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Kommentar AntifeministInnen-KongressKampfansage an das liberale Europa

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Ort und Zeitpunkt des erzkonservativen World Congress of Families waren kein Zufall. Für ein emanzipatorisches Europa verheißt das nichts Gutes.

Natürlich mittendrin: Italiens Innenminister Matteo Salvini Foto: reuters

E s war kein Zufall, dass der World Congress of Families der ultrakonservativen HardlinerInnen zwei Monate vor den Wahlen zum Europäischen Parlament stattfand. Und nicht umsonst lag zwischen den jüngsten beiden Kongressen nicht wie sonst ein, sondern nur ein halbes Jahr. Auf diese Weise konnten die Netzwerke passgenau vor den Wahlen im Mai gepflegt werden. Zwei Mitglieder des EU-Parlaments aus Frankreich und Italien waren geladen, jeweils Mitglieder von Marine Le Pens Rassemblement National und der nicht minder rechtspopulistischen Forza Italia, zudem kamen MinisterInnen und VertreterInnen rechter Parteien aus Ungarn, Polen und Deutschland.

Der World Congress of Familie ist mehr als eine Offensive, um die rechte parlamentarische Politik ins Boot zu holen – sie ist eine Kampfansage des christlich-fundamentalistischen, homophoben und antiemanzipatorischen Kongresses an die Europäische Union und ihre Werte.

Haben die OrganisatorInnen, in den USA beheimatet und global vernetzt, in Ungarn bereits 2017 gemeinsame Sache mit Viktor Orbáns Fidesz gemacht, gingen sie nun einen Schritt weiter: Sie präsentierten sich im Herzen Westeuropas – in Italien, in dem mit der Lega eine rechte Partei mitregiert, und in Verona, das historisch enge Verbindungen zur katholischen Kirche und extremen Rechten hat. Dabei dürfte den HardlinerInnen Italien als Testfall gelten: Was hier funktioniert, lässt sich womöglich auch in andere EU-Länder exportieren.

Was es bedeutet, wenn rechtspopulistische Lobbyarbeit Erfolg hat, war in den vergangenen Jahren anhand von Gesetzen und Referenden über Frauenrechte oder die Ehe für alle etwa in Ungarn, Kroatien oder Serbien zu beobachten. Wie Innenminister Matteo Salvini am Samstag ankündigte, wird er dem Vorbild Ungarn folgen und bald „familienfreundliche“ Gesetze auf den Weg bringen.

Ein massiver Rollback in der Frauenpolitik

Ein Gesetzentwurf der Lega, um Scheidung zu erschweren, ist bereits eingebracht. Anders ausgedrückt: Auch in Italien, wo in einigen Regionen ohnehin bis zu 90 Prozent der ÄrztInnenschaft Abtreibung ablehnen, ist ein massiver Rollback in der Frauenpolitik in greifbare Nähe gerückt.

Zwar war es in Sachen Öffentlichkeit für den Kongress nicht so einfach wie erhofft: Zehntausende gingen auf die Straße, um gegen dessen Ziele zu protestieren. Unwidersprochen lassen sich die Uhren nicht einfach in die Zeit vor der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zurückdrehen. Doch ganz gleich, ob Europa im Mai weiter nach rechts rückt – der Kongress dehnt sein Netzwerk aus. Für ein säkulares, emanzipatorisches Europa verheißt das nichts Gutes.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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12 Kommentare

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  • Ich werde nicht müde, das Buch von Jessa Crispin zu empfehlen:



    Jessa Crispin, Warum ich keine Feministin bin. Ein feministisches Manifest. suhrkamp.



    Allen Geschlechtern wärmstens ans Herz gelegt, es zu lesen.



    Denn innerhalb des bestehenden Systems arbeiten wir, die wir echte Gleichberechtigung FÜR ALLE wollen, uns ergebnislos ab.



    So lange wir uns nicht trauen, mit allen Konsequenzen die Systemfrage zu stellen, kommen wir m. E. keinen Schritt weiter, weil wir uns ständig an denselben undurchdringlichen Mauern, Machtverhältnissen und Verhalten die Köpfe einrennen.

  • Jede Bewegung schafft eine Gegenbewegung.



    In diesem Sinne stimmt mich die derzeitige Überpräsenz der Halbnazis heiter (auch wenns teils schon hart ist).



    Erste Duftmarken sehen wir in der Slowakei oder auch die 6 Mio-Petition in UK für ein zweites Referendum.

