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Unter einem Dach mit einem FlüchtlingKarim, ich muss dich abschieben

Unser Autor hat einen Flüchtling bei sich aufgenommen. Doch nun ist er genervt und fragt sich: Bin ich ein selbstgerechter Erste-Welt-Sack?

Willkommenskultur: Die Mühen der Ebene Foto: dpa

Ich möchte mit Ihnen nur eine Woche bleiben.“

„Bitta tötet mich nicht hier.“

ausgezeichnete taz

Der taz-Autor Hannes Koch wurde für diesen Text mit dem Theodor-Wolff-Preis 2018 in der Kategorie „Thema des Jahres: ‚Heimat und die Fremden‘“ ausgezeichnet.

Weitere ausgezeichnete taz-Texte finden Sie hier.

„Ich schwöre ich sterbe.“

„You killed me.“

Diese WhatsApp-Nachrichten hat mir Karim geschickt. Er ist 21 Jahre alt, Flüchtling aus der Stadt al-Bab in Nordsyrien. Seit fast einem Jahr lebt er bei uns zu Hause.

Karim und ich sind ineinander verhakt, es geht nicht vor und nicht zurück. Ich will, dass er geht.

Gerade habe ich ihn zu der Wohnung gefahren, in der ich für ihn ein WG-Zimmer gemietet habe. Jetzt sitze ich vor der Tür im Auto. Karim und ich kämpfen miteinander per Kurznachricht. Gehe ich wieder hoch, nehme ich ihn wieder mit? Ich fürchte, dass er sich etwas antut. Oder macht er nur Druck? Diese Geschichte muss ein Ende haben.

Ich kann nicht hier. Nun ist die Krankheit zurück. Jetzt habe ich sterben. Ich bin Atemnot

Vor ziemlich genau einem Jahr ruft mich meine 19-jährige Tochter im Büro an. Sie habe im Club einen Flüchtling kennengelernt, der ein Bett brauche. Ja, sage ich, geht. Für ein paar Tage. Ob ich diese Einschränkung hinzugefügt oder nur gedacht habe, weiß ich nicht mehr. Als ich zu Hause eintreffe, hat meine Tochter in einer Ecke ihres Zimmers eine Matratze hingelegt und bezogen. Kiste daneben, Leselampe drauf. Ihren Bruder hat sie nicht gefragt. Mein 16-jähriger Sohn ist eben aus der Schule gekommen und unterhält sich mit Karim.

Viele im Merkel-Fanclub haben jetzt „einen Syrer“

Karim ist schüchtern. Wir sind schüchtern. Er setzt sich im Wohnzimmer auf die Kante des Sofas, wischt auf seinem Smartphone rum. Ich bitte ihn in die Küche, wir sitzen am Tisch. Er erzählt von al-Bab, damals Gebiet der IS-Kämpfer. Zum Fastenbrechen 2015 verließ er sein Elternhaus, um Lebensmittel einzukaufen. Als er zurückkam, fand er nur noch Trümmer. Eine Rakete hatte eingeschlagen. Mutter, Vater und sein kleiner Bruder – tot.

Nach der Beerdigung haute Karim ab, durch die Türkei, Schlauchboot nach Lesbos, Balkanroute, Deutschland, eine Kleinstadt bei Berlin. Er zeigt Fotos von seinen Verstorbenen. Was gibt es da zu sagen? Wir gehen in einen Biergarten, um etwas zu essen. Unterwegs hebt er ein Papier vom Bürgersteig auf und wirft es in einen Mülleimer. Patenter Typ, denke ich.

Ich finde richtig, was ich tue. Ich fühle mich gut. Ein halbes Jahr dauert der große Run da schon an. Eine Million Flüchtlinge. Zu helfen erscheint naheliegend und nötig.

„Wie lange kann ich bei euch bleiben?“, fragt Karim nach ein paar Tagen. „Bis wir eine Wohnung für dich gefunden haben“, antworte ich. Abends bin ich bei Freunden eingeladen. Viele haben jetzt „einen Syrer“. „Unser Flüchtling hat gestern …“ – so beginnen die Erzählungen. Wir sind der Merkel-Fan-Club, obwohl wir nicht die CDU wählen.

Bürokratisch bestens versorgt

Im Land Brandenburg, angeblich Dunkeldeutschland, wurde Karim bürokratisch bestens versorgt. Er hat eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis, einen Personalausweis, einen Reisepass für den Schengenraum, eine Krankenversicherungskarte, Hartz IV. Und er darf arbeiten. Weil das Flüchtlingswohnheim, in dem er anfangs lebte, umgebaut wird, braucht er eine neue Bleibe. Wir melden ihn bei uns in Berlin an.

Sein Sprachunterricht beginnt jeden Tag um 13.30 Uhr. Bevor ich morgens ins Büro fahre, wecke ich Karim. Er steht kurz auf, legt sich dann wieder hin. Komme ich nachmittags nach Hause, liegt er ebenfalls im Bett. Er schläft und schläft. Zwischendurch schaut er stundenlang in sein Smartphone, um Kontakt zu seiner verlorenen Welt zu halten, zu seinen Onkels, Tanten, Cousins, Cousinen und Freunden, die ebenfalls auf der Flucht sind.

Flüchtlinge willkommen

Deutschland: 2015, als Karim aus Syrien flüchtet, kommen rund 900.000 Flüchtlinge nach Deutschland.

Brandenburg: Karim und etwa 28.000 andere Asylbewerber landen in Brandenburg. Nach spätestens sechs Monaten müssen sie das Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt verlassen. Syrer ziehen meistens schon nach wenigen Wochen weiter, weil sie gute Chancen auf ein Bleiberecht haben. Sie werden auf die Landkreise verteilt, wo sie in Gemeinschaftsunterkünften oder Wohnungen leben.

Berlin: Doch der Wohnungsmarkt ist besonders in Großstädten angespannt, und viele Flüchtlinge finden keine Wohnungen. In Berlin leeren sich erst ab 2017 die Turnhallen. Initiativen wie "Flüchtlinge willkommen" und "Initiative Solizimmer" vermitteln private Zimmer. Wie viele Flüchtlinge wie Karim privat aufgenommen wurden, ist nicht bekannt.

Er ist ein Sanfter, der den Harten gibt. Er trägt Armeehosen, fingerlose schwarze Handschuhe, an der Halskette einen stilisierten Säbel aus Blech, das Schwert Mohammeds. Ins Fitnessstudio geht er regelmäßig. Gerne postet er auf Facebook Fotos von seinem Sixpack, worauf er Hunderte Likes erhält. Freitag- und Samstagnacht feiert er durch. Er findet nette Kumpels, die mit beiden Beinen im Leben stehen und ihm helfen.

Mir bringt Karim ein bisschen Arabisch bei. Er erzählt von seinem Leben in Syrien, von den großen Familien. Man sei immer unter Verwandten und Freunden, ständig komme jemand zu Besuch. Er wundert sich über unser Alleine-Leben. Ich wohne in Berlin-Kreuzberg, meine Exfrau in Schöneberg. Unsere beiden Kinder sind eine Woche bei mir, eine bei ihr. Unseren Flüchtling tauschen wir im entgegengesetzten Rhythmus, weil weder sie noch ich ein extra Zimmer haben. Gemeinsam sind wir seine Ersatzfamilie.

Karim verhält sich wie unser Kater: essen, schlafen

Die Arabisch sprechende Psychologin, die wir um Hilfe bitten, attestiert Karim eine Traumatisierung und Depression. Er schläft schlecht, klagt über Albträume, die Bilder aus dem Krieg verfolgen ihn. Manchmal, wenn man ihn morgens weckt, schreckt er auf und sitzt kerzengerade im Bett. Sie sagt, wir müssten ihm Zeit geben, bis er zur Ruhe kommt. Ein langwieriger Prozess: Per Smartphone erfährt er, wenn wieder ein Cousin oder eine Tante in Syrien getötet wurde. Dann weint er. Ich lege meinen Arm um ihn und frage mich, ob es nicht besser wäre, den Kontakt zu seinem früheren Leben so lange abzubrechen, bis er neuen Boden unter den Füßen hat.

