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Olaf Scholz vor G20-SonderausschussRücktritt nur über eine Leiche

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gibt sich im G20-Sonderausschuss zerknirscht – und bekommt Applaus von der rechten Seite.

Leistete im G20-Ausschuss erneut Abbitte für seine Fehleinschätzungen: Olaf Scholz Foto: dpa

Hamburg taz | Es fällt Olaf Scholz nicht leicht, über seine Fehler zu sprechen. Darüber, was ihn geritten hat, den Hamburgern eine Sicherheitsgarantie für die Zeit des G20-Gipfels auszusprechen; im Vorfeld zu verkünden, die Einschränkungen für die Bevölkerung würden nicht viel anders als beim Hafengeburtstag und überhaupt: Viele Hamburger würden von dem Gipfel gar nichts mitkriegen.

Und dann – hinterher – dieses Fazit, es habe „keine Polizeigewalt“ gegeben, wobei er vergaß zu erwähnen, dass er strukturelle, organisierte Polizeigewalt meinte. Innerhalb weniger Tage waren das mehr verbale Fehlleistungen als in den sechs Jahren seiner Regentschaft zuvor. Er sei nach den G20-Ausschreitungen sichtlich angefasst gewesen, habe ernsthaft über einen Rücktritt nachgedacht, berichten Scholz' Vertraute.

Scholz ist geblieben, doch sein Stern ist gesunken. Dass die SPD bei der Bundestagswahl in Hamburg mit neun Prozent mehr verlor als in jedem anderen Bundesland, ist nur ein Indiz dafür. Scholz erlebt seine erste wirkliche Krise als Hamburger Bürgermeister. Und sollte er je vorgehabt haben, Martin Schulz die Führung der SPD im Bund streitig zu machen, so bremst der durch die Gipfelereignisse erlittene Imageverlust solche Überlegungen derzeit dezent aus.

Versprich nur, was du halten kannst – diesen Maßstab hat Scholz an sich selbst als Bürgermeister angelegt, an ihm sollten ihn seine WählerInnen messen. Beim G20-Gipfel wurde er ihm nicht gerecht, verfehlte ihn sogar um Längen.

Nun ist er geladen im Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, der die G20-Ereignisse aufarbeiten soll. Ein schwerer Gang. Und ein Festtag für die Opposition. CDU-Fraktionschef André Trepoll hat sich ausbedungen, Scholz selbst zu grillen. Sein Innenexperte Dennis Gladiator darf nur Ergänzungsfragen stellen.

Schuld sind die „Sicherheitsbehörden“

Doch erst einmal redet Scholz. Er zitiert seine eigene Entschuldigung für die von ihm ausgesprochene, nicht eingelöste Sicherheitsgarantie und den misslungenen Hafengeburtstags-Vergleich, die er nach dem Gipfel in der Bürgerschaft ausgesprochen hatte. Den Vergleich bezeichnet er als „nicht gelungen“, die Sicherheitsgarantie habe er „nicht leichtfertig sondern mit vollster Überzeugung“ gegeben. „Alle Vertreter der deutschen Sicherheitsbehörden haben bejaht, dass wir so etwas durchführen und die Sicherheit der Bevölkerung garantieren können“, sagt Scholz und er habe „immer den Eindruck gehabt, dass die Polizei gut vorbereitet war und habe ihn auch heute noch.“

Dann kommt er zum Grund der Fehleinschätzung: Die Sicherheitsexperten seien sich einig gewesen, dass die Linksautonomen den Gipfel nutzen wollten, um sympathisierende Teile der Bevölkerung und alle Gipfelgegner auf ihre Seite zu bringen, und deshalb großflächige, öffentlich nicht zu vermittelnde Zerstörungen „nicht wahrscheinlich“ seien.

Applaus von der AfD

Der AfD-Abgeordnete Dirk Nockemann, kritisiert, dass man sich in der Sicherheitsanalyse nach Scholz‘ Darstellung „auf die Ratio des schwarzen Blocks verlassen“ habe und tut dem Bürgermeister dann richtig weh, indem er ihn für die Einschätzung lobt, es habe „keine Polizeigewalt“ gegeben. Scholz reagiert auf den Applaus von der falschen Seite, indem er ihn ignoriert.

Ob er „mit seiner Ankündigung vorsätzlich falsche Erwartungen geweckt, oder es nicht besser gewusst“ habe?, stellt Oppositionsführer Trepoll eine als Frage getarntes Statement in den Raum. Er bekommt kaum Zugriff auf den Regierungschef, der sich, anders als vor dem Gipfel, an diesem Abend jedes Wort genau überlegt, bedacht darauf, keine neue Flanke zu öffnen.

Und schließlich bekennt Scholz, dass seine Zukunft als Hamburger Bürgermeister nach dem G20-Gipfel auch hätte enden können: „Wenn jemand gestorben wäre, hätte ich nicht im Amt bleiben können.“

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12 Kommentare

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  • Olaf Scholz und die AfD - da „wächst zusammen, was zusammen gehört.“

     

    Und die Rolle der Hamburger Grünen in diesem Heldentheater?

    Einfach nur erbärmlich und megapeinlich. Die kleben fest an ihren Furzkissen und segnen deshalb für Scholz auch noch den gröbsten Unfug ab - egal ob mit oder ohne Leiche.

  • "„Wenn jemand gestorben wäre, hätte ich nicht im Amt bleiben können.“ Das ist diese Art sich politisch konkret oder inszenierter Schocks einer bestimmten Strategien der Spannung von dritter unbestimmt legitimierter Seite beim G 20 Gipfel folgend, einzulassen, wie Bundeskanzler Helmut Schmidt, wenn die Landshut Befreiung im Deutschen Herbst 1977 durch die GSG 9 Spezialeinheit in Mogadischu gescheitert wäre, wäre ich zurückgetreten.

