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Gerettete von „Sea-Watch 3“ an LandHumanitärer Notstand auf See

Die 65 aus Seenot Geretteten sind nun in Italien auf Lampedusa. Das Rettungsschiff wurde beschlagnahmt, Innenminister Salvini tobt.

Die „Sea Watch 3“ mit Geretteten und neuen Crewmitgliedern im Januar vor Malta Foto: Chris Grodotzki/Sea-Watch.org/dpa

Berlin/Mailand taz/afp | Trotz offiziell geschlossener Häfen sind alle 65 Menschen, die das deutsche Seenotrettungsschiff „Sea-Watch 3“ Mitte Mai im Mittelmeer gerettet hatte, seit Sonntagabend auf der italienischen Insel Lampedusa an Land. Das berichtete die NGO Sea-Watch am Montagmorgen.

Im Hafen seien die Menschen von Einheimischen und Bannern mit der Aufschrift „Welcome to Lampedusa“ und „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ begrüßt worden. „Grazie Italia“, schrieb die Crew auf Twitter. Ihr Schiff sei jedoch „provisorisch beschlagnahmt“ worden, berichten die Aktivst*innen. Sie seien aufgefordert worden, die „Sea-Watch 3“ ins sizilianische Licata zu bringen. Dort werden sie voraussichtlich am Montagnachmittag eintreffen.

Die Beschlagnahmung sei „ebenso vorhersehbar wie skandalös“, sagte Philipp Hahn, Einsatzleiter der „Sea-Watch 3“. Man rechne aber nicht mit weiteren rechtlichen Folgen: „Wir haben kein Gesetz gebrochen, wir haben uns vielmehr erneut für das Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention eingesetzt“, sagte Hahn.

Italiens Innenminister und Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini von der rechtsextremen Lega hingegen twiiterte: „Ich hoffe, dass der Kapitän, der sich als Vize-Schleuser betätigt hat, verhaftet wird.“ Die deutsche Bundesregierung warnte vor Stigmatisierung und pauschaler Kriminalisierung der Seenotrettern. Bei der Bewertung des konkreten Falls hielt sie sich aber zurück.

Am 15. Mai hatte die Crew die 65 Schiffbrüchigen etwa 30 Meilen vor der libyschen Küste von einem Schlauchboot gerettet. Schon zu diesem Zeitpunkt hätten viele von ihnen Anzeichen von Erschöpfung, Dehydrierung und Seekrankheit aufgewiesen. Innenminister Salvini hatte die Besatzung umgehend davor gewarnt, sich italienischen Hoheitsgewässern zu nähern: „Unsere Häfen sind und bleiben geschlossen.“

Das „Gesetzlosenschiff“

Am Freitagabend dann hatten die italienischen Behörden 18 Personen, darunter vor allem Familien und Kinder, evakuiert. Die medizinische und psychologische Situation der Zurückgebliebenen sei jedoch laut Sea-Watch „untragbar“ gewesen. Unter Berufung auf einen humanitären Notstand war das Schiff am Samstag in italienische Hoheitsgewässer eingefahren. Die restlichen 47 Menschen seien am Sonntagabend in „enger und freundschaftlicher Zusammenarbeit“ von der italienischen Küstenwache und der Zollbehörde an Bord der Küstenwache genommen worden, berichten die Aktivist*innen.

„Wenn es nach mir geht, kommt niemand von dem Gesetzlosenschiff Sea Watch herunter“, schrieb Innenminister Salvini noch eine halbe Stunde nach der Anlandung auf Facebook. Schon als das Schiff am Samstagnachmittag Kurs auf Lampedusa genommen hatte, hatte Salvini kategorisch ausgeschlossen, dass das Schiff in den Hafen gelassen werde. Am Ende seiner Rede auf der Abschlusskundgebung der europäischen Rechtspopulisten in Mailand hatte er gesagt: „Wenn ihr heute Abend nach Hause geht, werdet ihr im Fernsehen Bilder von einem NGO-Schiff sehen, dass sich den Anweisungen der Polizei und der Hafenbehörde widersetzt.“

Solange er Innenminister sei, werde das Schiff „in keinen italienischen Hafen gelassen“. Kein Staat dürfe sich zu „Komplizen von Menschenhändlern machen, die von Soros bezahlt werden“ – gemeint waren die NGOs, denen Salvini unterstellt, von dem jüdischen Investor George Soros unterstützt zu werden.