Ich lerne ihn kennen, seine Marotten ebenfalls. Die Zuckerdose steht immer in seinem Zimmer. Die Klobrille ist nass, weil er statt Papier Wasser benutzt. In der Dusche verstopfen seine schwarzen Haare das Abflusssieb. Nasse Handtücher wirft er in den Wäschekorb, wo sie vor sich hin modern. Gerne lässt er die Waschmaschine für vier Socken und drei Unterhosen laufen. In den elf Monaten bei uns macht Karim zweimal die Wohnung sauber. Ich sage ihm, was mich stört. Es ändert sich wenig.

Religion interessiert ihn kaum. Nur selten breitet er, um niederzuknien, sein Tuch auf dem Boden aus. Seltsamerweise betet er nicht Richtung Mekka, sondern gen Süden. Ich mache Witze darüber. „Du bist ein Freizeitrassist“, empört sich meine Tochter. „Und du hast gut reden“, sage ich. „Du hast den Typen angeschleppt, aber Mama und Papa erledigen die Arbeit.“

Eines Tages riecht es ganz elegant in unserer Küche. Ich gehe zum Badezimmerschrank und stelle fest: Karim hat mein Superteuerparfüm schon halb geleert. Er macht mir vor, wie die Mädchen vor Verzückung an seinem Hals hängen. Ich rege mich entsetzlich auf. Zahnbürste, Deo, Parfüm – privat! Muss man das wirklich erklären? Zwei Tage später benutzt er wieder mein Parfüm. Ich drohe, ihn rauszuschmeißen.

Eine Frage der Selbstachtung

Als ich ein Wochenende verreisen will und Karim allein zu Hause bleibt, ordne ich an: Keine Party! Nach meiner Rückkehr finde ich Plastiktüten mit leeren Flaschen im Abstellraum. Karim erklärt: draußen gesammelt wegen Pfand. Wir fahren sie zum Supermarkt. Später erzählen mir Nachbarn, dass Karim einen Haufen Leute eingeladen hat und sie ihn bitten mussten, die Musik leiser zu drehen.

Es kommt selten vor, dass ich rumschreie. Nun passiert es. Weil Karim mich verarscht. Das kann ich mir von einem Erwachsenen, mit dem ich zusammenwohne, nicht bieten lassen. Es ist nicht nur eine Frage der Selbstachtung, sondern auch der Sicherheit. Mein Porte­mon­naie liegt offen herum, meine Bankkarten, im Notizbuch stehen die Zugangscodes zum Konto. Zur Strafe für den Vertrauensbruch schicke ich Karim weg: „Morgen kannst du wiederkommen.“ Meine Exfrau findet das angemessen.

Haben sich meine Kinder nicht ebenfalls manchen Scheiß geleistet? Bin ich ein selbstgerechter Erste-Welt-Sack, der sich nur gut fühlen, aber seine Komfortzone nicht verlassen will? Vielleicht.

Warum geht mir Karim allmählich so auf die Nerven? Ein Teil der Antwort: Seit bald zwei Jahren lebt er in Deutschland und steckt zum dritten Mal im Anfänger-Deutschkurs A1. Seine Sprachkenntnisse sind armselig. Hausaufgaben machen? Fehlanzeige. Er findet, er spreche schon ganz ordentlich. Ich: „Nein, du sprichst scheiße Deutsch. Ich kann nicht normal mit dir reden.“ Ich werfe ihm ein paar schnelle Sätze hin, um zu demonstrieren, dass er nichts versteht. Er versteht nichts. Ich fühle mich schlecht. Wahr bleibt dennoch: Karim ist stinkfaul. Er verhält sich wie unser Kater: Nahrungsaufnahme, schlafen.

Man könnte diese Geschichte so lesen: Eine Million Flüchtlinge kamen nach Deutschland, staatlicher Kontrollverlust, gesellschaftliche Überforderung, der Terror reiste mit ein. Jetzt, anderthalb Jahre später, bemerken wir die Konsequenzen auch im privaten Umfeld. Die Deutschen wachen endlich auf.

Nein. Ich würde wieder einen Flüchtling aufnehmen. Vielleicht aber würde ich ihm gleich am Anfang sagen: Vier Wochen Probezeit, dann entscheide ich, wie es weitergeht mit uns. Das mit Karim und meiner Familie ging schief. Trotzdem bleibt richtig, was im Sommer 2015 auch schon richtig war: Deutschland und Europa müssen Flüchtlinge aufnehmen.

Sie haben sich reingekniet

Viele Freunde und Bekannte haben bessere Erfahrungen gemacht: Zwei Nachbarinnen beherbergen einen afghanischen Jungen, den die Regierung abschieben wollte. Nun macht er den mittleren Schulabschluss. Ein Freund hat einen jungen Mann aus Kamerun so weit unterstützt, dass dieser nun eine Ausbildung zum Busfahrer absolviert. Und wir kennen einige Syrer, die mittlerweile passabel Deutsch sprechen, in eigenen Wohnungen leben, ihren Weg gehen. Ihnen ist gemeinsam: Sie haben sich reingekniet und den Arsch zusammengekniffen.

Karim belügt mich mehr als ein Mal. „Warst du heute bis 14 Uhr in der Schule?“ – „Ja, natürlich.“ Ein paar Tage später erfahre ich: Er nimmt sich regelmäßig die Freiheit, um 12 Uhr den Unterricht zu verlassen. Wieder und wieder reden wir mit ihm. Deutsch lernen – wichtig! Sonst keine Arbeit, kein Geld, keine Chance. Er sagt immer nur: Ja, ich lerne mehr. Mein Vorrat an Mitleid erschöpft sich. Wie lange soll das alles dauern? Ein Jahr, zwei Jahre, drei? Wie lange soll ich ihm noch die Formulare ausfüllen?

Als meine erwachsene Tochter auszieht, nimmt sie ihr Meerschweinchen mit. Den Syrer lässt sie da. Mein Sohn macht in diesen Wochen Abitur. Ich habe zwanzig Jahre Erziehung geleistet. Das war eine schöne Sache. Aber jetzt bin ich 55. Wenn ich nochmal eine Wohngemeinschaft aufmache, möchte ich mir die Mitbewohner selbst aussuchen.

In seiner Kolumne im Spiegel schreibt Jakob Augstein, „die Identität muss gegen die Migration errungen werden“. Er plädiert für den „Schutz der Heimat“. Starke und seltsame Gedanken für jemanden, der sich für links hält, besonders in dieser Wortwahl. In Augsteins Gedanken stecken jedoch Fragen, die ich mir während der Zeit mit Karim auch stelle: Was müssen Flüchtlinge hier leisten, was sollen wir, die Alteingesessenen, ihnen abverlangen, wie viel Integration fordern wir?

Phlegmatisch oder traumatisiert?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière schreibt in seinen Thesen über die „Leitkultur für Deutschland“: „Wir sehen Bildung als Wert“. „Wir fordern Leistung“. Ich mag den Begriff „Leitkultur“ nicht und finde den Katalog von de Mai­zière größtenteils schräg. Aber der Minister hat auch einen Punkt: Wenn Karim sich mehr anstrengen würde, käme er in diesem Land besser an.

Wie lange tolerieren wir also sein Phlegma? Auf unsere Bitten reagiert er nicht. Traumatisiert? Ja, meinetwegen. Aber eben auch faul – und verwöhnt. Wahrscheinlich regelte Mama in Syrien alles. Und normalerweise hätten seine Eltern auch eine Ehefrau gesucht, die dann alles macht. Aber dieses Modell funktioniert bei uns nicht.

Meine Familie und ich fühlen uns zunehmend überfordert, werden ungeduldig. Er geht uns auf die Nerven – und wir ihm. Unterhaltungen zu Hause finden kaum noch statt. Wir versuchen, uns in der Wohnung möglichst wenig zu treffen. Eine Freundin, die zu Besuch kommt, sagt: Bei euch ist es wie in einer zerrütteten Ehe.

Der sozialpsychiatrische Dienst des Bezirksamts kann uns nicht helfen. Ja, Karim sei traumatisiert. Nein, Plätze in betreuten Wohngemeinschaften stünden für Flüchtlinge nicht zur Verfügung. Wir fassen den Plan, dass er Ende März dieses Jahres ausziehen soll. Das heißt: wochenlange Wohnungssuche. Schließlich entdecken wir diese Internetseite, eine Art Airbnb für WG-Zimmer. Wir buchen eine Unterkunft ab 1. April.

