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PR von Greenpeace EnergyHauptsache schöne Schlagzeilen

Der Ökostrom-Anbieter setzt auf intensive Pressearbeit. Die Botschaft ist dabei knackig – und der Umgang mit Fakten bisweilen eher kreativ.

Zu schön, um wahr zu sein: die Meldung, dass Greenpeace Energy den Tagebau Hambach übernimmt Foto: dpa

Berlin taz | Es klang nach einer Sensation, was der Hamburger Ökostrom-Anbieter Ende November per Pressemitteilung verkündete: „Greenpeace Energy will die Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke des RWE-Konzerns im Rheinischen Revier ab 2020 stufenweise übernehmen und bis 2025 stilllegen.“ Der grüne David aus dem Norden will den dreckigen Goliath aus dem Rheinland übernehmen – und hat sogar ein wirtschaftliches Modell, wie die Stilllegung der klimaschädlichen Braunkohle-Kraftwerke für alle ein Gewinn werden kann: Solche Geschichten lieben die Medien. Entsprechend breit wurde die Meldung aufgegriffen.

Allein: Sie stimmte nicht. Wer das Konzept genauer ansah, merkte schnell, dass Greenpeace Energy die Kraftwerke und Tagebaue keineswegs selbst übernehmen will. Diese sollen – mitsamt der finanziellen Verantwortung für MitarbeiterInnen und die langwierige und teure Renaturierung der Tagebauflächen – an eine kommunale Gesellschaft übergehen, die dafür mit Steuermitteln unterstützt werden soll. Selbst beteiligen will sich der Ökostrom-Anbieter nur an einer Betreibergenossenschaft, die ehemalige RWE-Flächen pachten und dort Wind- und Solaranlagen betreiben will. Ziemlich zutreffend kommentierte RWE, es handele sich um einen „Vorschlag zulasten Dritter“, den man „kaum ernst nehmen“ könne.

Greenpeace Energy räumt auf Nachfrage lediglich ein, „dass wir noch präziser hätten formulieren können“. Einen Anlass, die vielfach übernommene Falschaussage aus der Pressemitteilung zu korrigieren, sieht Sprecher Michael Friedrich nicht. Stattdessen legte das Unternehmen im Dezember nach und veröffentlichte eine Umfrage, derzufolge 81 Prozent der Deutschen das Übernahmekonzept „befürworten“. Auch dabei wird getrickst. Denn die detaillierten Daten des Umfrage-Instituts Kantar Emnid zeigen, dass nur 29 Prozent der Befragten das Konzept „gut und unterstützenswert“ finden. Auf 81 Prozent kommt Greenpeace Energy nur, indem auch jene 52 Prozent, die den Vorschlag „interessant, aber schwer umsetzbar“ finden, kurzerhand zu „Befürwortern“ erklärt werden.

Doch auch hier geht der Plan auf: Das Unternehmen ist wieder als vermeintlich wichtiger Akteur präsent. Und darum geht es bei der Pressearbeit. Der Markt für echten Ökostrom ist hart umkämpft. Greenpeace Energy wächst zwar kontinuierlich, hat aber immer noch deutlich weniger KundInnen als die Konkurrenz von Lichtblick, Naturstrom und den Elektrizitätswerken Schönau (siehe Infobox).

Reine Ökostromanbieter in Deutschland

Greenpeace Energy wurde im Jahr 1999 als Genossenschaft gegründet. Die Initiative ging von der Umweltorganisation Greenpeace aus, die auch die Kriterien für den gehandelten Ökostrom festlegt und den Aufsichtsratschef stellt. Ansonsten ist das Unternehmen vom Verband unabhängig. Greenpeace Energy belieferte 2017 rund 128.000 KundInnen mit Strom, 19.000 mit Gas. Der Umsatz lag bei 111 Millionen Euro.

Auf dem Markt reiner Ökostromanbieter konkurriert Greenpeace Energy neben diversen regio­nalen Firmen vor allem mit Lichtblick (542.000 Strom- und 83.000 GaskundInnen), dem von BUND mit initiierten und zertifizierten Naturstrom (213.000 Strom- und 22.000 GaskundInnen) und den als „Stromrebellen“ bekannt gewordenen Elektrizitätswerken Schönau (175.000 Strom- und 14.000 GaskundInnen). (mkr)

Kreativer Umgang mit den Fakten

Pressearbeit, die ihre aktive energiepolitische Rolle betont, machen alle diese Anbieter. Das ist nicht nur günstiger als klassische Werbung, sondern erreicht die Zielgruppe der politisch interessierten StromkundInnen wohl auch besser. Doch Greenpeace Energy buhlt besonders intensiv um Aufmerksamkeit. So klagte man jahrelang gegen die Subventionen für das geplante AKW Hinkley Point in Großbritannien – in der Sache zwar erfolglos, aber mit viel Publicity.

