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Der „Mescalero“ über Linke und GewaltDie Idiotie des Riot

Kommentar von Mescalero

Nach dem Buback-Mord 1977 schrieb der „Mescalero“ über Gewalt als Mittel linksradikaler Politik. Was hat er den Militanten von heute zu sagen?

„Die versprochene Hölle der „Welcome to Hell“-Demonstration kommt mir vor wie eine moralische Anstalt“ Foto: dpa

Es gibt nichts Obszöneres als einen General in vollem Wichs.“ – Noch heute, fünfzig Jahre später, gefällt mir die Militanz dieser Worte.

Als ich sie damals in einem der Suhrkamp-Bändchen von Herbert Marcuse las – „Versuch über die Befreiung“ hießen sie und später „Konterrevolution und Revolte“, jede der Schriften ein Renner der antiautoritären Linken –, war ich gerade aus der Bundeswehr ausgeschieden. Im Nato-Hauptquartier in Fontainebleau hatte ich den Obersten Befehlshaber für Europa, den General Graf Kielmansegg, in seiner Prachtuniform aus einer Limousine steigen und ins Stabsgebäude marschieren sehen. Mit all den Kordeln, Bändern, Orden.

Da hast du also etwas ganz und gar Obszönes dicht an dir vorbeigelassen und dich nicht gemuckt, dachte ich damals. Die Worte Marcuses, des Soziologen und Politologen der frühen Frankfurter Schule, beflügelten mich zur globalen Revolte, so wie sie mich zugleich zur Vernunft brachten. Ein älterer Mann, ich werde in diesem Jahr noch 70, muss weit ausholen, bevor er auf den Punkt kommt.

Soeben habe ich einen Kampftext von Karl-Heinz Dellwo gelesen. Darin wird der Krawall von Hamburg als „Riot“ bezeichnet. Mir ist ganz schlecht geworden. Die erste Assoziation war „Idiot“, die zweite: „Halt endlich die Klappe, Dellwo!“.

Mit der Uniformierung von Protest und Revolte in Blöcken, mit Aufmarsch, Taktik, Gegner, hat sich nicht bloß die Obszönität vervielfacht.

Die Vermummung ist der Wichs der Krawallisten.

Die Marschkolonne, der Block in einer Demonstration ist eine Hirnblockade. Ein Glaubensbekenntnis, so hässlich wie das der „Ultras“ im Fußballstadion. Das Gebrüll, die Parolen, die ins Äußerste gekehrte Selbstgewissheit. Ich würde nur noch für die Ungewissheit auf die Straße gehen.

Wo Hässlichkeit, da Gewalt. Dieser Aufmarsch ist wie eine säuerliche Parade von Presbytern. Die versprochene Hölle der „Welcome to Hell“-Demonstration kommt mir vor wie eine moralische Anstalt, egal ob Zeige- oder Stinkefinger.

Der Wichs der Herrschaften, die aus Limousinen und immer wieder Limousinen steigen, ist nicht weniger obszön als ihr eingebildeter Götterfunke in Hamburgs Renommierbude. Und das gediegene Tafeln von Steinbutt und Ochsenbäckchen (igitt!) ist pervers.

Darauf mit Obszönität und Hässlichkeiten zu antworten, ist dumm. Und es wäre wohl besser, sich mit allen Anwohnern über den Belagerungszustand zu beraten und darüber, dass diese Art Politik, die nur mehr in Hochsicherheitstrakten, was doch kaum etwas anderes ist als gediegene Gefängnisse, stattfindet, nicht bloß das Wohnviertel, daher die Zivilität belagert, sondern auch die Seele einer Stadt und jedes einzelnen Bürgers.

Fazit: Der G20-Protest ist dumm gelaufen. Die ganze Bewegung läuft sich dumm. So kommt sie den Herrschaften niemals bei. Sie wird niemals über Blöcke und Blockaden hinauskommen.

In der globalen Revolte vor 50 Jahren waren wir froh, einer kleinen, radikalen Minderheit zuzugehören. Das aber ist heute nicht mehr konsensfähig. Weil die Katastrophe da ist, die sich damals erst ankündigte.

Es brennt überall, nicht nur im Schanzenviertel. Das ist das große Gemälde. Verwüstung, aber wir sind blind im Angesicht der Katastrophe. Es hat keinen Zweck mehr zu löschen, auf die Kraft der Vernunft zu hoffen, und keinen, gegen den Brand zu protestieren.

Die „Riotisten“ sind so obszön wie die Gipfler, die sie „bekämpfen“. Beide sind derart i­neinander verbissen, dass eine Lösung unmöglich scheint. Die Politik und ihr Anti braucht einen energischen Stopp. Ein Moratorium, eine lange Atempause, die den Entscheidungswahnsinn unterbricht und entkrampft.