Von der Anlandung der Geretten erfuhr Salvini offenbar erst aus den Medien und fragte, wer diese Entscheidung gegen seine ausdrückliche Anordnung getroffen habe. Vize-Ministerpräsident und Arbeitsminister Luigi Di Maio von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung entgegnete, es sei unabdingbar, die Passagiere eines beschlagnahmten Schiffes an Land zu bringen.

Bis zu 5.500 Euro Strafe

In der Nacht zu Montag erklärte Salvini auf Facebook, geschlossene Häfen bedeuteten „90 Prozent weniger Kriminalität, weniger Probleme, weniger Müll, weniger Frauen und Kinder tot im Meer“. Und: „Vermisst irgendwer offene Häfen???“

Salvini plant, die italienischen Häfen per Dekret vollends für Flüchtlingsorganisationen zu schließen. Die Notverordnung soll womöglich schon am Montag im Kabinett abgestimmt werden. Sie sieht vor, dass der Innenminister Schiffen die Einfahrt in italienische Gewässer aus Gründen der öffentlichen Ordnung untersagen kann. Wer Migrant*innen ohne Erlaubnis ins Land bringt, soll pro Person mit 3.500 bis 5.500 Euro Strafe belegt werden können.

Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatte diese Pläne in einem Brief an die italienische Regierung scharf kritisiert. Es handele sich um „einen weiteren politischen Versuch, Such- und Rettungsoperationen zu kriminalisieren“, schrieb sie. Salvini wiederum erklärte, bei der UN handle es sich um einen „internationalen Organismus, der die Steuerzahler Milliarden Euro kostet, der Nordkorea und die Türkei als Mitglieder hat und der Italien Moralpredigten über Menschenrechte hält“. Das verleite „zum Lachen“.

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5 Kommentare

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  • Toll, dass sich "Christen" vom Päpstlichen Gebot: Gottes Name ist Barmherzigkeit und der UN Resolution auf Asyl distanzieren?



    Guten Morgen Abendland!

  • Was ich an der Vorgehensweise von „Sea Watch“ (und auch anderer Rettungsorganisationen) nicht verstehe: Als das Schiff zur Rettungsaktion auslief, hatte sich anscheinend niemand Gedanken gemacht, in welchem Hafen die später Geretteten an Land gebracht werden können, und in wessen weitere Betreuung sie übergeben werden. Wohl nach dem Motto, irgendein Hafen und alles weitere wird sich finden.



    Die Erfahrung zeigt aber, dass das eben nicht funktioniert. Dies ist nicht die erste Rettungsaktion und wird nicht die letzte sein. Weshalb beginnen die Verhandlungen jedesmal erst, wenn die Flüchtlinge bereits an Bord sind? Wäre es nicht an den Hilfsorganisationen, diese Fragen schon IM VORFELD mit den potenziellen Aufnahmeländern grundsätzlich zu klären? Dass sich die Begeisterung bei Letzteren in Grenzen hält, verwundert nicht. Stocken die Verhandlungen, könnten die Medien, zu denen die NGOs bekanntermaßen beste Beziehungen haben, hilfreich tätig werden.



    Oder wird auch bei künftigen Aktionen das für die Flüchtlinge genauso quälende „Geschacher um Gerettete“ beginnen, bis endlich ein Staat gefunden ist, der einen Hafen für die Geretteten öffnet?

  • „Vermisst irgendwer offene Häfen???“

    Hm....die Handelsschifffahrt? Kreuzfahrtschiffe? Frage für einen Freund.

  • Bei etwa 30 Meilen vor der libyschen Küste wäre der nächste sichere Hafen stets in Tunesien gelegen. Da das Seerecht insoweit kein Auswahlrecht kennt, ist durchaus fraglich, ob gegen kein Gesetz verstoßen worden ist.

    • @DiMa:

      aber Tunesien liegt doch gar nicht in Europa?