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Volksabstimmung in der SchweizVotum gegen faire Landwirtschaft

Schweizer Initiativen für gesündere und fair erzeugte Agrarprodukte scheitern bei einer Volksabstimmung an einer Angstkampagne.

Die Schweizer stehen nicht auf „Fair Food“-Landwirtschaft Foto: dpa

Genf taz | Die SchweizerInnen haben sich am Sonntag bei einer Volksabstimmung mit deutlicher Mehrheit gegen zwei Initiativen für gesünder, fairer und nachhaltiger produzierte Nahrungsmittel ausgesprochen. Angenommen wurde eine Initiative zum Ausbau von Fahrradwegen.

Mit rund 63 Prozent Neinstimmen scheiterte die von den Bauernverbänden, den Grünen und den SozialdemokratInnen unterstützte „Fair Food“-Initiative. Sie forderte ein größeres Angebot an umweltschonend, tierfreundlich und fair hergestellten Lebensmitteln. Entsprechende in der Verfassung verankerte Standards sollten auch für importierte Waren gelten. Produkte aus bäuerlicher Landwirtschaft, fairem Handel sowie aus regionaler und saisonaler Produktion und Verarbeitung sollten einen Marktvorteil erhalten.

Die Initiative wollte die ­Lebensmittelverschwendung und die Klimabelastung durch Transport und Lagerung reduzieren. Tierquälerisch erzeugte Produkte sollen nicht mehr in die Schweiz importiert werden, und importierte Lebensmittel sollen soziale und ökologische Mindestanforderungen erfüllen.

Ebenfalls gescheitert ist mit rund 70 Prozent Neinstimmen die „Initiative für Ernährungssouveränität“. Diese verlangte unter anderem faire und gerechte Preise und Gehälter im Agrarsektor und ein Verbot von Gentechnik und anderen Technologien wie Genome Editing.

Spekulationen über Verbraucherpreise

Bis Ende August hatten Umfragen noch eine Mehrheit für die beiden Agrarinitiativen erwarten lassen. Doch seit Anfang September zeichnete sich ihre Niederlage ab. Ausschlaggebend für den Meinungsumschwung war nach Auffassung der Grünen-Parlamentsabgeordneten Maya Graf „die unglaubliche Angstkampagne“ der Initiativgegner. Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei und die bürgerlichen Mitte-Parteien CVP und FDP hatten behauptet, eine Annahme der beiden Initiativen würde zu einem deutlichen Anstieg der Verbraucherpreise für Nahrungsmittel führen.

Mit 72 Prozent Jastimmen angenommen wurde hingegen die sogenannte Velo-Initiative. Sie sieht Zuschüsse der Schweizer Bundesregierung an die Kantone für den Ausbau der regionalen Fahrradwege vor.

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10 Kommentare

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  • TIch weilte dort, ich, nat. nicht repräsentativ, habe die (Gegen-)Debatte gleichfalls als 'Angstkampagne' empfunden.

    Zu Beginn etwa euphorisch, dann resignierend.

    Grenznah Wohnende/Arbeitende kaufen sowieso relativ oft in Deutschland ein, Märchensteuerrückerstattung inklusive.

    Da würde eine Chance vertan, aber daraus lässt sich lernen. U.a. noch mehr erklären und auf die Alltagsprobleme zielgenauer abstellen.

    • @Gerhard Krause:

      Was genau hat denn in der Debatte Angst ausgelöst? Resignation ist ja nicht gerade ein ausgeprägter Angstfaktor. Der Artikel gibt leider keine Auskunft über diese Behauptung, dass eine Angstdebatte geführt worden sei.

      • @Chutriella:

        Zweifel an der Umsetzbarkeit mehrten sich mit einem Preisargument (Inflation). Übertragen wurde dies zumindest im allg. Sprachverkehr des mir zugänglichen Kreises darin, dass sich schlicht nur noch Vermögende bestimmte Lebensmittel leisten könnten.

        Wenn Sie steigende Preise nicht als Angst auslösend empfinden, dann sind Sie der bessere "Schweizer". :-)

  • Das dies an einer "angstkampagne" gescheitert ist ist reine Spekulation.



    Vielleicht waren die begürwortungsargumente nur zu schwach.

    • @Demokrat:

      Verzeihung, Ihr "vielleicht" ist Spekulation.

      Einzig die Einkommensunterschiede, die sind konsumwirksam, waren klar.

      • @Gerhard Krause:

        Sie haben recht. Ein vielleicht ist immer eine Spekulation. Ich weiss es halt nicht, daher auch hier das vielleicht

    • @Demokrat:

      Ich weilte dort, ich, nat. nicht repräsentativ, habe die (Gegen-)Debatte gleichfalls als 'Angstkampagne' empfunden.



      Zu Beginn etwa euphorisch, dann resignierend.



      Grenznah Wohnende/Arbeitende kaufen sowieso relativ oft in Deutschland ein, Märchensteuerrückerstattung inklusive.

      Da würde eine Chance vertan, aber daraus lässt sich lernen. U.a. noch mehr erklären und auf die Alltagsprobleme zielgenauer abstellen.

      • @Gerhard Krause:

        Danke für ihre Meinung.



        Meine Schweizer BekanntInnen sahen das nun mal nicht so.



        Das ist halt alles subjektiv.



        Die Schweizerinnen haben eine lange Tradition von volksentscheiden und wissen sehr wohl um die langfristigen Folgen von Entscheidungen.



        Dass hier Angst treibende Element der Entscheidungen war finden *(*zumindest meine BekanntInnen) die Schweizer eine äusserst schwache Begründung

        • @Demokrat:

          Zumal "faire und gerechte Preise und Gehälter" fast immer bedeutet, dass der Verbraucher auch mehr bezahlen muss.

          • @rero:

            Kunden sind wiederum Verkäufer. Der gegenseitige nützliche Inflationskreislauf darf nicht unterbrochen werden.