Und nach eingehender Beratung (!) eine total neue, andere Performanz des Politischen. Eine Aus-ein-ander-setzung der Prozesse von politischer Willensbildung, Entscheidungsfindung und Administration. Die nicht länger dem Mehrheitsprinzip und trägen Koalitionen folgt, sondern der Einbeziehung des Ausgeschlossenen.

Hier geht es nicht mehr um Meinungen. Sondern um eine Technik, ein Patent, das es ermöglicht, vorhandenes Wissen zur Geltung, in Anwendung zu bringen. Das macht alles Renommieren in Mehrheiten wie in Limousinen überflüssig, das Angeben, die Überheblichkeit der Macht, die Selbstgewissheit.

Das Einbeziehen des bis dahin „unmöglichen“ Standpunktes. Politik ist nur noch durch eine Umstellung auf Zweifel, Ungewissheit, auf Zögern, Skepsis, mit „Dilettanten“ zu retten. Nach einem patenten paritätischen Verfahren. Zug um Zug. Im Zehnertakt bei jeder politischen Beratung und Entscheidung: Drei für die Position. Drei für die Opposition. Und vier für das durch beide Ausgeschlossene. Danach sind keine Krawalle mehr nötig.

Dieses Ausgeschlossene ist nicht der „Riot“! Die Idiotie des Riot und die einer politischen Herrschaft, die entschlossen ist, gegen vorhandenes besseres Wissen zu handeln, sind Spielarten ein und derselben Obszönität, die man auch als inkorporierte Kultur bezeichnen kann: Verbände auf dem Marsch.

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16 Kommentare

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  • Sie waren anscheinend nicht an den Tagen des G20 in Hamburg. Den Vermummten die Legitimität des Protests abzusprechen ist einfach. Doch am Abend des Donnerstag sind 12.000 Demonstrat*innen über eine Stunde auf der ursprünglichen welcome to hell-Strecke gelaufen. Auch am Freitag ab 15 Uhr sind mind. 10.000 vom Millerntor zu den Landungsbrücken gelaufen. Und was ist mit den fast 80.000, die am Samstag auf der Straße waren? Alle fallen bei Ihnen unter den Tisch

  • ja ja, die größten Kritiker der Elche, waren früher selber welche.

    • @Philippe Ressing:

      Jau - Idiot - neugr. ηλίθιος

       

      Aber. Während. Das Wort leitet sich vom altgriechischen ἰδιώτης (idiotes) her,[1] das wertfrei bis heute in etwa „Privatperson“ bedeutete & auch - jau -

      Der Handwerker!! Aber däh!

       

      Geriet es passend bei den Römern -

      Nu. Unter die Räder. & Siehe da!

      Ins Lateinische als idiōta entlehnt, verschob sich die Bedeutung des Wortes hin zu „Laie“, auch „Pfuscher“, „Stümper“, „unwissender Mensch“.

      Womit wir wieder mit der Sotisse -

      "Du Idiot - Du Elch" & - Ganz ohne Test -

      Ganz klammheimlich bei den - jau jau!

      Genau - Bei den Elchen wären - wa!

       

      (Quallen - https://de.m.wikipedia.org/wiki/Idiot - öh u.a.!;))

    • @Philippe Ressing:

      Schade! Es ist sicherlich richtig Vermummung zu kritisieren, wo sie zum Fetisch wird und erst Recht die hirnlose und unpolitische Gewalt am Freitag in Hamburg, aber dieser Text ist leider auch sehr dumm. Ich könnte jetzt viel über den fragwürdigen Gewaltbegriff des Herrn Mescalero schreiben - aber das führt zu weit.

      Interessant ist aber, dass er selbst tief in der Logik steckt, die er kritisiert. Die geht so: Nur wer offene Gewalt gegen die strukturelle setzt, wird medial wahrgenommen, bestimmt kurzfristig den Diskurs usw. - alte Taktik, die immer aufgeht und so schnurrt eine Aktionswoche, an der sich mehr als 80.000 Menschen beteiligt haben, zusammen zu einem Abend, an dem wenige hundert Leute (plus vermutlich den immer mitmischenden Zivilbeamten) aus unterschiedlichen Motiven den Kiez kurz und klein gehauen haben.

      "Der G 20 Protest ist dumm gelaufen. Die ganze Bewegung läuft sich dumm" Zitat Mescalero. Wer sich selbst nicht mehr bewegt, erträgt es wohl nicht, dass andere es tun. Wer nichts mehr weiss, außer dass als zu spät sei und sich so aus der Verantwortung stiehlt, erträgt es wohl nicht, dass andere das nicht tun. Die Pose der selbstgewissen Ungewissheit muss man sich leisten können. Die Proteste in Hamburg waren groß, vielfältig, es waren verschiedenste Formen gleichberechtigt dabei - es hat unglaublichen Spaß gemacht zu sehen, wie unterschiedlich sich eingebracht wurde. Ohne diese Proteste ist Friedhofsstille.

