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Kommentar 8. März als FeiertagMehr Welt, weniger Kirche

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Das Land Berlin will den Frauentag zum Feiertag machen. Gut so, nur bräuchte es noch viel mehr säkulare und weniger religiöse Feiertage.

Soll in Berlin ein Feiertag werden: der 8. März Foto: dpa

B erlin bekommt einen Tag frei: Am Donnerstag beschließt das Abgeordnetenhaus voraussichtlich, den 8. März als Frauentag zum Feiertag zu machen. Eine gute Nachricht ist das aus drei Gründen: Erstens werden die Berliner ArbeitnehmerInnen entlastet, die im deutschlandweiten Vergleich bisher die meisten Arbeitstage hatten. Zweitens wird der Tag den Diskurs darüber befördern, warum die Gleichstellung der Geschlechter noch immer nicht erreicht ist. Und drittens wird er das Ungleichgewicht zwischen christlichen und säkularen Feiertagen zumindest ein Stück weit korrigieren.

Die deutsche Gesellschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten multikultureller und säkularer geworden. Nur noch knapp über die Hälfte der Bevölkerung ist in christlichen Kirchen organisiert, Tendenz sinkend. Mehr als ein Drittel ist konfessionslos, Tendenz steigend. In einigen Bundesländern gehören nur noch Minderheiten einer Religionsgruppe an. Trotzdem haben noch immer fünf der acht bundesweiten Feiertage einen christlichen Hintergrund, genauso wie fast alle länderspezifischen Feiertage. Besonders skurril ist das in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt, das am Reformationstag frei gibt, obwohl nur 13 Prozent der EinwohnerInnen protestantisch sind.

Zeitgemäß ist das nicht. Zum einen werden ein Großteil der Bevölkerung und deren Weltanschauungen durch das Übergewicht christlicher Feiertage nicht repräsentiert. Zum anderen können solche partikularen Feiertage nicht die Funktion erfüllen, die ihnen in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft eigentlich zukommen sollte: die Verständigung darüber, was diese Gesellschaft dann doch noch prägt und verbindet.

Diese Funktion können nur weltliche Feiertage erfüllen. Und für sie gäbe es neben dem Frauentag noch genug Potenzial: Tag der Befreiung statt Pfingsten. Volkstrauertag statt Allerheiligen. Und statt Weihnachten vielleicht eine Feier zum Internationalen Tag der menschlichen Solidarität. Der findet jedes Jahr am 20. Dezember statt. Eine Nordmanntanne könnte man zu der Gelegenheit sicher auch aufstellen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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4 Kommentare

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  • Zitat: "Besonders skurril ist das in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt, das am Reformationstag frei gibt, obwohl nur 13 Prozent der EinwohnerInnen protestantisch sind. Zeitgemäß ist das nicht."

    Vermutlich wäre der Reformationstag in Sachsen-Anhalt selbst dann zum Feiertag geworden nach 1989, wenn Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen sich nicht an Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein orientiert hätten. Einfach deswegen, weil der Reformator Martin Luther in der Stadt Eisleben, Grafschaft Mansfeld sowohl geboren als auch gestorben ist.

    Die Landesherren haben sich 1990 von der Ehrung des "großen Sohns" ihres anno Luther noch gar nicht existiert habenden Bundeslandes vermutlich einfach mehr Prestigegewinn versprochen, als von der Ehrung der rund 1 Million Frauen und Mädchen, die da bis heute zu Hause sind. Man musste sich ja auch ganz dringend abgrenzen vom Vorgängerstaat, der mit der Kirche zwar wenig am Hut hatte, sich aber immerhin etwas auf seine Frauenrechte zugute gehalten hat. Im Übrigen hat man mit dem Feiertag vermutlich die Christen hofieren wollen, die zwar auch damals schon in der Minderheit gewesen sind, aber trotzdem nicht ganz unwesentlich zur Wende beigetragen haben - von der sie anschließend auch nur bedingt profitiert haben, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

    Was an solchen Überlegungen "skurril" sein soll, hätte ich jedenfalls gerne erklärt. Ist das nicht schlicht Politik? So ticken Machthaber doch nun einmal nach einem Machtwechsel, oder? Das ist nicht "skurril" sondern business as usual. Ob es "zeitgemäß" ist oder nicht, ließe sich allerdings diskutieren.

