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„Wir haben es satt“-Demo in BerlinTraktoren und Hühner gegen Bayer

Über 10.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin für eine Agrarwende. Eine Gegendemo von Bauern lockte hingegen nur wenige.

Keine Lust auf die Agrarlobby: Traktoren von „Wir haben es satt“ Foto: dpa

Berlin taz | Partystimmung am Potsdamer Platz: Hühner spielen Trompete, eine Trommelgruppe spielt Sambarhythmen und Sprechchöre fordern: „Hopp hopp hopp, Agrarlobby stoppen!“. Über 10.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin unter dem Motto „Wir haben es satt“ für den tier- und umweltgerechten Umbau der Landwirtschaft. Die Demonstration fand bereits zum siebten Mal statt. Anlass war der Beginn der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ am gestrigen Freitag in Berlin.

Besonders wichtig war es den Veranstaltern in diesem Jahr, gegen die Fusion von Bayer und Monsanto zu demonstrieren. Im Dezember vergangenen Jahres hatten die Monsanto-Aktionäre der geplanten Fusion zugestimmt – jetzt fehlt noch die Bestätigung der Kartellämter. Die beiden liefern zusammen rund 30 Prozent des kommerziellen Saatguts weltweit. „Wir sagen Nein zu der Fusion von Bayer und Monsanto, hier müssen die Kartellämter aktiv werden“, forderte Jochen Fritz von der Kampagne „Meine Landwirtschaft, Hauptorganisator der Demonstration.

Eine weitere aktuelle Forderung: Mehr Agrarsubventionen der EU für den Umwelt- und Naturschutz verwenden. „Wir fordern die Regierung auf, sich hier entsprechen zu bewegen. Bisher gibt es Ablehnung, vor allem vom Landwirtschaftsministerium“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die EU-Agrarsubventionen könnten bereits jetzt zu einem größeren Teil für artgerechte Stallbauten oder Wasserschutzmaßnahmen genutzt werden, so Weiger. Allerdings nutze die Regierung das Potential nicht.

Die Demonstration, an der laut den VeranstalterInnen 18.000 Menschen, KonsumentInnen und LandwirtInnen, teilnahmen, bewegte sich vom Potsdamer Platz durch das Regierungsviertel zum Brandenburger Tor. Vorneweg fuhr ein Zug von 130 Traktoren. Die Polizei ging von 10.000 bis 11.000 DemonstrantInnen aus. Dazu aufgerufen hatte ein Bündnis aus über 50 Verbänden, neben Landwirtschafts- und Tierschutzverbänden auch Umwelt- und NaturschützerInnen, sowie die globalisierungskritische Bewegung.

Am Morgen hatte vor dem Hauptbahnhof bereits eine Gegendemonstration stattgefunden. Unter dem Motto „Wir machen euch satt“, demonstrierten etwa 400 Menschen mit 20 Traktoren, vor allem aus den Bauernverbänden. Auf den Plakaten zu lesen: „Grüne Luftblasen machen nicht satt“ und, in Anspielung auf die gute Stimmung auf der anderen Demo: „Landwirtschaft ist nicht Party, Landwirtschaft ist Wissen und Können“.

„Wir wollen einen Kontrapunkt setzen zur ‚Wir haben es satt‘-Demonstration“, sagt Bernhard Barkmann, Landwirt aus dem Emsland und Mitorganisator. Dort würden die Landwirte pauschal verurteilt. „Wir fordern, dass dort nicht so eine Antistimmung gegen die konventionelle, industrielle Landwirtschaft und die Massentierhalter gemacht wird.“ Ein weiteres Motto: „Dialog statt Protest“.