  • Ist nett gesagt:

     

    "Zug um Zug. Im Zehnertakt bei jeder politischen Beratung und Entscheidung: ... Drei... Drei... Und vier für das ... Ausgeschlossene. Danach sind keine Krawalle mehr nötig."

     

    Wie willst Du das erreichen:

    - Durch Hinnehmen des Bestehenden? Weiterem Verharren in Passivität und Ohnmacht?

    - Durch Warten auf die große Krise, den großen Zusammenbruch?

     

    Was willst Du tun gegen die "Verbände auf dem Marsch"?

     

    Wenn Du wenigstens der Enklavenbildung, der Gegenöffentlichkeit und Gegenmacht (z. B. im Sinne von Marcus) das Wort reden würdest!

  • Ein Haufen Scheisse.

    Damals,

    heute,

    morgen.

  • "Ein älterer Mann ... muss weit ausholen, bevor er auf den Punkt kommt."

     

    Wie wahr.

     

    Wenn der alte Mescalero denn überhaupt auf den Punkt kommt, der, wenn ich ausnahmsweise mal etwas richtig verstehe, ein Beratungs- oder Entscheidungsfindungssystem nach dem Schema 3-3-4 sein soll.

     

    Liegt das schon gemeinschaftskundebuchkompatibel als Infografik vor, mit bunten Flächen und Pfeilen, im Hintergrund viele stilisierte Köpfe? Haben sich schon App-Entwickler gemeldet? Gibt's schon Pilotprojekte?

     

    Dumm gelaufen, die Weltgeschichte, richtig schade, was hätte aus uns werden können, wenn wir einfach immer 3-3-4 beherzigt hätten!

  • Naja, dass das Ende naht, wird uns schon seit fünfhundert Jahren erzählt, auch dass es diesmal wirklich ernst sei.

    Dass heute die Katastrophe da sei, die sich "damals" ankündigte, ist ein romantischer Blick zurück. Terror einst wie heute, sich damit auseinandersetzen will niemand so recht, lieber wird geschwurbelt....

  • "Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus." (Ignazio Silone, 1900 - 1978, italienischer Sozialist)

  • Mit Verlaub Mr. Mescalinero.

    Laß ich mal den Streit der selbsternannten Häuptlinge &

    Diese selbstgefällige Durchblicker Überhebung entgegen

    Kurt Tucholskys "laßt sie doch ihren Weichfraß fressen" - oder anders -

    (Woher diese im Trockenen sitzende

    ungefragte - dreiste Aufnötigung?- kerr?

    Wie - mit Verlaub - reaktionär-billiger Wichs -

    Ist das denn - hm?!)

     

    Nu. Laß ich mal all dess gar nicht so klammheimlich beiseite - wa!

    Bleibt mir deutlich anders - auch&vorallem als all die ach so

    Abgefeimt-verlogenen dreisten Politikasterverlautbarungen -

    Als Resümee des von mir Erfaßten - mit Harry Mulisch -

    "Das Chaos hinter der Chinesischen Mauer

    Ist mindestens so groß wie das hinter der -

    Chinesischen Mauer!"

    Da mähtste nix.

    Normal.

    • @Lowandorder:

      ERRATA - &

       

      Mist - "wie vor der Chinesischen Mauer - muß es heißen - auch klar!

      Newahr!

      • @Lowandorder:

        Nee, am Fischmarkt war Party.

        • @Pele :

          ;)) - but -

           

          Ob dieser Partylöwe - "& unser einziger

          Itellellie" - Party unter Chaos gezählt hätte¿!;) - Who knows!

          Sicher aber - entgegen allen bösen

          Gerüchten - HH - is man mehr als'n -

          Fischmarkt!

          Schonn. Doch Doch.

  • sehr schön, gefällt mir richtig gut. Vor allem die Passage zur Selbstgewissheit, die mich von den heutigen "Linken" bzw. deren Wortführern vertrieben hat.

    • @Dr. McSchreck:

      Kiek die dat an!

       

      'n Anwalt - der nix zu klagen hat!

      Was ein selten weißer Rabe!

      Nich das das einreißt - Alter! &

      Wir noch was raustun müssen - wa!

  • Das Problem der Linken ist doch, dass die Herrschenden sie nicht mehr für voll nehmen. Sie sind keine ernstzunehmenden Gesprächspartner mit ihrem ewigen Besserwissen aber nicht Bessermachen.

     

    Solch Ignoriertwerden macht natürlich wütend bis zur Raserei. Trotzdem ist einen brennende Schanze in HH den Vertretern von G20 so ziemlich egal. Die ganze Diskussion jetzt, ob Linke Schuld auf sich geladen oder lieber die Polizei, ist doch nur eine Ersatzhandlung, eine Masturbation, damit der innere Druck weg geht. Irgendeine Art von (Klassen)Kampf oder Auseinandersetzung hat doch gar nicht statt gefunden. Statt dessen weiß jetzt jeder Hamburger, dass Linke nur Chaoten sind.