Karim lehnt ab. Mit fünf fremden Menschen wolle er nicht zusammenleben. Außerdem sei die neue Wohnung zu weit von seiner Sprachschule entfernt. 25 Minuten mit der S-Bahn.

„Am Freitag holen wir den Schlüssel und am Samstag schaust du dir die Wohnung an“, sage ich. „Nein“, sagt er, „ich gehe jetzt.“

„Wohin?“

„Berlin ist groß.“

Er geht in sein Zimmer, ändert sein Profilbild auf WhatsApp: Man sieht ihn auf der Erde liegen, zugedeckt mit einem roten Handtuch, zwischen zwei Gräbern. Das müssen die Gräber seiner Eltern sein. Vor ein paar Wochen hatte er das Foto seiner Mutter als Profilbild, dann das seines getöteten kleinen Bruders.

Er packt seine Sachen. Ich nehme seine Schlüssel an mich. Große Plastiktüte, zwei kleine Koffer, seine Umhängetasche, so steht er im Flur. Danke für alles, sagt er, dreht sich um, geht.

Er ist so plötzlich weg, wie er gekommen ist. Schlechtes Gewissen? Vor allem bin ich erleichtert, ziehe das Bett ab, werfe seine Joghurts und die Zahnbürste weg.

Am nächsten Tag ist er wieder da. Er hat die Nacht im Park verbracht. Wir nehmen ihn nochmal auf, nachdem er uns versprochen hat, am nächsten Samstag wirklich umzuziehen. Er sagt: „Ihr seid meine Familie, in Syrien habe ich keine mehr. Ich bin glücklich bei euch.“ Er weint, schleicht in sein Zimmer.

Küche und Bad sind dreckig

Samstag, ein warmer Frühlingsnachmittag: Ich lade Karims Sachen ins Auto. Wir fahren nach Wilmersdorf zu seiner neuen WG. Ordentliches Haus, dritter Stock, große Wohnung. Das Zimmer, das wir gemietet haben, ist okay, Küche und Bad aber sind dreckig. „Das ist scheiße“, sagt Karim, „wenn ich hier bleibe, sterbe ich.“ „Drei Stunden putzen, Müll runterbringen, und es sieht gut aus“, sage ich.

Sein Blick wird leer, er sackt auf einen Küchenstuhl, springt wieder auf, nimmt ein Messer und spielt damit an seinem Handgelenk herum. Mir wird anders. Gleichzeitig denke ich: Wenn ich ihn jetzt wieder mitnehme – wie soll das mit uns jemals enden? Ich ziehe die Tür hinter mir zu und gehe.

Im Auto vor dem Haus werde ich unruhig. Was, wenn ich in die Gerichtsmedizin gerufen werde, um Karim zu identi­fizieren? Kann ich damit leben? Ich schreibe ihm: „Was machst du?“

„Ich kann nicht hier.“

„Nun ist die Krankheit zurück.“

„Jetzt habe ich sterben.“

„Ich bin Atemnot.“

30 Nachrichten dieser Sorte. Was mache ich jetzt? Wegfahren, Selbstmord riskieren? Er übt nur Druck aus, sage ich mir. Oder doch nicht? Woher soll ich das wissen?

Ich rufe die 112 an. Sieben Minuten später kommen zwei Streifenwagen und der Notarzt. Sie fahren Karim in die Rettungsstelle des nahen Krankenhauses.

Ein Psychiater nimmt sich eine Stunde Zeit, versucht herauszubekommen, warum Karim nicht in die neue Wohnung ziehen will. Karim sagt, seine bösen Träume kämen zurück, sein Kopf würde explodieren.

Aus dem Arztprotokoll: „Der Patient sagt, dass er in der WG nicht bleiben könne. Es würde ihm dort zu schlecht gehen. Aufgrund der Sprachbarriere ist der genaue Grund nicht zu eruieren. Vermutlich im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dem Patient wird mehrfach eine stationäre Aufnahme angeboten. Er lehnt dies ab und sagt, er wolle dann lieber zurück nach Syrien gehen. Auch nach der Aufklärung über die Gefahr in Syrien sagt er, dass er dorthin zurückkehren wolle. Die Äußerungen haben gegenüber Herrn Koch erpresserischen Charakter. Von Suizidalität distanziert sich der Patient klar und glaubhaft. Kein Anhalt für akute Eigen- oder Fremdgefährdung.“

Die beiden letzten Sätze sind wichtig für mich. Wir verlassen die Notaufnahme. Ich sage Karim, er solle zu seiner Wohnung fahren, essen, duschen, schlafen, morgen könnten wir uns treffen. Er antwortet, er habe den Schlüssel weggeworfen. Das ist gelogen. Ich fahre nach Hause, alleine.

Heute, sieben Wochen später, haben Karim und ich sporadischen Kontakt. Wenn nötig, kümmern meine Exfrau und ich uns um die Bürokratie. Das WG-Zimmer, das wir immer noch bezahlen, scheint er nicht zu nutzen. Den anderen Leuten erzählt er, wir hätten ihn rausgeschmissen.

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65 Kommentare

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  • Eltern, die ihren faulen Sohn herauswerfen, damit er endlich erwachsen wird. Ich sehen kein Problem.

  • Sie sind sicher kein selbstgerechter Erste-Welt-Sack.

    Aber Sie sollten sich schon die Frage stellen, warum Sie sich nicht in Deutschland im Altenheim, in der Gereatrie, in Pflegeheimen oder in der Onkologie sozial betätigt haben.

    Da gibt es auch jede Menge traumatisierter, behinderter und schwer kranker Menschen.

    Vermutlich wären die sogar dankbar.

     

    Die Hysterie um die jungen männlichen Zuwanderer kann ich nicht völlig nachvollziehen - warum ist hier auf einmal die Hilfsbereitschaft so gross.

    Wollen die Deutschen an den Muslimen wieder gut machen, was sie an den Juden verbrochen haben ?

    • @ZurückzurVernunft:

      "Die Hysterie um die jungen männlichen Zuwanderer kann ich nicht völlig nachvollziehen - warum ist hier auf einmal die Hilfsbereitschaft so gross."

      Vermutlich liegt das daran das die oft aus Kriegsgebieten stammen.

      Wissen Sie was das ist - "Krieg"?

  • Rassistisch. Hmm. Darf man überhaupt keinen Menschen mit 'faulem Kater' vergleichen?

    Geht auch kein 'unser Sohn' oder 'unser Nachbar'?

    Wenn beides in Ordnung ist, aber nicht bei einem Syrer, dann wären Sie rassistisch, Gerda Abdalla.

    Denken Sie mal scharf nach!

  • Ich finde die Tier-Vergleiche (fauler Kater oder so) und die häufigen 'unser Flüchtling'-Bezeichnungen nicht gut! Sicher hätten Sie ihr Ansinnen und durchaus verständliches Problem auch ohne diese Äußerungen gut hinbekommen!

    Schade! Empfinde ich als rassistisch...

  • >>Viele haben jetzt „einen Syrer“. „Unser Flüchtling hat gestern …“ – so beginnen die Erzählungen.

    • @Liberal:

      Wieso fehlt denn hier der Rest?

  • Wie krass ist das denn!

     

    Da wird einem 21. jährigem die Familie genommen, Vater, Mutter, Geschwister, Verwandte, Freunde ..., die Heimat, das Lebensumfeld und der Psychologin fällt als Therapie auf die korrekte Traumadiagnose nicht mehr ein als "abwarten und Tee-trinken", also nichts tun.

     

    Und dann dieser unsägliche Vergleich mit einem immer auf dem Sofa rumfaulenzenden Kater ...

     

    Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

  • Klare Ansage und keine faulen Kompromisse, auch nicht mit sich selbst machen! Notfalls muss man Patriarchen, unabhängig von ihrer Herkunft und Hautfarbe, auch kräftig in den Allerwertesten treten!

     

    R.S.: früherer langjähriger Berufsausbilder, auch für psychosoziale, lern- und verhaltensgestörte (männliche) Jugendliche und junge Erwachsene.

  • Ja, vielen Dank für diesen überaus aufschlussreichen und ehrlichen Artikel. Im besten Sinn die "Hosen herunter gelassen".

