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Greenpeace-Studie zu AgrarpolitikEU subventioniert Fleisch massiv

Viele Tierhalter sagen, sie bekämen kaum EU-Direktzahlungen. Das bestreitet eine Greenpeace-Studie: Die Förderung betrage 30 Milliarden Euro.

Lecker billiges Kraftfutter dank EU-Subventionen: Kühe in einem Stall im Münsterland Foto: imago/stock&people

Berlin taz | Mehr als 70 Prozent der EU-Direktzahlungen für Landwirte subventionieren laut einer neuen Greenpeace-Studie die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern. Die Europäische Union fördere mit jährlich etwa 30 Milliarden Euro der wichtigsten Agrarsubventionsart Flächen zur Erzeugung von Futter und das Halten von Vieh, teilte die Umweltorganisation am Dienstag mit.

Damit widerspricht Greenpeace vielen konventionellen Tierhaltern, die sagen, dass sie kaum Direktzahlungen bekämen. Wenn das so wäre, könnte man die Fleischproduktion nicht reduzieren, indem man die Subventionen kürzt. Umweltschützer wollen nämlich, dass die Bauern weniger Vieh halten. Denn die Tierhaltung trägt erheblich zum Ausstoß von Klimagasen bei. Nitrate aus der Gülle tragen zum Aussterben von Tier- und Pflanzenarten bei und erschweren die Trinkwasserversorgung.

Die Bauern erzeugten jedoch auf 71 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Futter wie Mais, Getreide oder Gräser, schätzt Greenpeace auf Grundlage von Zahlen der EU-Kommission. Für diese Fläche erhielten die Landwirte insgesamt rund 25 bis 30 Milliarden Euro Direktzahlungen, die pro Hektar gewährt werden. Außerdem überweist die EU den Angaben zufolge in mehreren Mitgliedstaaten zusammen 3 Milliarden Euro an Direktzahlungen pro Tier.

EU-Parlament berät über Reform

Die EU subventioniert die Tierhalter aber auch, indem sie zum Beispiel den Bau neuer Ställe bezuschusst oder etwa Milchprodukte aufkauft, wenn die Preise zu niedrig sind. Wie genau dieses Geld verteilt wird, sei jedoch sehr schwer herauszufinden, schreiben die Greenpeace-Autoren. Deshalb hätten sie dieses Budget nicht in ihre Rechnung einbezogen. Im vergangenen Jahr machten die sehr wohl berücksichtigten Direktzahlungen allerdings 71 Prozent, die nicht berücksichtigten Posten nur 29 Prozent des Agrarbudgets aus.

Für die Direktzahlungen müssen die Bauern nur geringe Umweltauflagen erfüllen, die meist nur dem gesetzlichen Standard entsprechen. „Mit solchen Gießkannen-Subventionen verschenkt die EU enormen Gestaltungsspielraum“, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken. „Die Agrarförderung muss konsequent so gestaltet werden, dass Landwirte Umweltschäden vermeiden und das Klima schonen.“

In den kommenden Wochen bearbeitet das EU-Parlament den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. „Die deutschen EU-Parlamentarier müssen sich dafür einsetzen, dass zukunftsträchtige, umwelt- und klimaschonende Anbaumethoden wie der Ökolandbau wirksam gefördert werden“, so van Aken. Mindestens die Hälfte des Gelds für die Direktzahlungen solle künftig Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe honorieren, die messbare Leistungen zum Schutz von Umwelt, Klima und Artenvielfalt erbringen und dafür zusätzliche Mittel aufwenden.

Der Bauernverband wies ­dar­auf hin, dass die Direktzahlungen in Deutschland je Hektar, nicht wie in anderen EU-Staaten je Tier, berechnet würden. Zudem gebe es umfangreiche Umweltauflagen. Der in der Branche einflussreiche Blogger und Schweinehalter Marcus Holtkötter beharrte auf Twitter in einem Kommentar zu der Greenpeace-Studie darauf, er finde es „etwas einfältig“, so zu tun, als ob die Subventionen mit der Tierhaltung in Verbindung stünden.