    Apropos: Ob tatsächlich nur weltliche Feiertage die „Funktion [erfüllen] können“, die dem 8. März hier quasi angedichtet wird (eine Verständigung darüber zu ermöglichen, was diese Gesellschaft dann doch noch prägt und verbindet), bezweifle ich. Stark. Aber ich ließe natürlich auch darüber gern mit mir reden. Von mir aus gleich jetzt und hier.

  • Historisch betrachtet haben Feiertage einen religiösen Ursprung und dienten dazu, Gebet und Gottesdienst an die Stelle von Erwerbsarbeit zu setzen. Bereits in der Reformationszeit wurde die Zahl der Feiertage wegen Ablehnung des Heiligenkultes drastisch reduziert. Wegen des im Artikel genannten öffentlichen Bedeutungsverlustes von (christlicher) Religion, verstehen Viele die Feiertage einfach als arbeitsfreie Tage, ohne sich Gedanken zu machen, was z.B. der Pfingstmontag eigentlich bedeuten soll. Es wird auch zu Recht niemand genötigt, das zu tun oder gar einen Gottesdienst zu besuchen. Christ*innen tun das jedoch freiwillig und gerne unabhängig davon ob sie eine Mehrheit oder Minderheit in der Gesellschaft sind. Die europäische Kultur baut nun einmal auf dem Christentum auf.



    Die aus dieser Kultur zum Teil auch gegen kirchliche Positionen errungegen säkularen Derivate sind aus meiner Sicht aber nur sehr eingeschränkt geeignet, religiöse Feiertage zu ersetzen. Zwar lassen sich beispielsweise am "Frauentag" säkulare Feiern (wie auch immder sie gestaltet sein mögen) organisieren, eine Teilnahmepflicht kann aber ebebsowenig verordnet werden wie für Gottesdienste. Es bleibt für die Mehrheit ein arbeitsfreier Tag, dessen Anlass völlig "wurstegal" ist.



    Ich wage die kühne Behauptung, dass die Zahl der Gottesdienstbesucher*innen (auch wenn sie an den "Montagen" auf bestimmte Kirchen konzentriert werden) an den im Artikel zur Abschaffung vorgeschlagenen Feiertagen immer noch weitaus höher ist, als sie bei den Teilnehmer*innen an den säkularen Feiern jemals sein wird.



    Sollen also gläubige Menschen zugunsten einer engagierten Minderheit und einer gleichgültigen Mehrheit diskriminiert werden?

  • Um eins mal klarzustellen: Pfingstmontag ist kein kirchlicher Feiertag. Im katholischen Festkalender gibt´s den gar nicht, das ist ein ganz normaler Wochentag ohne eigene liturgische Texte.

    Weihnachten ist für Christen auch nicht soo wichtig wie immer getan wird. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Konsum- und Geschenkefest, dass auch die allermeisten Atheisten sicherlich nicht abschaffen wollen.

    Bleiben noch (für NRW) das Osterwochenende, Fronleichnam, Christi Himmelfahrt und Allerheiligen. Fronleichnam und Christi Himmelfahrt wird in den meisten katholischen Ländern am darauffolgenden Sonntag gefeiert. Könnte man also problemlos abschaffen. Aber dann ginge ja die Möglichkeit eines langen Wochenendes verloren ... Da werden Sie sich also mit der Abschaffung wenig Freunde machen, schätze ich.

    Dann also Ostern und Allerheiligen. Und da meine ich, in einem Bundesland, in dem 2/3 der Bevölkerung katholische Christen sind, sind drei Feiertage durchaus angemessen. Wenn in Berlin zu 2/3 Atheisten leben, dürfen die auch drei säkulare Feiertage haben. Die haben sie ja jetzt auch.

    Und was die "gesamtgesellschaftlichen" Feiertage angeht: Sowohl der 1. Mai als auch der 3. Oktober gehen mir wie den allermeisten Leuten hinten vorbei. Damit irgendwelche Solidarisierungshoffnungen zu verbinden, ist also wirklich extrem unrealistisch.

  • Viel Spaß bei der Reaktivierung der geflügelten Jahresendfigur. Den Versuch gab es schon einmal.