    Willkommenkultur ja, aber leicht ist's nicht.

    Hat aber keiner versprochen, dass es leicht wird.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Der Artikel ist eine sehr interessante Beschreibung aus dem Mikrokosmos der privaten Aufnahme in eine Familie.

     

    Sicher kann ein Gutteil der Reibungspunkte genauso auch mit jedem anderen Jugendlichen auftreten. Es ist z.T sicher ein reines Generationenthema.

     

    Aber im Kleinen zeigen sich doch einige Punkte, Themen und Probleme, mit denen auch die Gesellschaft als Ganzes nun umgehen muss.

    Überträgt man die Erfahrung im Mikrokosmos "private Aufnahme/Familie" auf die Gesamtgesellschaft, kommt man doch zu sehr schwierigen Themen/ Fragestellungen:

     

    a) Die "Abschiebung" in die WG.

    Die war sicher "rechtswidrig", denn es liegt kein Verbrechen und keine Verurteilung zu einer Haftstrafe über 2 Jahren vor, was die Voraussetzung gewesen wäre.

    (Und auch das Parfüm und die unerlaubte Party würden da nicht hinreichen.)

    Ist für ein erfolgreiche Integration mehr nötig als „an die Gesetze halten“?

     

    b) Die Punkte aufgrund derer es Herrn Koch "zu viel" wurde mit Karim zusammenzuleben, sind in der Tat das, das, was "von Rechts" als Bereitschaft zum Einfügen in eine "Leitkultur" verlangt wird.

    Ist Herr Koch jetzt also ein stramm Rechter?

     

    c) Das "Abschieben" in die WG, das ist eigentlich das Äquivalent zu sicheren Schutzzonen in der Heimatregion. Schutz ja, aber nicht so hautnah, bei uns in der eigen Wohnung/im Land.

     

    d) Karim wurde keinerlei Familiennachzug verbleibender enger Verwandter in die Wohnung von Herrn Koch angeboten. Auch das kein "linkes" Vorgehen.

    Hätte Herr Koch Familiennachzug und Aufnahme in seiner Wohnung für zusätzlich 2-3 enge Verwandte anbieten müssen?

    Und zur Note eben weitere Zimmer dafür freimachen oder eine grössere Wohnung mieten müssen?

     

    e) Waren die Integrationsbemühungen von Herrn Koch insgesamt evtl. etwas halbherzig?

    Die Behandlung des Traumas, wäre das evtl. zusätzlich zur Finanzierung der Ausbildung der eigenen Kinder machbar, auch ohne irgendjemandem etwas wegzunehmen?

    • @82732 (Profil gelöscht):

      a) Bullshit.

      b) Auch, aber das sollte ich ausführen. Man hilft und wird ausgenutzt. Dann merkt man es und beendet das. Was daran ist bitteschön rechts ?

      c) Richtig. Wer hat denn jemals gesagt, dass Amazonas-Indianer hier in Deutschland für den Fall der Regenwaldvernichtung sicheren, am besten privat garantierten, Schutzraum beanspruchten können ?

      d) Sie haben einen Knall

      e) Ja, das schlimme Trauma. Ich war schon mal schwer depressiv, 4 Monate in der Klinik und hab versucht mich um die Ecke zu bringen. Bei Karim war keinerlei Suizid-Gefahr erkennbar. So schlimm kann das Trauma nicht sein. Aber iss ja schick, je traumatisierter, desto mehr wert ist der heimische "Flüchtling".

       

      Erbärmlicher Kommentar, Swiss.

      • @Stefan Zander:

        Ich vermute, THE SWISS hat seinen Kommentar ironisch/sarkastisch gemeint. Bei nicht gesprochenem Text kommt das leider nicht immer so gut raus.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @82732 (Profil gelöscht):

      Ich kann an Karims verhalten nichts erkennen was spezifisch Flüchtling ist, vielleicht kommt bei Syrern so ein verhalten gehäuft vor, aber das glaube ich nicht.

      Der Artikel zeigt nur, dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind, machen Dreck wie andere Menschen und teilweise sind sie problematisch, teilweise auch nicht.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        "Ich kann an Karims verhalten nichts erkennen was spezifisch Flüchtling ist, vielleicht kommt bei Syrern so ein verhalten gehäuft vor, aber das glaube ich nicht."

         

        Sehe ich anders, Problem der Zeit ist, dass es keine Götter mehr gibt, an die wir glauben können. Jeder, der einen Sinn für sein leben braucht, muss diesen selbst finden. Das ist bei uns noch relativ einfach. Man kann sich z.B. im Berufsleben selbst verwirklichen.

         

        In einem Land wie Syrien oder Afghanistan fällt die Perspektive auf Verwirklichung im Beruf ganz weg. Die Selbstfindung wird für junge Syrer und Afghanen - die in ihrer eigenen Gesellswchaft überflüssig sind - wegen der fehlenden Perspektive extrem schwierig.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Meine Info.-Empfehlung:

         

        Syrien verstehen.

        Geschichte, Gesellschaft und Religion.

        Von Gerhard Schweizer / Klett-Cotta

  • Alles was hier fehlte, war wohl professionelle, vor allem psychologische Beratung. Wer A sagt muss eben auch....

    ,und das B wurde bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen großzügig umgangen. Wo ist der Betreuer gewesen, der regelmäßig Karim kontaktierte, um so die aufnehmende Familie zu entlasten? Zur Integration traumatisierter Flüchtlinge braucht es mehr als ein Herz, ne warme Wohnung und ein Deutschkurs. Diese geschilderte Eskalation war vorprogrammiert und der Autor hat in seinem Machbaren völlig normal reagiert. Allein gelassen - Gewissensbisse sind hier nicht angebracht, weil es eben nicht anders ging. Der Staat hat geladen, doch die Musik nicht vollständig bezahlt.

    • @lions:

      Ja, das trifft‘s ziemlich gut.

  • Ich habe wirklich das Gefühl, das dieser Artikel sehr ehrlich geschrieben ist, so ehrlich, wie selten ein Journalist schreibt. Dafür ein Lob.

     

    Zum Inhalt möchte ich sagen, dass Migration, egal aus welchen Gründen, immer gern verharmlost und schöngeredet wird. Dieser Fall zeigt, dass man Migration immer sehr kritisch sehen sollte. Menschen aus ihrem Lebensumfeld zu reißen, aus ihrer Heimatsprache, Kultur usw. ist ein gravierender Akt, der stets zu hinterfragen ist. Vielen geht es in ihrer Heimat einfach besser und man sollte sie nicht gedankenlos weglocken. Was wiederum nicht heißt, dass man engagierte, wissensdurstige, tolerante Menschen abschrecken sollte. Zuwanderung definiert und vor allem in Maßen.

    Auch Augstein hat ausnahmsweise Recht: Identität ist wichtig, nicht um ihrer selbst Willen, sondern um den Versuchungen des falschen Abenteurertums und des romantsichen Zerrbilds "globales Dorf" zu widerstehen.

  • Danke für den Artikel. Er regt zum Nachdenken an.

  • Ich stehe dieser sog. Flüchtlingspolitik deutlich kritisch gegenüber.

    Trotzdem (oder deswegen) vermag ich in dieser Story keine irgendwie verallgemeinernde Tendenz sehen.

    Ich verstehe die Story auch gar nicht.

     

    Wäre dieser vom Autor aus wohlerwogenen Gründen eingeladene Gast kein Flüchtling hätte er ihn längst rausgeschmissen (ggfls einen anderen genommen). Er macht es nicht weil er eine irgendwie geartete Verplichtung verspürt.

     

    Mein Rat wäre: Diesen Faulpelz rausschmeissen und einen anderen als Gast nehmen. Er braucht da noch nicht mal strenge Suchkriterien anwenden. Andere Flüchtlinge werden ganz sicher andere Macken haben aber so ausgeprägt wie bei diesem - das ist schlicht unwahrscheinlich.

     

    Ich habe überwiegend mit Sudanesen zu tun gehabt. Bei denen ist wegen mangelnder Schulbildung Hopfen und Malz verloren. Aber: fleissig sind die genauso wie freundlich und anpassungswillig. Von den Gastfamilien habe ich keine Beschwerden gehört.

     

    Ein zu langer und überflüssiger Artikel dessen Scheinproblem durch gesunden Menschenverstand einfach zu lösen wäre.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Lassen Sie, Herr Koch, den Karim doch mal diese Geschichte lesen:

    " In der Anstalt: "Mein Leben ist nicht die Hälfte wert." TAZ von heute

    Vielleicht öffnet dies ein wenig sein Verständnis, dass es auch hier Menschen gibt, die enorm leiden und enorm gekämpft haben.

  • Ich hatte mal einen taz-Mitarbeiter, der nicht mal Miete gezahlt hat und dann einfach verschwunden ist. Kann ich darüber auch einen Jammer-Artikel bei euch veröffentlichen?

  • Frage an den Autor: Gab es für die Betreuung und Beherbergung seitens des Staates/der Stadt Gelder?

  • Interessanter Artikel.

     

    Meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage (die nach dem selbstgerechten Erste-Welt-Sack):

     

    Nein, das sind Sie nicht. Ich finde den Autoren sehr langmütig.

  • “Viele haben jetzt ’einen Syrer’“

     

    Ist es denn die richtige sozial- und gesellschaftspolitische Lösung in Deutschland und Europa, wenn vor allem nur der bürgerliche Durchschnitt sich der Menschen aus den Krisenregionen der Armut und des Krieges annimmt?

     

    Als Handwerksmeister stelle ich mir auch die Frage, nach der Verteilung der sozialen und materiellen Belastung in der Wohlstands- und Reichtumsgesellschaft. Zu meinen früheren Kunden gehörten Einzelpersonen und Paare, die jeweils über mehrere hundert Quadratmeter Wohnraum (nur) in Berlin verfügten. Dabei auch über Grundstücksgrößen auf denen man ganze Wohnkomplexe errichten könnte. In einem Fall verfügte der Einzeleigentümer sogar über seine eigene große Schwimmhalle.

     

    Nach unklaren statistischen Aussagen verfügen ein Prozent der Bundesbürger über rund dreißig Prozent aller Nettovermögen. Nach analogen Daten etwa zehn Prozent über rund 70 Prozent aller Vermögen. Dabei werden vierzig bis fünfzig Prozent der erfassten Bürger*innen ohne nennenswertes Eigentum bzw. ohne Vermögen ausgewiesen.

     

    Zugleich entnehmen wir Berichte über große Vermögen und Jahresdividenden für Hauptaktionäre in Höhe von vielen Millionen Euro. Ja, sogar von mehr als Hundertmillionen und aktuell bei den Quandterben von mehr eine Milliarde Euro von BMW als Jahresdividende.

     

    Da stellt sich schon die Frage nach der Lastenverteilung bei der Aufnahme von geopolitischen und wirtschafts-imperialistischen Krisen- und Kriegsopfern. Könnten doch die Quandts auf eigene Rechnung mehr als zehntausend Menschen aufnehmen und über Jahre deren Unterhalt, Wohnung und Ausbildung auskömmlich finanzieren!

  • Eine krasse Geschichte. Einerseits aus der Perspektive, dass ein Mensch seine Familie verloren hat, seinen Wohnort verlassen musste und unter PTBS leidet. Andererseits aus der Perspektive, dass viele Menschen sich unvorbereitet, etwas leichtfertig auf ein langes Zusammenleben mit unbekannten Menschen einlassen, ohne mögliche Schwierigkeiten in Betracht zu ziehen. Die Intension mag meistens eine gute sein - Menschen zu helfen. Das Konzept ist jedoch nicht nachhaltig, da viel Konfliktpotenzial sich im Verborgenen halten und zu schlechten Erfahrungen, nicht erfüllten Erwartungen oder gar Enttäuschungen beiderseits führen könnte. Mit der Aufnahme eines Menschen ist eine gute Tat leider noch nicht vollbracht, daher sehe ich eine intensive Vorbereitung sowie Planung (z.B. Plan B) als Voraussetzung für nachhaltige Hilfe. Sich im Vorfeld von professionell-arbeitenden Institutionen beraten lassen, wäre meines Erachtens ein guter Anfang. Bei der „trial and error“ Methode sollte man die Möglichkeit des Scheiterns in Kauf nehmen.

  • Beispiel:

     

    Etliche Bauern in Afrika können ihre Existenz wegen EU subventionierten Exporten (Obst/Gemüse) nicht behaupten. Das ist nicht der einzige Sektor auf dem Kontinent den Europa torpediert.

     

    Wenn einer von diesen Afrikanern dann nach Deutschland kommt nennt man ihn "Wohlstandsflüchtling"?!

    • @Kubatsch:

      Gegenfrage: Wer soll die notwendige sozialrevolutionäre Umwälzung in den Herkunftsländern vornehmen? Etwa die wirtschafts-imperialistische Bundeswehr? Oder der BDA-Wirtschafts- und BDI-Industrieverband?

       

      Meiner (Minderheiten-)Meinung nach, müssen die Menschen in den jeweiligen Krisen- und Armutsregionen selbst die notwendige soziale, ökonomische und ökologische Umwälzung und revolutionäre Abrechnung mit ihrer einheimischen (korrupten) m/w Oligarchie herbeiführen! Diese politische Arbeit können wir Wohlstandskinder in den Reichtumsmetropolen den Menschen in den Armutsregionen nicht abnehmen!

       

      Allerdings wäre es unsere Pflicht und Aufgabe, die Ursachen und die Verantwortung hierfür offen zu benennen und an der Quelle die Verhältnisse auch umzuwälzen!

      • @Reinhold Schramm:

        Richtig, beides ist notwendig.

        Die armen und unterdrückten Bevölkerungsmehrheiten in den meisten afrikanischen Staaten werden ihre korrupten Oligarchien nur selbst zum Teufel jagen können.

        Das ist aber nur möglich, wenn die jeweiligen Machthaber ihren Herrschaftsapparat nicht mehr finanzieren können, denn mit Feldhacken gegen Maschinengewehre gewinnen funktioniert auch bei großer Überzahl nicht.

        Das Dilemma (auch „Ressourcenfluch“ genannt) besteht aber darin, dass die Herrschenden in vielen afrikanischen Staaten zu ihrer Bereicherung primär gar nicht auf die Ausbeutung der lokalen Bevölkerung angewiesen sind. Sie beziehen ihr Geld durch den Verkauf von Rohstoffen nach außen.

        Ihnen den Geldhahn zuzudrehen bedeutet daher nichts weniger, als dass westliche (mittlerweile auch chinesische) Firmen von unseren Politikern gezwungen werden müssen, einen großen Teil ihrer Geschäfte mit diesen Staaten einzustellen. Anders wird es nicht funktionieren. Und das bedeutet wiederum, dass wir genügend Druck auf unsere Politiker ausüben müssen. Doch wie realistisch ist das?

        • @Ruhig Blut:

          DAS wäre, wie wir im "Wertewesten", auch vertreten durch die von uns zusammengewählten Regierungen unter "Fluchtursachen bekämpfen" verstehen müßten. Im politischen und wahlkampfstrategischen Mainstream wird unter "Fluchtursachen bekämpfen" momentan aber vorwiegend "Schlepper bekämpfen" verstanden. Die Schlepperei ist keine Ursache, sondern eine Folge.

      • 3G
        39167 (Profil gelöscht)
        @Reinhold Schramm:

        Das sehe ich auch so!

        Sind wir mit unserer Einschätzung in der Minderheit?

        Hier schon, das kann sein, ansonsten mache ich diese Erfahrung nicht.

    • @Kubatsch:

      Ich befürworte diese Politik der EU nicht.

      • @Reaktionär:

        Aber du ignoriest sie.

         

        Würdest du sie im Hinterkopf haben hättest du andere "Fragen" gestellt in deinem anderen Kommentar.

        • @Kubatsch:

          Trotzdem gebe ich Ihnen Recht, dass die Politik der EU geändert werden muss und der Vorteil der Großkonzerne und der Finanzindustrie nicht an erster Stelle stehen darf.