Update: Dieser Beitrag wurde um die, nach Veröffentlichung abgegebene Stellungnahme des Bauernverbandes ergänzt.

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14 Kommentare

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  • In der EU werden gibt es für die Bewirtschaftung und Nicht - Bewirtschaftung von Flächen Subventionen, egal was mit der Ernte der aufstehenden Früchte passiert. Man muss nicht mal ernten. In den Hot Spots der Tierproduktion ist Fläche extrem teuer. Die Bewirtschafter der Flächen haben diese zum überwiegenden Teil gepachtet. Die EU Prämie, rd 280,- € je ha verlangt in der Regel der Landbesitzer, die Pachtpreise liegen hier bei 1000,-€ plus pro ha. Die Subventionen machen Futter nicht billiger sondern die Pacht teuerer. Außerdem, woher soll ein Ackerbauer wissen was mit seiner Ernte geschieht. Wird aus seiner Gerste Bier, oder Schweinefutter?

  • Was Greenpeace und Herr Maurin gerne verschweigen, Ausgleichszahlungen ( Subventionen ) werden bezahlt um niedrige Erzeugerpreise auszugleichen, d.h. der Einkauf wird für den Verbraucher billiger. Also könnte man genauso sagen, die Subventionen für den Landwirt ist der Urlaub für den Verbraucher.



    Wenn dieser mehr für seine Lebensmittel ausgeben müsste, würde ihm das Geld wo anders fehlen.



    Was diese " Fachleute " auch nicht erwähnen : Deutschland Hatte 2018 ca. 267000 Landwirte und 329000 Empfänger Landwirtschaftlicher Subventionen d.h. ca. 19 % bekamen Zuwendungen ohne Landwirte zu sein, wo bleibt da ein Aufschrei ?

    • @Günter Witte:

      Genau genommen landet der größte Teil der Subventionen nicht bei den Verbrauchern, sondern bei den Eigentümern der landwirtschaftlichen Flächen, (weil die Ausgleichszahlungen als Zuschlag zum maximal möglichen Pachtzins kalkuliert wird), also bei den Kirchen, bei den Kommunen... und als Rentenzuschuss bei den vielen Bauern, die Ihren Laden zu, und ihr Land verpachtet haben.

  • Wenn ich die Zusammenfassung der Greenpeace-Studie richtig verstehe, dann lautet die Aussage nicht - wie im ersten Satz des Artikels steht - , dass 20% der Direktzahlungen der GAP in die Tierhaltung gehen, sondern, dass 20% des Gesamtbudgets der EU in die Tierhaltung fließt. Das hat eine ganz andere Dimension!

    Zitat aus der Zusammenfassung: "Damit wird jeder fünfte Euro (18 – 20



    Prozent) des EU-Gesamtbudgets für die Subvention des Futteranbaus



    aufgewendet, unabhängig davon, ob die Produktionsweise umwelt- und



    klimafreundlich ist."

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Dietlinde Quack:

      Aus der englischen Langfassung geht hervor, dass es sich wirklich nur um die Direktzahlungen handelt.

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Jost Maurin:

        Das mit dem Fünftel aus der deutschen Zusammenfassung bezog sich tatsächlich auf das EU-Gesamtbudget. Wir meinten aber den Anteil an den Direktzahlungen, auf die sich das englische Original bezieht. Deshalb haben wir jetzt die Zahl im Text korrigiert und bitten um Entschuldigung für diesen Fehler.

      • @Jost Maurin:

        Wenn auf mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Futtermittel für die Tierhaltung angebaut werden, dann wäre ein Anteil von 20 Prozent an den Direktzahlungen, die ja im wesentlichen flächengebunden sind, aber nicht viel sondern eher deutlich unterproportional. An wen gehen denn die 80 Prozent übrigen Mittel?

