwas ändern – und können ansonsten weiter spekulieren wie bisher.

Steuerpflicht ab einem Anteil von 50 Prozent

Das Spiel stoppen könnte der Bund nur, wenn er die Schwelle für die Steuer auf 50 Prozent der Unternehmensanteile senkt. Denn wer nicht mehr als die Hälfte einer Immobilienfirma hat, kann auch nicht wirklich über sie bestimmen. Dann wären Share Deals ziemlich unattraktiv. Damit das vor dem Bundesverfassungsgericht durchkommt, müsste die Abgabe nur für den jeweiligen Firmenanteil gezahlt werden. Bislang schuldet der größte Gesellschafter die gesamte Steuer.

Parallel müsste der Staat vorschreiben, dass die Vorkaufsrechte für Kommunen und Bauern auch beim Share Deal ziehen. Dann wäre diese asoziale Praxis wohl endgültig tot.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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9 Kommentare

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  • Sorry, aber der Artikel ist schlecht recherchiert. "Konzerne" kaufen Grund und Boden in der Regel aus dem Grund, dass sie darauf ein Büro- oder Produktionsgebäude bauen wollen oder ein bestehendes Gebäude mit Grund und Boden übernehmen.

    Insofern trifft die Regelung überwiegend die Falschen, wobei noch nicht einmal das zutrifft. Wahrscheinlich trifft es sogar ausschließlich die Falschen.

    Wohnungsbaugesellschaften, die Grundstücke per share deal kaufen wollen, finden einen Ausweg, das bin ich mir sicher. Und sei es, dass sie nicht mehr die Anteile der Gesellschaft, die den Grund und Boden besitzt kaufen/verkaufen, sondern die Anteile einer Gesellschaft, die eine oder mehrere Ebenen höher angesiedelt ist. Und die ist dann auf der Isle of Man beheimatet oder auf Panama, aber sicher nicht in Deutschland.

  • "Parallel müsste der Staat vorschreiben, dass die Vorkaufsrechte für Kommunen und Bauern auch beim Share Deal ziehen. Dann wäre diese asoziale Praxis wohl endgültig tot."

    Noch besser unsere Gesellschaft fordert, gemäß Grundgesetz, ein, dass Grund, Boden. dem Gemeinwohl verpflichtet, in Erbpacht auf 99 Jahre vergeben werden, das Steuerprivileg christlicher u. a. Kirchen, Religionsgemeinschaften als größte Grund- , Bodeneigentümer im Land, im ländlichen Raum, wie in zentraler Lage von Städten, Dörfern nach dem Bund, Befreiung von Grunderwerbssteuer wird abgeschafft, auch um fatale Anreize abzubauen, dass Kirchen als Tendenzbetrieb, befreit von Grunderwerbssteuer, in ausgweitetem Maße Grund und Boden für kirchlich privat geführte Kliniken, Schulen, Medien- . Agrarbetriebe erwerben.

    www.deutschlandfun...:article_id=455096



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    Religionskritik



    „Der Staat muss gottlos sein“



    In dem Buch „Exit“ rechnen mehr als 20 Autorinnen und Autoren mit der Religion ab. Deutschland sei noch immer kein säkularer Staat, erklären sie. Herausgeber Helmut Ortner kritisiert im Dlf, dass es eine „große, unabgesprochene Allianz“ zwischen Politik und Kirchen gebe.

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  • Steuerrechtliche Kommentare in der taz sorgen stets für eine sehr angenehme Erheiterung.

    Sollte das Ganze wie hier gefordtert umgesetzt werden, schaltet man zukünftig einfach eine ausländische Zwischengesellschaft als Holdinggesellschaft über die deutsche GmbH. Werden dann Anteile an der Muttergesellschaft veräußert, bekommt das in Deutschland niemand niemand mit.

    Auf dem Papier sieht das natürlich super aus, da nach Aktenlage sowohl die Veräußerung von Grundstücken als auch die Share-Deals deutlich nachlassen. Nur gewinnt dabei weder der Mieter oder der Staat.

    Die letzten beiden Absätze - herrlich naiv.

  • Es ist nur noch nervig zu sehen, wie viele Steuern man als Normalverdiener zahlen muss und wie viele Steuern vermieden werden.



    Würde man hier einen auch nur ansatzweise fairen Anteil eintreiben, könnten die Steuern für die arbeitende Bevölkerung deutlich reduziert werden.

  • Kann Jemand erklären mit welcher Begründung Gesellschaften keine Grunderwerbssteuer zahlen müssen?

    • @Rider:

      Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrssteuer. Steuerbar ist ein Transfervorgang (in der Regel die Veräußerung eines Grundstückes).

      Bei einem Share Deal bleibt das Eigentumsverhältnis betreffend der Immobilie vollkommen unverändert. Insoweit ist die Einbeziehung von Share Deals (momentan ab 95 %) nicht die eigentliche Regel sondern die eigentliche Ausnahmeregelung.

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @DiMa:

        Sagen Sie mal, finden Sie das eigentlich gerecht, dass jede normale Familie die Grunderwerbsteuer zahlen muss, Konzerne z.B. aber wegen des Share-Deal-Tricks nicht?

        • @Jost Maurin:

          Die Frage der Steuersystematik hat mit der Frage der Gerechtigkeit nichts zu tun. Durch die hier gemachten Vorschläge werden unternehmerisch notwendige Restrukturierungen erschwert bzw. in Einzelfällen unmöglich gemacht und der deutsche Immobilienmarkt wird weiter internationalisiert. Wird die Angelengenheit dadurch gerechter? Wohl kaum.

          Wollen Sie insoweit Gerechtigkeit für die erwebenden Eigenheimbesitzer, dann sollten Sie die Abschaffung der Steuer fordern.

    • @Rider:

      Ich vermute: als Betrieb gehören die Immobilien zu den Investionen, die für seine Aufrechterhaltung gedacht sind. Waren besipielsweise fallen darunter, wesegen die Umnsatzsteuer als Merhwertsteuer an den Endverbraucher weitergegeben wird. Mit der gleichen Begründung kann ein Student z.B Lehrmittel zurückverlangen.



      Was hier sehr verwundert ist die Tatsache, dass diese Steuern schienbar gar ncith erst gezahlt werden. Normalerweise uss man sich die ja am Ende des Steuerjahres zurück holen.



      Kann natürlich sein, dass hier ein ganz andere Begründung vorgeschoben wird.