Pro Asyl-Mitbegründer über „Sea-Watch“: „Ein Schiff wird zum Gefängnis“
Nicht die Seenotrettung ist ein Verbrechen, sondern das Sterbenlassen, sagt Günter Burkhardt von Pro Asyl. Er fordert mehr Druck auf Italien.
taz: Herr Burkhardt, hat Sie die Verhaftung von Kapitänin Carola Rackete überrascht?
Günter Burkhardt: Nein. Mit der Festnahme will Italiens Innenminister Salvini ein Exempel statuieren. Sein Ziel ist es, generell Schiffe davon abzuhalten, Menschen aus Seenot zu retten. Wenn jetzt Kapitäne verhaftet und Schiffe beschlagnahmt werden, trifft das die Existenz vor allem von Handelsschiffen, die jetzt schon wegschauen, wenn Menschen ertrinken. Die Eskalation wurde bewusst von Salvini hervorgerufen, um den Diskurs nach rechts zu verschieben. Ich hoffe, dass in Italien unabhängige Richter und Staatsanwälte diesem erbärmlichen Verhalten Einhalt gebieten. Nicht die Seenotrettung ist ein Verbrechen, sondern das Sterbenlassen.
Ist die Festnahme überhaupt rechtlich gedeckt?
Das sehe ich nicht. Das Seerechtsübereinkommen verpflichtet jeden Kapitän, zu retten. Wenn Menschen nicht an Land dürfen, wird ein Schiff zum Gefängnis. Das Engagement der privaten Retter ist herausragend, aber Seenotrettung ist eine staatliche Aufgabe.
Die „Sea-Watch“ schipperte gut zwei Wochen auf dem Mittelmeer, kein europäisches Land wollte die Geretteten aufnehmen. Rackete blieb doch nichts anderes übrig, als an Land zu gehen.
Die Staaten Europas haben die Kapitänin in eine Notlage gebracht. Es war absehbar, dass sich die Zustände an Bord zuspitzen würden. Auf dem Schiff befanden sich 42 Migranten. Es ist lächerlich und nur politisch zu erklären, dass es so weit kommen konnte, zumal sich in Deutschland 60 Kommunen bereit erklärt haben, die Asylsuchenden aufzunehmen.
ist Mitbegründer Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.
Privatleute retten Menschen in Seenot und starten Spendenaufrufe. Ist das nicht Aufgabe der Politik?
Natürlich. Wir fordern eine staatliche Seenotrettung. Gerettete müssen aus den Grenzstaaten der EU auch ausreisen dürfen. Seehofer und andere Innenminister wollen keinen Mechanismus dafür etablieren. Es geht auch nicht nur um die „Sea-Watch“. Was ist mit den Menschen, die in den Hotspots und Haftlagern auf Lampedusa oder Lesbos am Rande Europas einsitzen? Ihr Schicksal scheint nicht mehr zu interessieren.
Was fordern Sie von der Bundesregierung?
Erst mal Druck auf Italien, Malta und andere Grenzstaaten, dass Boote an Land dürfen. Außerdem müssen die Interessen der Flüchtlinge bei der Suche nach einem aufnahmebereiten EU-Land berücksichtigt werden. Es ist die rechtliche Verpflichtung Europas, Menschen, deren Leib und Leben gefährdet ist, zu schützen. Aktuell hat man aber den Eindruck, es handele sich um einen Akt der politischen Großzügigkeit.
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