Und regelmäßig gibt der Strombetreiber Studien zu energiepolitischen Fragen in Auftrag und publiziert die Ergebnisse. Auch dabei zeigt sich bisweilen ein kreativer Umgang mit den Fakten. So verkündete Greenpeace Energy im Juni dieses Jahres: „Braunkohle-Ausstieg spart jährlich fast 28 Milliarden Euro.“ Nun hatte die dazugehörige Analyse des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zwar durchaus zutreffend dargestellt, dass sich durch ein Abschalten der deutschen Braunkohlekraftwerke gesellschaftliche Folgekosten in dieser Größenordnung vermeiden ließen. Der Großteil davon sind jedoch Klimaschäden, die rund um den Globus anfallen (werden) und derzeit von niemandem erstattet werden. Zwar wäre es gut, wenn sich das ändert – aber wirklich „sparen“, wie in der Überschrift von Greenpeace-Energy behauptet, würde dieses bisher nicht ausgegebene Geld niemand.

Spannend klang auch eine Meldung vom April dieses Jahres: Aus regenerativem Strom erzeugtes „Windgas“ sei „in wenigen Jahren preiswerter als Erdgas“, schrieb Greenpeace Energy. Das wäre sensationell, denn derzeit kostet solches synthetisches Erdgas aus Windstrom etwa zehnmal so viel wie konventionelles.

Damit die optimistische Rechnung aufgeht, wird aus der zugrundeliegenden Studie des Beratungsunternehmens Energy Brainpool ein Szenario mit speziellen Annahmen ausgewählt. Neben einer Senkung der Fixkosten um 88 Prozent geht die Rechnung davon aus, dass der für die Herstellung des Gases benötigte Windstrom fast kostenlos zur Verfügung steht, während sich der Preis für fossiles Erdgas durch eine hohe CO2-Abgabe mehr als verdoppelt. Erreicht werden diese Annahmen in der Studie zudem im Jahr 2040 – im Sprachgebrauch nicht unbedingt „in wenigen Jahren“. Doch solche Feinheiten würden wohl nur stören im Kampf um die gute Sache – und neue KundInnen.

Offenlegung: Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Umweltjournalist, in deren Rahmen er als Co-Autor an diesem taz-Artikel mitgearbeitet hat, ist Jörg Staude als Redakteur und Co-Geschäftsführer für das Online-Medium klimareporter° tätig. Dieses wird zu einem kleinen Teil finanziert vom Mitherausgeber Gero Lücking, der zugleich Geschäftsführer beim Ökostromanbieter Lichtblick ist, einem Konkurrenten von Greenpeace Energy. Die redaktionelle Verantwortung für den Text lag bei taz-Redakteur Malte Kreutzfeldt.

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11 Kommentare

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  • Zeichen setzen zum neuen Jahr -- Stromanbieter-Wechsel mit echter Ökostrom-Förderung:



    Viele beworbene "Ökostrom"-Angebote sind meist nur "Green-Wash-Label" der altbekannten Konzerne und versilbern nur mit Extra-Gewinn jenen erneuerbaren Strom, den zu verteilen sie ohnehin verpflichtet sind.



    Solcher Nepp ist nicht grüner als "Bio-Eier" eines Produzenten, der daneben überwiegend konventionelle Massen-Tierhaltung treibt:



    www.dw.com/a-45894278 - Weg von Braunkohle – wie grün ist Ökostrom? (15.10.18)



    www.robinwood.de/kohle - Fakten & Positionen + Wechsel-Empfehlungen für echten Ökostrom



    www.klimaretter.in...zu-ostrom-wechseln - Echte Ökostrom-Lieferanten



    www.xn--echter-kos...hp?inhalt=anbieter "BlackList": Anbieter mit Atomstrom-Beteiligung

  • Der Autor schreibt die Behauptung von Greenpeace "durch den Braunkohleausstieg wuerden 28 Milliarden eingespart" waere falsch: das Geld wuerde niemand sparen.



    Da hat er wohl den Klimawandel nicht verstanden, die Kosten fallen an, weltweit verteilt als Schaeden.



    Und durch den Braunkohleausstieg werden diese Kosten eingespart, weil sie dann eben weltweit nicht anfallen.



    Der Rest ist sehr gut recherchiert und dargestellt.

  • Soweit ich weiß, hat Greenpeace Energy zwar Wurzeln bei Greenpeace, ist mittlerweile bis auf den Namen ein völlig unabhängiges Unternehmen.

    Ich habe in mehreren EE-Firmen gearbeitet und habe am Anfang geglaubt, "wir" sind die "Guten". Relativ schnell stellte ich fest, daß Chefs und Andere nicht die Ansprüche erfüllten, die ich mir gewünscht hatte. Die Ökobranche ist glaube ich nur minimal besser als die konventionellen.