  • ach nee - das interessiert doch keinen mehr!

  • Solange die schiere Existenz eines solchen Kongresses in der Öffentlichkeit nur breit bekannt bekannt wirds, weil sich so viele darüber aufregen (und nicht weil er selbst so ein großes Ereignis ist), steht wohl die Machtübernahme der Ewiggestrigen noch nicht so ganz unmittelbar bevor, Frau Hecht. Wünsche habe wir alle, so auch Herr Salvini. Aber erfüllt werden sie in einer Demokratie nur, wenn man eine Mehrheit dafür gewinnt. Dafür spricht bei den Abrtreibungsgegnern auf europäischer Ebene im Moment etwa so viel wie für die Abschaffung des Verbrennungsmotors bis 2020.

  • Stimmt es eigentlich, dass der Verband der Küchenhersteller größter Unterstützer der 'zurück an den Herd' -Bewegung ist? Und was machen dann Lafers&Co? Können wir Hilfe von den Burgerschmieden erwarten? Erhöhen sich die Einkommen der verbliebenen Arbeitsplätze für Männer, weil ohne Kompensation durch Zuzug ein Großteil an Arbeitnehmern fehl? FragenüberFragen, die mich am 1.April bewegen,,,

  • In meiner Wohnstadt gab es zum Welt-Frauentag eine "öffentliche" Demonstration an der nur FLIT teilnehmen durften. So ein "Feminismus" - und leider ist der weit verbreitet - macht es seinen allzu Gegnern leicht.

    • @Hanno Homie:

      Sehr enttäuschend das mit dem Feminismus, mit der Toleranzquote, mit der liberalen Chefpostenbesetzung. Mit solchen Vorleistungen, Vordenkern, Vorrednern und Vorarbeitern bekommt der Rollback beste Aussichten auf Erfolg.

  • Homosexuelle Frauen und Männer ziehen ebenso Kinder groß, wie heterosexuelle. Auch wenn viele Kinder nicht die eigenen sind (sondern zB die des Partners), machen die Leute den gleichen Job. Alle mir bekannten führen dabei keinen drogengeschwängerten, sexbetonten, alternativen Lifestyle, sondern stehen früh auf, versorgen die Kinder, verbreiten gute Laune, schleppen Geld heran und fallen spät übermüdet ins Bett. Als Betroffener empfinde ich die Auswahl von Role-Models durch Medien und Politik, man denke an Abgeordneten Beck, und oft auch die Postulierung eines "gay lifestyle" oder einer "gay culture" als diskriminierend. Dem realen Leben vieler homosexueller Frauen und Männer, vielleicht der Mehrheit, entspricht es nicht. Es erscheint mittlerweile eher als ein von Heteros gefördertes Bild, die ohne einen Unterschied nicht leben können. An diesem Kongress erkennt man ja, wie sehr sie ein Feindbild benötigen. Diese Tendenz besteht nicht nur bei Rechten, sondern auch bei Linken. Da heißt es dann: Befreie dich endlich und kaufe dir einen Fummel - auch wenn der Angesprochene noch nie das Bedürfnis dazu hatte. Für eine buntere Welt könnten das die Heteros ja selber tun. Am Ende treibt es uns den Rechten in die Arme und wir müssen für etwas einstehen, was uns gar nicht betrifft.

    • @EricB:

      "Befreie dich endlich und kaufe dir einen Fummel", habe ich noch nie gehört.

      Aber das "ich als normaler Schwuler möchte nicht für die Paradiesvögel gerade stehen müssen"-Genörgel schon viel zu oft.

      Am Anfang jedes Teile-und-Herrsche Manövers steht, dass man sich teilen lässt.

  • Hm, ich weiß nicht, ob sich die von der katholischen Kirche traumatisierten Menschen in Italien auch hier so einfach von den Neofaschisten der Lega Nord einspannen lassen wie beim Thema "Migration"? Vielleicht verrechnet der Neofaschist Savini sich hier auch.



    Salü,



    Peter Kultzen

    • @Peter Kultzen:

      Die katholische Kirche lässt sich jedenfalls nicht einspannen: www.tagesschau.de/...-kongress-101.html (ganz am Ende des Berichts).

      • @mats:

        Naja, der Vatikan hat sich dahingehend geäußert, die Veranstaltung sei „in der Sache korrekt“. Klingt nicht gerade nach Distanzierung...