Frauenstreik am 8. März: Frauen wollen die Republik lahmlegen
Aktivistinnen planen einen bundesweiten Frauenstreik. Jetzt treffen sie sich zur Vernetzung. Männer dürfen mitmachen – „aber nicht in erster Reihe“.
Züge fielen aus, Läden blieben geschlossen, Hausarbeit blieb liegen: Mehr als fünf Millionen Spanierinnen legten laut Veranstalterinnen beim feministischen Streik im März ihre Arbeit nieder – und Teile des Landes lahm. Frauen mit pinken T-Shirts zogen durch die Straßen, trommelten mit Kochlöffeln auf Töpfen und skandierten ihre Forderungen: mehr Rechte, mehr Lohn, weniger sexualisierte und häusliche Gewalt.
Geht es nach Kerstin Wolter und Alex Wischnewski, wird am 8. März 2019 auch in Deutschland gestreikt. Die beiden Mitarbeiterinnen der Linkspartei haben das Netzwerk „Frauen*streik“ ins Leben gerufen, das sich gerade bundesweit aufstellt. Am Wochenende findet ein erstes Vernetzungstreffen in Göttingen statt, bei dem es um Arbeitsstrukturen, Protestformen und Mobilisierung für einen feministischen Streik auch hierzulande gehen soll.
„Wir haben die Streiks in den vergangenen Jahren in Spanien, Polen und Argentinien mitbekommen“, sagt Kerstin Wolter. „Und wir glauben, dass der Moment gekommen ist, in dem auch hierzulande ein Streik ansteht: Wir müssen uns dagegen wehren, dass Rechte und Neoliberale die Gesellschaft an die Wand fahren.“
Kerstin Wolter, Streik-Mitorganisatorin
Ein erstes lokales Treffen in Berlin fand bereits im Mai statt. Seitdem gründeten sich Frauen*streik-Komitees in rund einem Dutzend Städten, darunter Hamburg, Augsburg, Leipzig, Köln, Jena und Freiburg. Bundesweit aktiv, schätzt Wolter, seien derzeit mehrere hundert Frauen, die zum Teil aus autonomen Frauengruppen kommen, als Künstlerinnen arbeiten, als Einzelpersonen aktiv oder in Gewerkschaften organisiert sind.
Parteipolitisch gebunden, sagt Linksparteimitglied Wolter, sei der „Frauen*streik“ nicht, neben Linken machten auch einige Grüne mit. „Die Frauen, die bisher dabei sind, kommen aus völlig unterschiedlichen Kontexten – in Bezug auf politische Organisierung, aber auch in Bezug auf Sprache, Herkunft und soziale wie kulturelle Hintergründe.“ Die Website des Frauen*streiks soll deshalb bald in fünf Sprachen verfügbar sein, darunter Türkisch und Farsi.
Ein nicht zu unterschätzendes Hindernis allerdings gibt es hierzulande: Zwar gibt es ein Streikrecht in der Bundesrepublik. Aber politisch motivierte Arbeitsniederlegungen sind in der Bundesrepublik nach der gängigen Rechtsprechung nicht zulässig – im Unterschied zu Streiks als Mittel in Tarifauseinandersetzungen. Deshalb werden Gewerkschaften kaum zu einem feministischen Streik aufrufen, der dem in Spanien gleicht.
Wo sind die Gewerkschaften?
Immerhin gebe es Gewerkschafterinnen, sagt Wolter, die bereits „großes Interesse am Frauen*streik zeigen“. Noch im November soll auch mit ihnen besprochen werden, wie weit sie gehen können und wollen. „Wir hoffen, dass die Gewerkschaften gesellschaftliche Legitimation und Druck aufbauen und es kollektive Entscheidungen von Arbeitsniederlegungen geben wird“, sagt Wolter. „Aber wer streikt, soll natürlich keine Gefahr laufen, den Job zu verlieren.“
Ohnehin solle Streik auch verstanden werden als Sichtbarmachung der verschiedenen Forderungen in der Öffentlichkeit. So hätten in Spanien zum Beispiel viele Frauen Schürzen aus Fenstern gehängt, Aktionen in den Pausen organisiert oder zu politischen Mittagessen aufgerufen. Und schließlich ziele der Streik bewusst nicht nur auf Bereiche von Lohnarbeit, sondern gerade auch auf diejenigen, in denen Frauen nicht entlohnte Arbeit verrichten wie Haushalt, Kinderbetreuung oder Pflege.
Ein Papier des Berliner Netzwerks, das beim Treffen am Wochenende zur Diskussion gestellt werden soll, schlägt vor, zehn bis zwanzig konkrete Forderungen aufzustellen, zum Beispiel in den Bereichen Rechte für trans*Personen, Schwangerschaftsabbruch oder Rechte für illegalisierte Frauen. Gäste aus Großbritannien, Spanien und der Schweiz, wo Frauen schon 1991 streikten, werden kommen. Insgesamt hofft Wolter auf drei- bis vierhundert Teilnehmerinnen. Angesprochen seien Frauen, Lesben, trans* und inter*Personen. Männer, sagt Wolter, seien beim Streik zwar unterstützend willkommen – aber nicht „in der ersten Reihe“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen