Comedian Hazel Brugger über Politiker: „Ich will nie der Depp sein“
Als Reporterin für die „Heute-Show“ wurde Hazel Brugger in Deutschland bekannt. Ein Gespräch über gut vorbereitete Schlagfertigkeit und lustige Abgeordnete.
taz am wochenende: Frau Brugger, kann man Schlagfertigkeit trainieren?
Hazel Brugger: Ich glaube, schon. Wichtig ist, dass man keine Angst davor hat, dass es etwas Blödes sein könnte, was man sagt. Schlagfertigkeit ist ja nicht unbedingt etwas Gutes. Es heißt einfach, dass man sehr schnell irgendwas sagt, was einigermaßen passt – und das ist sehr selten die beste Antwort. Deswegen hilft es, sich davon zu befreien, dass man einen Anspruch an sich hat, der perfektionistisch ist.
Als sogenannte Außenreporterin der „Heute-Show“ kriegen Sie das auch vor laufender Kamera hin. Sie trainieren also schon, oder?
Ich mache das einfach. Der Trick ist ja bei mir gewesen, dass ich das gar nicht verstanden habe, dass es vielleicht nicht okay ist, so frech zu sein. Mittlerweile würde ich ganz anders agieren, viel mehr überlegen: „Was soll denn am Ende dabei rauskommen?“ Aber oft geht es gar nicht darum, was am Ende rauskommt, sondern dass dieser Moment möglichst krass ist.
Das ist Ihnen in den vergangenen Jahren ziemlich oft gelungen. Wie bereiten Sie sich auf Parteitagsbesuche oder ähnliche Jobs vor?
Ich frage mich: „Was sind die 20 Themen, über die auf jeden Fall gesprochen wird?“ Auf die bereite ich mich dann ganz speziell vor. Ich will nie der Depp sein, der nicht weiß, um was es geht.
Ihre Fragen gehen dann ja gern in eine ganz andere Richtung.
Das ist das Schöne: Zuerst geht es nur um das Thema und dann um was ganz anderes – was aber trotzdem seine Berechtigung hat.
Hazel Brugger (*1993) ist Slam-Poetin, Stand-up-Comedian, Kabarettistin und Moderatorin. Ab Februar tourt Brugger mit dem Solo-Programm „Tropical“.
Zum Beispiel die Frage, warum Friedrich Merz nur eine Brustwarze hat …
… und wo die andere Brustwarze geblieben ist. Je nachdem ist der Nippel halb voll oder halb leer.
Wie viele Leute auf einem Parteitag müssen Sie anquatschen, bis so ein richtiger Dödel dabei ist?
Gar nicht so viele. Für 4 gute Szenen brauche ich etwa 20 Interviews.
Und wie schaffen Sie es, denen nicht ins Gesicht zu lachen?
Das ist in dem Moment mein Job. Ich darf da nicht lachen. Ich höre denen auch zu. Manchmal lachen sie auch selber, aber damit machen sie es dann kaputt.
Warum kommen die Politiker überhaupt zu Ihnen?
Weil das extrem viel Werbung ist für die. Es gibt ja nichts Sympathischeres, als wenn man sich seiner Schwächen bewusst ist und auch darüber lacht.
Weiß so einer wie Wolfgang Kubicki wirklich, was er da macht?
Bei dem weiß ich’s auch nicht.
Klar, Jens Spahn kommt zwecks Image-Korrektur. Aber hat manch anderer nicht Angst, dass er sehr viel unlustiger sein wird als Sie?
Der Einzige, der witziger war als ich, war Karl Lauterbach von der SPD. Den fand ich megalustig. Mit dem hätte ich gern eine Stunde länger geredet. Da musste ich mir echt Mühe geben, dass ich nicht lache. Dorothee Bär hätte es dagegen gutgetan, ein bisschen mehr Gelassenheit reinzubringen.
Wie stark greifen die ZDF-Menschen redaktionell und konzeptionell in Ihre Ideen ein?
Mein Format „Do it yourself“ ist ja online exklusiv für die Sommer- und Winterpause der „Heute-Show“, da haben wir nicht diesen zeitlichen Rahmen wie in der Show. Das finde ich super. Die Drehs variieren auch zwischen 6 und 14 Minuten. Ich kann schon viel sagen, aber wo wir inhaltlich hingehen und wer kommt, das ist vorgegeben.
Heißt, Jens Spahn hätten Sie sich gar nicht ausgesucht?
Ich hätte mir die Merkel ausgesucht, aber die wollte nicht kommen. Ich bin eigentlich mit allen zufrieden. Und wenn ich sage „Nee, der geht gar nicht“, wird das auch nicht gemacht.
AfDler waren nicht dabei.
Nein, wollte ich auch nicht. Das ist schwierig, dass die nicht zu positiv rüberkommen – und positiv soll es ja generell sein. Aber ich glaube, ich würde schon mal mit einem AfDler was basteln, je nachdem, was. In Kommentaren wird mir empfohlen: „Haschkekse mit Höcke“. Aber ich würde die dann lieber mit ihm nehmen als machen.