     

    Durch Scholzens vorherige Verharmlosiúng absehbarer Gefahrenlagen beim G20 Gipfel in Hamburg 2017 "-- das sei doch nur so was wie ein Hafengeburtstag " , um hernach das Schlüsselwort zu verkünden "ich bin überrascht", es wurden Fehler gemacht" ist er proaktiver Teil üblich gewordener Schockstrategie in der Politik geworden, wie sie Naomi Klein in ihrem gleichnamigen Buch 2007 Fischer Verlag beschreibt . Das Scholz das selbstredend ausblendet gehört zur Inszenierung, Schocksituationen durch Verharmlsung des Kommeden, Unterlassungen im Vorfeld zu konstruieren, wenn diese sich nicht durch den "General" "Zufall" ergeben.

     

    Es bleibt die Frage waren Bürgermeister Olaf Scholz, Innensenator Andy Grote, ohne das bis heute kenntlich zu machen, überhaupt von vornherein Herren des Verfahrens?, wenn nein, wo waren die wirklichen Kommandozentralen angesiedelt in Berlin, Brüssel, Washington D, C., Paris, London, Moskau, Peking, Tokio, Ankara unter Einbezioehung der NATO?

     

    Weitere Fragen:

    Wurde zum #G20 #Gipfel Juli 2017 in #Hamburg der militärische #Ausnahmezustand ausgelöst?, wenn ja, mit oder ohne den #NationalenKrisenstab #Berlin mit #Bundekanzlerin #AngelaMerkel einzuberufen

    #Linkspartei #JanvanAken fordern Aufklärung von Bürgermeister #OlafScholz Innensenator #AndyGrote ob beim #G20-Gipfel Hamburg 2017 illegal Kriegswaffen zum Einsatz kamen?

    Hat Bürgermeister #OlafScholz beim #G20Gipfel 2017 die Hamburger Polizei militärischer #NATO #Befehlsgewalt unterstellt, gleichzeitg so getan als ginge es um einen HH Hafengeburttag? https://joachimpetrick.w

  • Egal, Scholz wird sich in der Zukunft als die Geimwaffe der SPD verkaufen und mit seinem Vorstoß €12 Mindestlohn hisst er mal wieder eine linke, rote Fahne. Hamburg ist eine tief gespaltene Stadt - darüber könte er wirklich stolpern, denn das treibt ihn nicht wirklich um. Die Zahlen für den Wohnungsbau verkündert er ja gerne als Fortschritt, während es an Sozialwohnungen mangelt und die Jobcenter immer noch arme Menschen umseideln - meist stark zu deren Nachteil. Da müsste er ran.

     

    P.S. Schululz ist auch kein Mann der Zukunft, Steinmeier, Steinbrück waren es auch nicht - für Scholz ist noch alles drinnen, weil ein Sieg für die SPD gar nicht verfügbar ist. Solange die Partei versucht, CDU/CSU und FDP auf ihrem Terrain zu besiegen, wird die SPD sowiesieso verlieren. Macht die SPD jetzt eine gute Opposition kann sie über 20 Prozent kommen, schafft sie vielelicht 24 oder 26 Prozent, aber 3 30 Prozent wird sie nie schaffen und sie bräuchte wohl eher 35 Plus, um wirklich wieder einen Bundeskanzler zu stellen.

  • Olaf sollte sich an der AfD orientieren. Dann kann er bei der nächsten Demo mal richtig wüten.

  • .... umso grauseliger ist es festzustellen, dass DIESELBEN "Experten", auch MONATE nach dem G 20 -Gipfel - 2017 -, bei ähnlichen zu erwartenden anderen Ereignissen, aus der jeweils selben Postition, aus Loyalität (?) dieselben Fehler WIEDER machen können!?

    brr!!

     

    Mir wird Angst!

    • @berbaron:

      Tatsächlich kritisiert Scholz seine eigenen Sicherheitsleute (wenn auch nicht aus den richtigen Gründen, nämlich, weil die Polizei draufhielt wie bescheuert, sondern weil sie falsche Prognosen machte) und er sagt nix über die Konsequenzen und lässt die ganzen Schill-Leute weiter in ihren Positionen.

  • Scholz: Bei niedrigstehender Sonne werfen auch Zwerge lange Schatten....

  • dieser scheinheilige Populismus dient nur als vorschub und rechtfertigung der kriminaliserung von demokratischen bürgern die ihr demonstrationsrecht war genommen haben.man sollte o. scholz wg verleumdung anklagen und seinen sofortigen Rücktritt fordern!

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Klobürsten Olaf sollte sich mal wirklich hinterfragen. Ob seine Inkompetenz - überzogene Gewalt gegen friedlich Demonstrierende bei gleichzeitiger Feigheit vor durchgedrehten Hooligans - die SPD bei der Bundestagswahl nicht viele Stimmen gekostet hat.

     

    Aber nein! Bei Olaf muss es erst Tote geben, damit er Verantwortung übernimmt! Jämmerlich!

  • Tja - wie im Märchen - "& weil sie nicht gestorben sind" -

     

    Regiert Olaf I. - noch heute!

    Da mähtste nix.

    Normal.

    • @Lowandorder:

      Und die Moral von der Geschicht,

      die hau'n Euch Olafs Helden ins Gesicht.

  • Wer weiß, ob nicht ein paar unregistrierte Punks aus sonstwo verschwunden sind...