Dazu sagte Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft auf der Abschlusskundgebung der „Wir haben es satt“-Demo: „Wir brauchen Dialog und Protest. Wenn die Menschen von der Gegendemo hergekommen wären, um mit den Demonstrierenden zu reden, dann würde ihnen klar werden, dass wir so nicht weitermachen können.“

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26 Kommentare

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  • Tatsächlich haben an der "Wir machen euch satt" Demo vor dem Hauptbahnhof ca. 400 Bauern mit etwa 40 Traktoren aus ganz Deutschland teilgenommen. Wer kann es sich als tierhaltender Bauer schon leisten seinen Hof und seine Tiere über Stunden und Tage zu verlassen und die Arbeit daheim durch Dritte erledigen zu lassen. Was dieser Beitrag - und auch andere Beiträge in den Massenmedien nicht berichten ist die Tatsache, dass zeitgleich mit der Berliner Demo Tausende von Bauern unter dem Motto "Wir machen euch satt" auf lokalen Demonstrationen im ganzen Land unterwegs waren! Warum wohl - weil diese Bauern und ihre Familien die Desinformation der Verbraucher über die bäuerliche Landwirtschaft durch viele Medien und die Polarisierung der AbL satt haben! Gerade die AbL mit ihren wenigen tausend Mitgliedern sollte nicht gemeinsam mit Organisationen in Berlin auftreten, die z.B. die Nutztierhaltung komplett ablehnen und so der Landwirtschaft und vielen bäuerlichen Familienbetrieben einen Bärendienst erweisen. Die AbL vertritt nur wenige Bauern und spricht sicherlich nicht für die bäuerliche Landwirtschaft in ihrer Gänze.

  • Auch ich habe es satt!

    Vor Jahren schon subventierten wir über die EU eine Riesenmassentierhaltungsfabrik für Hühner und sonstiges Federvieh in der Ukraine. Timoschenko ließ grüßen.

    Dann lutscht doch die knusprigen armen Viecher mit der leckeren Außenhaut!

    Vielleicht kann man auch vorher denken!!!

  • "Wir haben es satt," wie mögen diese Worte in den Ohren der Hungernden klingen? Übrigens, eine andere Landwirtschaft fordern, eine kapitalextensievere Landwirtschaft, in der Chemie und Technik durch Arbeit ersetzt wird, bei der auf Spitzenerträge verzichtet wird, ist in einen Land wie Deutschland mit hohen Kosten für Arbeit und Boden, sehr schwierig

    • @Bernhard Hellweg:

      "Wir haben es satt," wie mögen diese Worte in den Ohren der Hungernden klingen"

      Das ist wieder eines dieser Totschlagargumente ohne Hintergrundwissen.

      Durch Landraub der westlichen Megaagrarkonzerne weltweit werden Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt, die Abermilliarden Masttiere in den Ställen der Reichen fressen für dessen ungebremsten Fleischfreßwahn so viel Kalorien, daß man mit der gleichen Kalorienmenge ein vielfaches mehr Menschen ernähren könnte wenn diese hochenergiereichen Pflanzen die Menschen direkt essen würden.

      Wir stellen die Armen immer so dar als könnten diese nicht denken ( westliche Borniertheit ). Diese wissen sehr wohl daß Finanzspekulationen auf Nahrungsmittel, Landraub und die Futtermittelproduktion in den armen Ländern für unseres Billigfleisch sie in den Ruin treibt.

      Dagegen gehen die Menschen auch auf die Straße wie jetzt in Berlin. Man muß sich mit der Bewegung einfach mal objektiv auseinandersetzen.

      • @Traverso:

        So ist es. Dazu können Kleinbäuer_innen in einigen afrikanischen Ländern nicht mit den niedrigen Preisen deutscher subventionierter Nahrungsmittel konkurrieren. Des Weiteren werden Nahrungsmittel von dort hierher importiert, obgleich sie dort benötigt werden. Die Folge ist, dass die Wirtschaft vor Ort geschädigt wird und Menschen hungern.

        • @Uranus:

          Afrika produziert für seine Menschen viel zu wenig Nahrung, zusätzlich werde die Ernten bedingt durch den Klimawandel immer schwankender, die Zunahme der Bevölkerung tut ein übriges. Fazit:Afrika muss viel mehr Nahrung importieren als es exportieren kann und steht somit mit seinen überwiegend Kleinbauern direkt im globalen Markt. Afrikanische Länder könnten mit Zoll Maßnahmen ihre Kleinbauern schützen, aber wer will schon der überwiegend armen und landlosen Bevölkerung die Nahrungsmittel verteuern.