        • @Kubatsch:

          Ich denke eher umgekehrt. Ich verweise auch Sie nocheinmal auf den Film: https://www.youtube.com/watch?v=LPjzfGChGlE Gerade dieses Beispiel macht deutlich, dass die Frage von Ihnen nicht ignoriert werden darf. Gerade ist der neue Fischer Weltalmanach 2017 erschienen. Die aktuellen Bevölkerungs pronosen für den afrikanischen Kontinent sind: heute 1,2 Milliarden Menschen, 2050 ca. 2,5 Milliarden Menschen und 2100 ca. 4,5 Milliarden Menschen. Das Wohlstandsgefälle wird sich durch Massenmigration nicht lösen, da ab der Überschreitung einer gewissen Grenze unsere Sozialsysteme das nicht mehr hergeben. Man sollte da schöne Gefühle nicht mit Argumenten verwechseln, um es einmal etwas polemisch zu sagen.

          • 2G
            2097 (Profil gelöscht)
            @Reaktionär:

            Der YouTube Beitrag unterstreicht doch nur, dass den Menschen vor Ort geholfen werden muss. Aber solange dies nicht geschieht, werden immer Menschen hierherkommen. Und durch die Aufnahme dieser paar Flüchtlinge hier, ist der enorm großen zurückgebliebenen Masse an Menschen vor Ort immer noch nicht geholfen. So einfach ist das! Auch nur ein altes, bekanntes Umverteilungsproblem. Entweder Europa baut eine Mauer, damit man das Elend nicht mehr sieht und sich damit nicht mehr beschäftigen muss oder man nimmt eine Änderung der ausbeuterischen Strukturen, die von Europa und anderen westlichen Industrienationen massiv verursacht werden, vor.

            Linke Politik will halt keine Mauern bauen, sondern wie nun sogar die mittlerweile eher liberalen und weniger sozialen Grünen nun auch in ihrem 10 Punkte Plan anerkennen und schreiben:

            „Deutschland ist international ein verlässlicher Bündnispartner. Doch wir tragen derzeit mit Rüstungsexporten an Diktaturen und Krisenregionen zur Unsicherheit in der Welt bei. Deshalb beenden wir solche Exporte mit einem verbindlichen Rüstungsexportgesetz. Wir wollen nicht auf Kosten der Menschen in anderen Ländern Profite machen und Konflikte dort anheizen. Deshalb stärken wir mit fairen Handelsabkommen ökologische und soziale Standards weltweit. Wir wollen die Überfischung vor den Küsten Afrikas beenden und solche Agrarsubventionen streichen, die andernorts Landflucht und Hunger befördern. Der Kampf gegen die Klimaerhitzung ist auch ein Kampf gegen Fluchtursachen. Die beste Flüchtlingspolitik ist diejenige, die Menschen davor bewahrt, ihre Heimat verlassen zu müssen.”

            Quelle: https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/20170531_Zehn-Punkte-Plan_fuer_gruenes_Regieren.pdf

             

            Das wird selbstverständlich insbesondere nicht mit der FDP aber auch nicht mit der CDU/CSU möglich sein. Deshalb erübrigt sich Jamaika somit endgültig!

            • @2097 (Profil gelöscht):

              Wenn wir die gesamte Welt gerettet haben wird in Utopia sicher alles gut. Aber bis dahin müssen wir mit Realsimus die Zeit überbrücken. (Sorry heute leider keine Zeit mehr, morgen mehr dazu).

              • 2G
                2097 (Profil gelöscht)
                @Reaktionär:

                Gähn, wo genau war ich denn unrealistisch? Das können Sie doch besser, hoffe ich.

                • @2097 (Profil gelöscht):

                  Es war in der Tat in der Kürze etwas zugespitzt. Ich habe die Begriffe Utopie und Realität besonders im Hinblick auf die Zeitschiene der Verwirklichung der grünen (und es sind ja nicht nur die Vorschläge der Grünen, sondern auch Pläne, die z.T. auch auf internationalen Konferenzen von westlichen Regierungen und aus der UN heraus entwickelt und propagiert werden) Ideen. Das Problem wird sein, dass die sozialen, kulturellen, ökonomischen und (macht-)politischen Probleme in der Welt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit schneller zuspitzen werden als die möglichen positiven Effekte aus ihren Politikvorschläge greifen können. Insofern muss in der Zwischenzeit eine eher restriktive bis repressive Politik im Sinne des „Neorealismus“ (der ja nun auch schon nicht mehr so „neo“ ist) durchgesetzt werden. Denn wenn alles auseinanderfliegt werden sich die Pläne für mehr Gerechtigkeit, erneuerbare Energien und E-Mobilität auf sehr lange Zeit erst recht nicht durchsetzen lassen. Es sind ja so moralisch ummäntelte Begrifflichkeiten von linker Seite in die Welt gesetzt worden, nach dem Motto die Konservativen sind „ideologisch streng“ und die Linken „ideologisch fürsorglich“ ( http://taz.de/Expertin-ueber-sprachliche-Manipulation/!5359993/ ) und fordert man stringentere Maßnahmen wird man gleich mit dem rechten Flügel der AFD oder dem geistigen Niveau von Donald Trump gleichgesetzt. Ich appelliere bei den Grünen nur für etwas mehr pragmatische Flexibilität wie sie z.B. bei Herrn Boris Palmer. Sich moralisch gut fühlen (und ggf. zu sein) ist das eine, kurzfristige Lösungsorientiertheit (im Sinne eines Weiterfunktionierens der Gesellschaft und der Ökonomie) das andere. Ein gesundes Maß aus beidem zu finden wäre wünschenswert.

                  • 2G
                    2097 (Profil gelöscht)
                    @Reaktionär:

                    Wenn die Lösungsvorschläge menschenrechtskonform sind, habe ich kein Problem damit. Das sollte doch nicht so schwer sein bei den vielen Akademikern im Bundestag! Und bisschen anstrengen und dann klappt das schon mit menschrechtskonformen Lösungen, die auch im Sinne von Ökonomie und dem Weietrfunktionieren der Gesellschaft sind. Mauern bauen und Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen, kann daher keine Lösung sein. Ebenso wenig wie die alleinige Verantwortung einseitig den anliegenden Staaten zuweist!

  • Die Grundfragestellung ist auf alle Fälle bezogen keineswegs infam. Sie muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Für den Fall, den Sie genannt haben würde ein Status als Kriegsflüchtling ja durchaus anerkannt werden. Es ist aber nun mal eine Tatsache, dass auch falsche Angaben gemacht werden und dies muss geprüft weren. Und Zweitens, wenn man die Genfer Flüchtlingkonvention ganz streng auslegen wollte gilt Folgendes: "Voraussetzung für den Flüchtlingsstatus ist, dass die jeweilige Person eine international anerkannte Grenze überschritten hat. Menschen, die in anderen Landesteilen ihres Heimatstaates Zuflucht finden, fallen daher nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention und das UNHCR-Mandat. Für den Schutz von Binnenvertriebenen sind die jeweiligen Staaten selbst verantwortlich, die dieser Aufgabe aber häufig nicht nachkommen können oder wollen. Internationale Unterstützung erhalten Binnenvertriebene nur, wenn ihre Regierung dem zustimmt." ( http://www.bmz.de/de/themen/Sonderinitiative-Fluchtursachen-bekaempfen-Fluechtlinge-reintegrieren/hintergrund/definition_fluechtling/index.jsp ). Das bedeutet also solange irgendwo in dem Herkunftsland nicht geschossen wird und der potentielle Flüchtling dort Unterschlupf finden könnte, wäre man nicht einmal juristisch verpflicht ihn aufzunehmen. So weit würde ich nicht gehen wollen. Trotzdem sollte man diese Tatsache benennen und klarstellen, dass Deutschland bisher sehr kulant handelt.

  • "Haben sich meine Kinder nicht ebenfalls manchen Scheiß geleistet?"

     

    "Mein Syrer"

     

    Finden Sie den Unterschied bitte selbst!

  • Ich verstehe nicht genau, was der Autor erwartet hat und ich kann auch nicht erkennen, dass er angemessen geholfen hätte. Der Autor beschwert sich ja über die Lethargie von Karim und ich kann mir das menschlich zwar vorstellen, aber der Skandal hier ist doch nicht die Lethargie, sondern die offensichtlich völlig unbehandelte psychische Störung von Karim. Wenn die gesamte direkte Familie von jemanden ermordet wird ist eine posychische Störung nun wirklich extram naheliegend und hier ja auch scheinbar erkannt wurden. Dann tut der Autor hier aber so, als ob sich karim einfach nur mal ein bisschen aufraffen müsste, es nur "wirklich wollen muss". Das ist aber eben mit psychischen Erkrankungen eben nicht möglich und solcherlei "Motivation" ist da auch selten hilfreich. Das hat ungefähr den Charakter, einem depressiven menschen zu sagen "Lächel doch einfach mehr".