    Überall wird gelogen, was das Zeug hält. Marketing und PR bedeutet vor allem: lügen und manipulieren.



    Alle Religionen sagen: Du sollst nicht lügen. Aber die Gier ist zu stark...

  • Gerade Greenpeace sollte wissen, wie wichtig das Vertrauen in die Belastbarkeit von Studien ist (siehe Klimawandel, Versorgungssicherheit, etc.). Argumente für den Umstieg auf Greenpeace Energy sollten in der Sache selbst liegen und keine geschönte PR erfordern. Ich bin selbst Kunde bei Greenpeace Energy und hoffe, dass die PR-Strategie korrigiert wird!

  • Und damit hätten wir ein weiteres Beispiel, dafür, dass wir die Rettung der Welt nicht dem Markt überlassen können. Kapitalismus hat uns in die Scheiße reingeritten, er wird uns jetzt nicht wieder rausziehen. Der Klimawamdel wird nur aufzuhalten sein, wenn wir die kapitalistische Wirtschaftsweise überwinden und ein ökologisches und soziales Produktions- und Güterverteilungssystem entwickeln und durchsetzen.



    Kill Capitalism before it kills the Planet!

    • @BakuninsBart:

      1. Das beste für die Welt wäre - ja klar - wenn wir keinen Strom konsumieren würden. (Auch Erneuerbare haben Umweltfolgekosten.)



      Oder zumindest nur sehr wenig. #Stromsparcheck

      2. Wenn schon Strom, dann liber echten Ökostrom.



      Ohne Zertifikate-Handel. Mit Transparenz.



      Is auch klar.

      Jetzt kommt aber der Knackpunkt:



      3. Wenn schon Ökostrom, dann am besten bei gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsweise. Und da kann GreenpeaceEnergy lange nicht mithalten mit den Angeboten rund um Solidarstrom und dem ÖkostromPlus.

      Ziel sollte es sein, dass der Strommarkt wieder allen Menschen zur Gestaltung zur Verfügung steht.

      GreenpeaceEnergy spielt aben auch nur im Kapitalismus weiter mit, zwar nachhaltiger, aber eben nach den kapitalistischen Regeln.



      #GreenCapitalism

      Besser wir vergesellschaften wieder die Energie.



      Mit Solidarstrom!

      #HambiBleibt

  • "Diese sollen – mitsamt der finanziellen Verantwortung für MitarbeiterInnen und die langwierige und teure Renaturierung der Tagebauflächen – an eine kommunale Gesellschaft übergehen, die dafür mit Steuermitteln unterstützt werden soll. Selbst beteiligen will sich der Ökostrom-Anbieter nur an einer Betreibergenossenschaft, die ehemalige RWE-Flächen pachten und dort Wind- und Solaranlagen betreiben will."

    Ja, und? Als die Meldung durch die Medien ging, ging ich selbstredend davon aus, dass hierfür eine neue Gesellschaft gegründet wird. Ist es nicht gang und gäbe, das Muttergesellschaften das finanzielle Risiko bei neuen Projekten nicht selbst tragen? Und das dafür auch alle staatlichen Mittel eingeplant werden, ist ebenso weder ein Alleinstellungsmerkmal noch frevelhaft.

    Absurder Artikel ...

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Soeben wollte ich meinen Tag mit dem Lesen des Artikels beginnen. Dabei kam ich nur bis zur Schlagzeile. Mir fehlt das Wissen, ob diese vom Autor selbst oder der Redaktion stammt. Deshalb weiß ich auch nicht, wer dafür die verbale Haue verdient hat.

    "Die Botschaft ist stets kernig - und der Umgang mit Fakten eher kreativ" lautet die Schelte. JA - UND??? Ist dies ein Alleinstellungsmerkmal von Greenpeace Energy? Die Antwort darauf wurde bereits mit dem Begriff 'PR' gegeben.

    In Zeiten, in denen nahezu alles PR ist, angefangen von Politik über Personen bis hin zu Bereichen, in denen ich das Unwesen der Seifenverkäufer (deren Handwerk ich einst selbst erlernt, aber aus ethischen Gründen nie beruflich angewandt habe) als schädlich betrachte. Fast alles ist PR. Und das soll ausschließlich hier schlecht sein? Verstehe ich nicht.

    Den Artikel schenke ich mir erst einmal ... und freue mich auf meinen Morgenkaffee. Zur Feier des Tages mal nicht Aldi Dröhnung.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      ... und passend zum Artikel zeigt taz.de mir eine Anzeige von Eon - selbstredend für Solarstrom, den Eon bekanntlich erfunden hat.

      Ich würde lieber mal einen Artikel über Gewerkschaften in der Erneuerbaren-Branche lesen als ein Lamento darüber, dass PR wie PR aussieht.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Nö, kein Alleinstellungsmerkmal. Aber wer mit seiner überlegenen Moral wirbt, muss auch am Anspruch gemessen werden.