          • @Bernhard Hellweg:

            In Afrika werden von westlichen Agrarkonzeren hunderte Millionen von Tonnen an Kraftfutter für die Masttiere in Europa produziert. Das Land wurde den Menschen weggenommen da die Menschen keine Papiere auf Landbesitz haben. Eine alte afrikanische Tradition ist es nämlich das das Land den Menschen gehört. Wenn aber korrupte afrikanische Regierungen von europäischen Konzernen viel Geld bekommen dann dürfen die Konzerne produzieren. Wir Europäer essen in Form von Fleisch den Afrikanern das Essen weg. Das ist ein legales Wirtschaftsverbrechen schlimmster Form wieder auf Kosten der Afrikaner welches mit diversen Freihandelsabkommen (EPAs ) noch untermauert wird. Diese Unrecht muß beendet werden. Sie urteilen über Afrika in deutscher Überheblichkeit. Afrika kann sehr wohl genug Nahrung produzieren. Und braucht die ganzen Almosen für unsere Gewissensberuhigung aus Europa nicht. Und die ganze Überschussproduktion aus Europa auch nicht. Das betonen immer wieder Wirtschaftsfachleute aus Afrika. Dagegen wird in neokolonialer Manier Afrika von vor allem Europa ausgebeutet. Das Gleiche gilt für alle möglichen Rohstoffe. Warum kapieren das die Menschen und Politiker hier nicht endlich mal. Es ist einfach nur traurig wie schlimme Tatsachen ignoriert werden. Hauptsache das Schnitzel schmeckt und das Smartphone ist billig.

            • @Traverso:

              Also entweder lügen Sie bewusst oder haben keine Ahnung von der Thematik. Aus Afrika wird kein Gramm Getreide nach Europa exportiert, im Gegenteil kaufen gerade die nordafrikanischen Länder große Mengen Weizen aus Europa, insbesondere Frankreich.

              • @explicit:

                Na, Sie sind mir ja Einer.

                Einfach mal "Landraub in Afrika" bei Google eingeben und Artikel lesen.

                Das hilft bei der Weiterbildung.

                Oder glauben Sie auch an die "Lügenpresse" ?

          • @Bernhard Hellweg:

            "Afrika produziert für seine Menschen viel zu wenig Nahrung" - beim extrem rasanten Bevölkerungswachstum auf dem afrikanischen Kontinent wird es auch keine Besserung geben. Änderungen der globalwirtschaftlichen Bedingungen werden mittel- und langfristig keine bessere Ernährungssituation auf dem afrikanischen Kontinent bewirken können.

        • @Uranus:

          LeMondediplomatique 2017 der Konzernatlas!!!

          • @Pink:

            Was wollen Sie damit sagen?

            • @Uranus:

              Einmal, dass ich Ihren Kommentar sehr gut finde und zum anderen, dass in diesem Konzernatlas die Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie weltweit effizient berichtet wird. Sorry, wenn ich unvollkommen rüberkam gestern :-)

  • Ich erinnere mich, dass sich die Veganer in letzter Zeit auffallend häufig, z. B. in der TAZ, zu Wort meldeten und den völligen Verzicht auf ALLE tierischen Produkte predigten. Das hat immerhin eine gewisse Logik, denn dann müssen keine Tiere gehalten werden, und schon gar nicht massenhaft. Dann muss man sich auch keine Gedanken um artgerechte Tierhaltung machen.

     

    Doch wo sind die Veganer bei der „Grünen Woche“? Nichts ist von ihnen zu hören und zu sehen, obwohl sie dort am richtigen Platz wären. Und Frau Künast könnte mal wieder Werbung für ihren „Veggie Day“ machen!

    • @Pfanni:

      Es gibt 75 Aussteller mit veganen Produkten auf der Grünen Woche. Das sind nicht viele. Allerdings ist die Grüne Woche eine Präsentationsmesse der Industrie (Veganz z. B. ist deshalb vertreten...). "Die Veganer" von denen Sie sprechen, gibt es schonmal nicht (der Vebu war 2015 auf der grünen Woche). Und bei der TAZ werden sie wohl eher Individuen sehen als größere Organisationen die von sich aus schon ungeeignet sind, auf einer Industrie-Messe aufzutreten.

    • @Pfanni:

      Ein Engagement wäre ein wenig absurd, da auf der Grünen Woche ja gerade industrielle Nutztierhaltung angepriesen wird. Einige Veganer_innen protestieren vor Ort unter dem Motto "Grüne Woche demaskieren". Siehe: http://gruene-woche-demaskieren.de/

       

      Naja, und andere bringen ihre Position lieber auf Seiten der Biobäuer_innen ein und kritisieren dort die Tierhaltung. Damit legen sie den Finger in die Wunde der Biofleischerzeuger_innen auf der "Wir haben es satt Demo". Vielen geht es eben nicht nur um Veganismus bzw. Tierbefreiung sondern auch u.a. um Ökologie.

      • @Uranus:

        Was wäre denn "absurd", wenn Veganer*Innen auch an der "Grünen Woche" teilnehmen würden? Die Frage ist doch immer, was man daraus macht. Und dort geht es ja nicht nur um Tier- sondern auch um Pflanzenproduktion!

        • @Pfanni:

          Auch um ökologischen Anbau? Denn das war hob ich ja gleichzeitig hervor...

  • Hallo,

    war eine SuperDemo "Wir haben es satt... Viele junge Familien mit Kindern, Jugendliche und Ältere. Es hätten natürlich noch mehr sein können.

    Nun gut, vielleicht sind es nächstes Jahr mehr.

  • "Eine Gegendemo von Bauern lockte hingegen nur wenige" stimmt für Berlin. Allerdings hatte die zeitgleiche "wir machen euch satt" Gegendemo (ich sag jetzt nicht das ich die besser fand...) im Kreis Warendorf mit einer Sternfahrt zur Raiffeisenbank und Schlusskundgebung in Beckum mit 500 Schleppern mehr Trecker aufzubieten als die oben besprochene Demo in Berlin!

     

    Kommt halt nur nicht in die Tagesschau weils nicht in Berlin war.

    • @Waage69:

      Wäre besser gewesen, die Treckerfahrer wären mit der Bahn nach Berlin gefahren, in die Mitte der Gesellschaft, als in eigenen provinziellen Topf zu schmoren.

      "Stadtluft macht frei" - von Vorurteilen.

      • @Jandebuur:

        Über Sinn und Unsinn von Treckerdemos kann man streiten.

        Nur das Kosten/Öko Argument zieht nicht wie ich meine.

         

        In Berlin wollte man mit dem Treckerkorso eben Zeigen das auch Landwirte in den eigenen Reihen sind.

         

        Die Gegendemonstranten wollten demonstrieren, das man in der Lage ist mehr Schlepper aufzubringen und somit (noch) die Mehrheit der aktiven Landwirte hinter sich hat.

         

        Wie gesagt, Sinn und Unsinn...

         

        Ich persönlich bin mit dem Auto zur regionalen Gegendemo gefahren einfach um mir die Reden auf der Kundgebeung anzuhören. Wäre ich in Berlin gewesen hätte ich aus Interesse wohl beide Kundgebungen besucht - alles ohne Trecker...

    • @Waage69:

      500 Schlepper/Traktoren. Sehr beeindruckend. Vor allem beeindruckt mich der Dieselverbrauch. Sagen wir mal 15 L / Stunde, 3 Stunden, 500 Fahrzeuge. Macht ca. 1400 Liter Diesel. Das ist doch was, auf das man stolz sein kann.

      • @Berrichon:

        Dafür waren die "Gegendemos" aber dezentral.

        Die Berliner Traktoren hatten sicher eine weitere und aufwändigere Anfahrt durch Suburbia und City und die 10 000 Demonstranten mussten ja auch erst mal nach Berlin kommen. Ok - viele sind mit ÖPNV gekommen einige aber bestimmt geflogen, da wird man wohl insgesamt nicht mit 1400 Liter Sprit ausgekommen sein.

         

        Finde ich nicht schlimm - Demokratie und freie und kreativ vorgetragene Meinungsäußerungen sind eben mit einem gewissen Aufwand verbunden.

  • Die Landvolkgruppe Barkmann isoliert sich immer mehr von der Mitte der Gesellschaft und ihren Anforderungen an eine moderne Landwirtschaft, die Respekt vor Kollegen und Natur einfordert.