     

    Der Skandal ist, dass Karim nicht geholfen wird, seine psychische gesundheit wiederzuerlangen. Eine ambulante oder stationäre Behandlung ist hier offensichtlich dringend notwendig. Warum übernimmt der Staat hier keine Fürsorge?

     

    Und der Autor wäre besser beraten gewesen, wenn er eine adäquate Unterbringung mit psychischer Unterstützung von Fachkräften organisiert hätte. Aber dann hätte er natürlich nciht "seinen Syrer" gehabt.

    • @Dubiosos:

      "Ich verstehe nicht genau, was der Autor erwartet hat und ich kann auch nicht erkennen, dass er angemessen geholfen hätte."

       

      Ein unverständlicher Kommentar.

       

      Der Autor hat vor einem Jahr Karim, 21, bei sich zu Hause aufgenommen und kümmert sich seitdem um ihn, so gut er kann. Was ist angemessene Hilfe, wenn nicht das?

       

      Erwartet hat der Autor unter anderem, dass Karim sich ein wenig an der Hausarbeit beteiligt, seinen Deutschkurs besucht, ihn nicht anlügt, ... . Was sind angemessene Erwartungen, wenn nicht das?

       

      Ist Karim psychisch krank / traumatisiert, überfordert, unreif, faul, asozial, ... ? Warum schlagen Hilfe und guter Wille bei ihm nicht an? Das weiß der Autor ebensowenig wie seine Leser, das weiß wahrscheinlich niemand, und solche Fälle gibt es gar nicht so selten.

    • @Dubiosos:

      "Warum übernimmt der Staat hier keine Fürsorge? "

      Das ist ganz einfach: Karim ist keine Gefahr für sich selbst oder andere. Dann gibt es keinen Grund für Zwangsmaßnahmen. Wenn ich mit meiner Psychose lebenl, meine Depression aussitzen und meine Traumata nur mit mir selbst abmachen will, dann ist das meine persönliche Freiheit. Da hat sich der Staat glücklicherweise rauszuhalten.

       

      Abgesehen davon ist eine Psychotherapie gegen den Willen des Patienten nicht machbar.

    • @Dubiosos:

      Ganz so einfach ist es ja nicht, jemanden gegen seinen Willen in der Psychiatrie unterzubringen: wenn keine Selbstmordgefahr besteht und die Person sich weigert, dann geht nix.

  • Jakob Augstein, scheint mir, hat recht. Und gleichzeitig irrt er sich gewaltig. Migration ist nicht die einzige Erfahrung, gegen die Identität errungen werden muss. Auch Menschen, die nie irgendwo ein- oder ausgewandert sind, müssen um ihre Identität ringen. Manche tun sich dabei schwerer, andere leichter. Es ist wie mit dem Klavierspielen: Talent macht einen kleinen Teil. Der „Rest“ sind Umfeld, Anleitung und Übung.

     

    Ich weiß das, weil auch ich viele Jahre lang (und zum Teil mit frappierend ähnlichen Erfahrungen wie den hier geschilderten) „Erziehung geleistet“ habe. Genau genommen leiste ich sie immer noch. Oft ist, oft war das „eine schöne Sache“. Oft nur das Gegenteil davon. Meist war es einfach anstrengend. Und genau so oft war ich selbst anstrengend. Mehr als einmal bin ich an meine Grenzen gestoßen – und an die der anderen. Das hat nicht nur mit meinen Talenten, der (punktuell fehlenden) Anleitung und dem (nicht immer optimalen) Umfeld zu tun, sondern auch mit meinen Ansprüchen.

     

    Wir alle sind (mehr oder weniger) soziale Wesen, brauch den Kontakt zu anderen. Und die Anderen brauchen den Kontakt zu uns. Allerdings brauchen uns die Anderen nicht immer so, wie wir gerade sind – und auch ganz gerne bleiben würden. Zum Beispiel, weil wir Angst davor haben, ein eben erst mühsam hergestelltes Gleichgewicht wieder zu verlieren. Wenn uns die anderen nicht so gebrauchen können, wie wir gerade sind, fangen sie an, uns zu erziehen. Manchmal, wenn die Kompetenz fehlt, auch mit Erpressung. Wollen wir uns nicht erziehen lassen, gibt es unschöne Szenen.

     

    Zweierlei habe ich gelernt in all den Jahren: „Erziehungsarbeit“ ist keine Einbahnstraße. Und: Man erzieht niemals allein. Immer muss man auch mit dem Ergebnis von erzieherischen (Fehl-)Leistungen anderer umgehen. Kultur ist dabei ein Problem, wenn auch ein relativ kleines. Die größeren Probleme sind allerdings allgemein menschlicher Art. Aber das merkt man leider erst, wenn man vergleichen kann.

  • Es zeigt sich dass Flüchtlinge auch nicht anders sind als alle anderen Menschen. Die Story gleicht denen von manchen Kindern, die die Kurve nicht kriegen oder mancher verflossenen Liebe, die mit Suiziddrohungen erreichen den Auszug verhindern will. Dazu kommen dann noch Traumatisierung, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. Der ganz normale Wahnsinn.

    Gerade da wo Konventionen und Erwartungen nicht klar sind, sind klare Ansagen um so wichtiger. Hier hat Herr Koch dazu gelernt. Schämen muss er sich aber nicht - vielmehr Hut ab vor seinem Engagement.

  • Mal weg vom Einzelfall und paar Fragen um das Thema Kriegsflüchtling, Wohlstandsflüchtling, Integration und Leitkultur herum:

     

    1.) Handelt es sich bei der Einzelperson wirklich um einen Kriegsflüchtling oder doch um einen Wohlstandsflüchtling?

    2.) Für den Fall, dass es sich um einen „rechtmäßigen“ Kriegsflüchtling handelt, sollen wir (wer ist hier überhaupt wir?) ihm nach den vorgeschriebenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nur einen zeitlich begrenzten Aufenthalt gewähren oder ihn per sofort als potentiellen zu integrierenden Neubürger betrachten?

    2.1.) Für den Fall, dass von staatlicher Seite eine Politik betrieben wird, die den Flüchtling entgegen unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen zum dauerhaft hier lebenden Neubürger machen will (also ihn integrieren), muss da nicht zuvor der Wille der Mehrheit der hier bereits ansässigen Bevölkerung fair und ohne moralischen Druck abgefragt werden?

    2.2.) Wenn schon integriert wird, sollte dann auch eine über die Ordnung des Grundgesetzes hinausgehende (atmende, d.h. ständig zu überprüfende und anzupassende) Leitkultur definiert werden, die nicht zwingend rechtlich verpflichtend ist aber als kulturelle Bildungsaufgabe permanent an die „Neubürger“ herangebracht wird?

    3.) Handelt es sich nach Überprüfung der Asyl- bzw. Aufenthaltsanfrage um einen Wohlstandsflüchtling und nicht wie behauptet um einen Kriegsflüchtling wie schnell sollte dieser dann wieder abgeschoben werden?

    3.1.) Ist es wirklich machbar, wie einige Einwanderungsbefürworter sich wünschen auch jeden sog. Wohlstandsflüchtling zu integrieren?

     

    Zu Frage 3.1) ein interessanter 6-minütiger Film:

    https://www.youtube.com/watch?v=LPjzfGChGlE

     

    4.) Also muss, wenn schon keine Asylobergrenze (ist ja rechtlich problematisch) aber dann wenigstens eine „Integrationsobergrenze“ geschaffen werden und wie hoch soll diese ggf. sein?

    • @Reaktionär:

      Du stellst keine Fragen.

       

      Du reihst bloß identitären Inhalten Fragezeichen ans Satzende.

       

      Du willst keine Debatte führen sondern vorgefasste Meinung verbreiten.

       

      ...bist vorsichtiger als deine Vorgänger, das muss ich schon sagen.

      • @Kubatsch:

        Grundsätzlich ist ja jede Meinung erst einmal vorgefasst. Nur in einer Debatte, die auf Fakten basiert kann man ggf. seine Meinung ändern. Meinen Sie denn, dass ihre Ansichten, weil sie aus Ihrer persönlichen Sicht nicht vorgefasst sind unabänderlich und unangreifbar sind?

        • @Reaktionär:

          "Nur in einer Debatte, die auf Fakten basiert kann man ggf. seine Meinung ändern."

           

          Hehe...du machst es schon wieder:

           

          Du führst keine Debatte MIT mir sondern ein "diplomatisches" Zurschau stellen FÜR die Zuschauer.

           

          Dabei benutztst du rhetorische Mittel, siehe oben, um eine gute, versteckt völkische Show abzuliefern.

          • @Kubatsch:

            Ich kann bisher nur Motivunterstellungen heraushöhren. Welche von den oben gestellten Fragen ist denn nun konkret identitär oder völkisch?

    • @Reaktionär:

      1.) Familie wurde durch eine Bombe getötet, wird also wohl eher kein Wirtschaftsflüchtling sein.

       

      2.) Sie trennen, was nicht zu trennen ist. Sie erkennen ja selbst die völkerrechtliche Verpflichtung eines zumindest zeitlich begrenzten Aufenthalts an. Aber wie genau stellen Sie sich diesen ohne zumindest teilweise Integration vor? In Lagern eingepfercht, stupide vor sich hinhockend, bis die Fluchtursachen nicht mehr gegeben sind? Das ist die einzige Möglichkeit, einen zeitlich begrenzten Aufenthalt zu gewähren, ohne dass eine gewisse Integration nötig wäre.

       

      2.2) Es können sich ja noch nicht einmal die Deutschen untereinander auf eine Leitkultur einigen.

       

      3.) Definieren Sie "Wohlstandsflüchtling". M.E. ist das eine ekelhafte Bezeichnung, soweit sie auf Leute angewandt wird, die oder deren Kinder andernorts elendig verrecken würden.

       

      4.) Da auch bei Asylberechtigten wie erläutert eine gewisse Integration erforderlich ist, erübrigt sich diese Frage.

      • @sart:

        Ich habe auch nichts gegen "eine gewisse" Integration. Ich finde es nur falsch ohne Not mehr Rechte zu gewähren als völkerrechtlich verpflichtend ist, wenn man sich damit selber schadet. Es besteht übrigens die völkerrechtliche Pflicht z.B. Flüchtlingskinder während der Zeit des Aufenthaltes zu beschulen, dies führt schon einmal nicht zu Stupidität. Eine Beschulung finde ich auch vollkommen in Ordnung. "In Lager eingepfercht, stupide vor sich hin hockend" klingt etwas sehr drastisch. Man kann Leute auch vernünfig in Großunterkünften unterbringen und sie abwechlungsreich beschäftigen, wenn man denn will. "Wohlstandflüchtling" ist jemand, der seinen Wohnort aufgrund eines Wohlstandsgefälles wechseln will aber unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgibt ein Kriegsflüchtling oder Asylbewerber zu sein (auch, wenn dies menschlich verständlich ist). Es handelt sich m eine reine Tatsachenbeschreibung. An dem Begriff ist nichts ekelhaft. Ich weiß nicht ob Sie sich den Film angesehen haben: https://www.youtube.com/watch?v=LPjzfGChGlE Dort wird ja der offizielle Armtsbegriff der Weltbank für hoffnungslose Verarmung genannt aber eben auch aufgezeigt, dass bei mehr als 4,5 Milliarden Menschen auf den dieser Begriff zutrifft das Problem durch Migration nicht zu lösen ist, sondern vor Ort gelöst werden muss.

        • 2G
          2097 (Profil gelöscht)
          @Reaktionär:

          Linke Politik will halt keine Mauern bauen. Den meisten Linken ist halt nur klar, dass die Vorstellungen der reaktionären und von der Gesinnung her immer noch Pickelhaube tragenden Mitbürger, die womöglich eine Mauer errichten wollen, womöglich noch auf Flüchtlinge schießen wollen und aufgrund der Pickelhaube anscheinend auch nicht gegen Rüstungsexporte sind, diese politischen Ziele keine linken Ziele sind, zu denen man morgens die Internationale singt!

          Deshalb bleibt Linken halt nur das politische Ziel, die Strukturen so schnell wie möglich so zu ändern, dass sich vor Ort für die Menschen etwas verbessert. Doch die bisherigen Regierungen haben bisher auf diesem Gebiet sehr wenig bis gar nichts vorzuweisen. Und solange sich dies nicht ändert, werden die Menschen weiterhin hierherkommen.

          Eigentlich ganz einfach. Wenn sich an den Fluchtursachen nichts ändert, wird es weiterhin Flüchtlinge geben. Und das wird man nicht mit Mauern lösen oder mit einem Völkerrecht, was die alleinige Verantwortung einseitig den anliegenden Staaten zuweist!

    • @Reaktionär:

      Wenn die gesamte direkte Familie eines Menschen ermordet wird durch einen Kriegsakt ist die Frage, ob es sich um einen Kriegs- oder Wohlstandsflüchtling handelt, völlig absurd und infam.

      • @Dubiosos:

        Da ist gar nichts infam oder absurd. Zunächst mal stellt sich die Frage, ob die Behauptung überhaupt wahr ist.

         

        Und wenn die Behauptung wahr ist, dann stellt sich die Frage wie lange jemand wirklich noch KriegsFLÜCHTLING ist. Der Betroffene hat ja eine ganze Reihe von sicheren Ländern durchquert um nach Deutschland zu gelangen.

      • @Dubiosos:

        "völlig absurd und infam"

         

        Nein, gerade im Fall Syrien ist nämlich die fehlende Perspektive für viele Jugendliche zumindest Mitursache des Bürgerkriegs. Die Bevölkerung Syriens verdoppelt sich alle 25Jahre. Das führt zwangsläufig zu Auseinandersetzungen um den vorhandenen Wohlstand.

  • Depression ist eine Krankheit die schädliche Gedanken zur Gewohnheit werden lässt bis diese allgegenwärtig sind. Meiner Meinung nach verschlechtern sowohl Zwang als auch Apathie die Krankheit.

    Das beste ist vielleicht dem Kranken einfach etwas zu tun zu geben was er bewältigen kann und auch muss. Die Deutschkurse sind ja Teil einer zukunftsweisenden Gedankenwelt in die der Kranke überhaupt nicht vorstösst - ansonsten wäre er ja gar nicht krank. Struktur im ganz normalen Lebensablauf wäre wichtig gewesen, geregelter und nicht leerer Tagesablauf, das erarbeiten von Selbstdisziplin - zb bei der Fitness, das Leben wieder in die Spur bringen ohne darauf zu vertrauen dass dies sowieso passiert wenn dem Patient auf ein Ziel wie deutsch lernen vorgesetzt wird.

     

    Alles in Allem scheinen Sie nicht genervt vom Ausländer sondern genervt vom Kranken dem Sie nicht helfen können.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Habe Ihren Beitrag schon in der Wochenausgabe gelesen.

    Bleiben Sie stark! Anscheinend haben Sie einen Menschen bei sich beherbergt, der das nicht zu schätzen weiss und ausnutzt, Theater spielt und seine Umwelt manipulieren möchte.

    Gibts in jeder Kultur und da hilft nur, die rote Karte ziehen.

     

    Die Geschichte, die er Ihnen bezüglich seinen Erfahrungen und seiner Flucht unterbreitet hat, klingt für mich auch nicht stimmig.

    • @39167 (Profil gelöscht):

      Sich selbst kennen heißt Andere kennen.

      Offensichtlich hast du null Erfahrung mit Leben und das bischen Erfahrung ist durch kognitive DIssonanz geprägt.

      • 3G
        39167 (Profil gelöscht)
        @Kubatsch:

        Hallo Kubatsch,

        danke, für Ihren Kommentar. Ist sehr amüsant und aufschlussreich :-)

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Erwachsenwerden ist immer eine Herausforderung, schon ohne Trauma und Migrationshintergrund. In eine neue Normalität einzutreten, bedeutet den Strich gegenüber der alten zu ziehen. Pädagogik alleine, wie wohlmeinend auch immer, gerät dann schnell an ihre Grenzen.