  • Zitat: „Die Europäische Union fördere mit jährlich etwa 30 Milliarden Euro [...] Flächen zur Erzeugung von Futter und das Halten von Vieh [...].“

    Vermutlich geht das Geld sogar in verschiedene, allerdings immer sehr tiefe Taschen. Zum einen in die spezialisierter Futter-Produzenten, zum anderen in die industriellen Massentierhalter.

    Früher, hab ich mal gehört, hätte es die sogenannte flächengebundene Tierhaltung gegeben. Die Bauern hätten dabei nur das Vieh halten dürfen, das sie mit Futter von eigenen Flächen ernähren und dessen Mist sie auf eigenen Äckern verwerten konnten. Dann kamen die wilden 90-er und die Flächenbindung wurde aufgehoben. Seitdem wird auf Teufel komm produziert. Hier Futter, da Fleisch und wieder anderswo Biogas. Wozu hat man denn schnelle Autobahnen?

    „Die EU“ findet das alles offenbar wundervoll. Es steigert nämlich die Exportkraft europäischer Produzenten. Welche Folgen das Ungleichgewicht hat, das mit dieser Art Wettbewerb verbunden ist, ist der EU scheinbar schnuppe. Würde mich also gar nicht wundern, wenn tatsächlich nur wenige Bauern EU-Subventionen bekämen. Die wenigen nämlich, die so groß sind, dass sie richtig Schaden anrichten. Dadurch etwa, dass sie für ihre vielen Tiere Futter aus Staaten importieren, die ihre eigene Bevölkerung nicht vernünftig ernähren können – oder Futter und Vieh in Staaten exportieren, deren Bauern ihres Waren deswegen nicht los werden. Von denen, die Europas Äcker überdüngen und seine Flüsse vergiften, nicht zu reden.

    Schade, dass Greenpeace sich außerstande sieht herauszufinden, wie ganz genau die EU-Gelder verteilt werden. Statt „sehr schwer“ zu arbeiten, stellt man lieber vollmundig Forderungen. Sollen doch andere raus finden, wie ganz genau „die Agrarförderung [...] konsequent so gestaltet werden [kann], dass Landwirte Umweltschäden vermeiden und das Klima schonen“.

    So haben es die großen Tiere immer schon gerne gehalten: Sie geben die Direktive aus, das Fußvolk setzt sie um. Und wehe nicht…!

  • Den deutschen Bauernverband braucht man zu dem Thema auch nicht zu befragen. Der darf mit seinen Positionen auf ein Meer gescheiterter Bauernhöfe zurückblicken.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ein guter Aufschlag, um die ökonomischen und ökologischen Folgen einer „fehlgeleiteten“ europäischen Agrarsubventionspolitik (die es in anderen Staaten und Staatensystemen auch gibt) kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. Hier wird umfangreicher politischer Gestaltungsspielraum wie so häufig „liegengelassen“. Das steht da drin - unter anderem. Sie ist in Englisch und als Lektüre „knochenhart“ - nix für‘s Bett oder so. Darum hat der Jost Maurin auch nur aus der deutschen Zusammenfassung zitiert. Die ist sehr verkürzt, stellt das untersuchte Problem nur in Stichworten heraus und lässt nur einen unzureichenden Kritikansatz zu. Wie schade! Denn die Studie gibt bzgl. der unsäglichen Massentierhaltung viel zu bedenken. Aber nur, wenn die TAZ-Redaktion in journalistische Arbeit investiert und gut recherchiert. Hat sie hier aber nicht! Wie schade.

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Was soll das? Dann stell doch link zum Original rein!

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Heiner Petersen:

        Der Link zum Original UND der deutschen Zugsamenfassung stand von Anfang im ersten Absatz.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @97088 (Profil gelöscht):

      "Darum hat der Jost Maurin auch nur aus der deutschen Zusammenfassung zitiert"



      -> Stimmt nicht. Ich berufe mich v.a. auf das englische Original.

      • 9G
        97088 (Profil gelöscht)
        @Jost Maurin:

        Wo denn? Ich erkenne nur die Zusammenfassung - sorry.