Das wäre sicher der Renner im Netz. „DIY“ gibt’s erst wieder im Sommer – weil Sie im Winter keine Zeit haben. So wie Sie generell keine Zeit haben, wenn man Ihren Tourplan anschaut.
Den schaue ich auch nicht an. Ich schaue immer nur so eine Woche, wie beim Skifahren: Du darfst nie den ganzen Berg runterschauen. Im Sommer hatte ich ein bisschen frei und jetzt an Weihnachten auch zwei Wochen. Das passt schon. Andere gehen ins Büro.
Das geht ja schon länger so. Nach einem Auftritt im Schweizer Fernsehen hatten Sie wenig später 300 Gigs pro Jahr.
Vor ein paar Jahren habe ich noch so perverse Sachen gemacht wie 17 Auftritte am Stück, heute mache ich nur noch 5. München ist ja okay, da kann man ja rumlaufen und mal was essen, aber wenn man so richtig in der Walachei ist und da den Tag totschlagen muss, da fragt man sich schon: „Was mach ich hier eigentlich?“
Waren Sie schon immer ein Bühnentyp, früher der Klassenclown?
Ich will gar nicht auf die Geschlechterschiene kommen, aber beim Thema Klassenclown ist es wirklich so, dass das nichts für Mädchen ist. Wenn es ein Mädchen und einen Jungen als Klassenclowns gibt, dann lässt man dem Jungen den Vorrang. Ich war immer so der Co-Host. Aber ich war Schülersprecherin, habe mit 15 ein Austauschjahr in Australien gemacht, war dort im Theaterkurs, aber nie so vorne dabei. Dort habe ich auch Englisch gelernt, spreche deswegen jetzt ein sehr verwirrendes Englisch. Den australischen Akzent kriege ich einfach nicht weg.
Am 1. Februar hat Ihr neues Solo-Programm „Tropical“ Premiere in Luzern. Wie wird das so?
Sehr fruchtig, wie der Name sagt. Es wird mehr um mich gehen – was blöd ist zu sagen, weil es immer um mich geht, wenn ich allein auf der Bühne bin. Im letzten Programm, das nun am 7. Dezember in Regensburg endet, ging es mehr um die Welt und die Strukturen. Ich möchte nun mehr persönliche Sachen erzählen.
Wie kommt ’s?
Ich will das schon immer machen, aber ich glaube, wenn man sich mit 20 zum allerersten Mal ohne Textblatt hinstellt, ist das ein bisschen zu viel verlangt. Ich will mich jetzt mehr öffnen. Wenn ich heute 17-Jährige kennenlerne – ich habe ja mit 17 angefangen –, denke ich mir: „Wieso habe ich das gemacht in dem Alter?“ Ich würde das niemandem raten – einerseits. Auf der anderen Seite ist es sehr gut, weil man so jung ist, dass man nicht überlegt. Man denkt gar nicht, wie schlimm das sein könnte.
„Schweizerin des Jahres“ sind Sie vor ein paar Jahren geworden – was ist das denn für eine Auszeichnung?
Die wird von einer Zeitschrift vergeben. Da war ich ein Jahr lang ein richtiger Star in der Schweiz. Das ändert sich aber gerade. Seit ich mehr in Deutschland auftrete, erkennen mich die Schweizer nicht mehr wirklich, dafür werde ich in Deutschland auf der Straße angesprochen.
Oft?
Drei Mal am Tag oder so, meistens nette Leute. Es ist mir noch nie passiert, dass jemand gesagt hat: „Ich find voll scheiße, was du machst.“
Ganz im Gegenteil, Sie haben vielmehr alle relevanten Kabarettpreise gewonnen. Deutscher Kleinkunstpreis, Swiss Comedy Award, Deutscher Comedypreis.
Bei den kleinen habe ich auch nicht mitgemacht – weil man sich sonst kaputt spielt. Das klingt jetzt sehr arrogant, aber ich schaue ja immer diese amerikanischen Preisverleihungen, und solange ich nicht neben Conan O’Brian und Will Ferrell auf der Bühne stehe, finde ich all die Preise gar nicht so krass wie alle anderen. Ich habe gerade die Verleihung des Mark-Twain-Preises an Julia Louis-Dreyfus gesehen – megageil! Den Preis würde ich gern mal gewinnen. Aber die Chance ist quasi null.
Mit Ihrem Aussie-Akzent … Wie geht das nun weiter mit Ihnen?
Jetzt kommt erst mal das neue Programm, und dann würde ich das „DIY“ gern noch ein bisschen ausspecken, gerne auch mal mit Fußballern.
Au ja! So einer wie Jérôme Boateng würde Ihnen bestimmt gefallen.
Glaube ich. Der ist mega.
Der redet so, dass man ihm eigentlich tröstend über den Kopf streicheln will.
Das würde ich dann machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein