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Kommentar Polizei beim OSZE-GipfelUrbane Aufstandsbekämpfung

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Es werden kaum Proteste erwartet, dennoch kommen Tausende Polizisten zum OSZE-Gipfel. Der Staat wird sichtbar – als Repressionsapparat.

Der sichtbare Staat: Polizeipanzer in Hamburg Foto: dpa

D ie Idee, einen Gipfel wie den der OSZE mitten in Hamburg stattfinden zu lassen, ist heller Wahnsinn. Die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand: Seit Anfang der Woche lungern schwer bewaffnete PolizistInnen in dem Wohnviertel rund um den Tagungsort, fahren durch die Stadt und erkunden das Terrain.

Geschäfte, Schulen und Kitas, die in der Sicherheitszone rund um die Messehallen liegen, bleiben geschlossen. Das Erste, was man sieht, wenn man auf die Straße tritt, sind Polizeiwagen. Es gleicht einer Belagerung: Sondereinsatzkommandos zur Räumung bei Ausschreitungen sind dabei, Einheiten aus Sachsen und aus Bayern. Ein beklemmendes Gefühl.

Dabei hätte man den Gipfel problemlos an irgendeinem abgelegenen Tagungsort auf dem Acker stattfinden lassen können. Das hätte weniger Aufwand bedeutet, weniger Geld gekostet und den HamburgerInnen Nerven gespart. Dagegenzuhalten, dass sich der Staat sichtbar machen soll in Zeiten von Verschwörungstheorien gegen „die da oben“, ist naiv. Ja, der Staat wird hier sichtbar – als Repressionsapparat.

In der Stadt findet ein großer Testlauf für den G-20-Gipfel statt. Wie sonst will man erklären, was da nun aufgefahren wird, obwohl kaum Proteste zu erwarten sind? Weder wurde überregional gegen den OSZE-Gipfel mobilisiert, noch plant die Hamburger linke Szene den Aufstand. Die Polizei weiß das – und fährt trotzdem das Arsenal einer kleinen Armee auf.

Aus wohlkalkuliertem Grund: Mit 13.200 BeamtInnen, 18 Panzern, 10 Hubschraubern und 23 Wasserwerfern spielt sie Planspiele der urbanen Aufstandsbekämpfung. Dazu kommt: Jede Sicherheits- und Überwachungsmaßnahme, die man jetzt schon einführt, ist im Sommer dann bereits etabliert.

Der Tagungsort beider Gipfel liegt nur einen Steinwurf vom autonomen Zentrum „Rote Flora“ entfernt. Die Sicherheitszone kann ausgedehnt werden, je nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden. Für den Sommer lässt das nichts Gutes erwarten.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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17 Kommentare

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  • Wie anders soll man sonst noch die Polizei von ihrer Aufgabe, der Verbrechensbekämpfung, abhalten und den Bürgern in Hamburg das Leben zur Hölle machen?

    Gestern abend wollte ich Verwandte vom Hauptbahnhof abholen. Schon in der Fruchtallee ging's rechts und links vorbei an endlosen Schlangen von Einsatztransportern, dazwischen ziellos umherschwirrende Polizeiwagen. Ab Beginn der Schröderstiftstraße war alles abgesperrt. Keine Chance. Hatte da etwa wieder so ein weltberühmter avantgardistischer Künstler eine urbane Installation der Sinnlosigkeit inszeniert? War das überhaupt echt? Samuel Beckett ging mir durch den Kopf. Mein Instinkt rief mir plötzlich zu: "Bloß weg hier!" - aber wie? Ich saß in der Falle, fuhr wahllos an den Straßenrand, stellte die Warnblinkleuchten an und versuchte über eine längere Zeit, mich selbst zu beruhigen. Dann setzte ich noch einen Funkspruch ab und ergab mich.

  • Polizeiintern wird das Ganze dann als "Eskalationsstrategie" genannt.

    Krachen wird es wohl zwangsläufig, wenn die Demonstranten nicht wollen dann fängt eben die Polizei von sich aus an.

    Das ein Mann der wegen Rechtsbrüchen schon mal seinen Job verloren hat und aus der Schill-Partei kommt die Einsatzleitung übernehmen soll sagt denke ich alles.

    Scholz braucht die Gewalt um sein verfassungswidriges Vorgehen gegen die politische Linke zu rechtfertigen

  • Wer gegen die OSZE demonstriert, ist gegen Frieden in Europa. Vielleicht sollten sich einige mal die Ziele und das bisher Erreichte ansehen. Gerade die OSZE gehört in den Mittelpunkt des Bewußtseins einer friedliebenden Bevölkerung und gerade deshalb ist der Standort Hamburg richtig. Nebenbei: das Großaufgebot der Polizei trägt der Sorge Rechnung, dass militante Gegendemostranten, auch Aktivisten genannt, aus Dummheit und Uninformiertheit gegen diese Organisation die Bevölkerung durch Krawalle terrorisieren könnten.

    • @Hans-Georg Breuer:

      Recht und Ordnung, gefälligst!

  • Der paramilitärische Overkill von Hamburger Senat und Berliner Bundesregierung im Herzen einer ruhigen und ruhig bleibenden Großstadt voll kluger Menschen kann auch anders gelesen werden: fortschrittliche soziale Bewegungen verschwenden ihre kostbaren Ressourcen nicht mehr an aggressive Provokationen.

     

    Tatsächlich organisiert sich ein neues Denken und Handeln eigenständig und international vernetzt. Außerhalb überkommener Partei-, Kirchen- oder Gewerkschaftsstrukturen entsteht eine wirksame Bewegung, die sich aus verschiedenen Teilbewegungen speist.

     

    Virale Kommunikation verbindet „Intellektuelle“ und „Arbeiter“, „Prekariat“ und „Mittelschicht“, „Linke“ und „Wertkonservative“. Diese Bewegung entledigt sich alter Kategorien und entwickelt sich konstruktiv demokratisch, weltweit. Sie ist offen, dezentral, weitgehend führungs-, aber keineswegs orientierungslos.

     

    Orientierungslos sind Panzer gegen Viren. Echt süß. Lassen wir sie einfach stehen. Es gibt Größeres zu tun.

    • @Dr. Wattsun:

      Gute Antwort !

  • Ernstfaht? Die Taz regt sich über das auffahren von Panzern und co auf?

     

    Jeden Sonntag muss ich in meiner noch abonierten TAZ am Sonntag Bundeswehrwerbung sehen und hab dann auch noch das geheuchelte "wir behandeln alle durch Werbung Geld gebende gleich" im Kopf....Schlag in die Magengrube. In dem Augenblick, in dem mich mein 9 jähriger Sohn, dem ich beibringe das Krieg und Gewalt irgendwann nicht mehr Teil unserer Gesellschaft sein werden, fragt warum ich eine Zeitung mit Panzer und Waffenwerbung lese, wird die Kündigungsreißleine gezogen. Leider wird das bei der Taz keinen Interessieren. Traurigkeit....

    • @Mastermind:

      @ MASTERMIND:

      „Jeden Sonntag muss ich in meiner noch abonierten TAZ am Sonntag Bundeswehrwerbung sehen und hab dann auch noch das geheuchelte "wir behandeln alle durch Werbung Geld gebende gleich““

       

      Die Antwort lautet auf lateinisch: „Pecunia non olet“. Bekanntlich ist Geld nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Und da das Leben ohnehin nur aus Kompromissen besteht, …

  • „Dabei hätte man den Gipfel problemlos an irgendeinem abgelegenen Tagungsort auf dem Acker stattfinden lassen können“

     

    Dann hätten aber dieselben Gipfel-Gegner sofort kritisiert, dass die OSZE-Teilnehmer wohl das Licht der Öffentlichkeit scheuen? Und schon würden die nächsten Verschwörungstheorien die Runde machen!

    Manchmal ist eben alles falsch, was man macht, auch das Gegenteil.

     

    Ach so, „urbane Aufstandsbekämpfung“: Eine originelle Wortschöpfung, die mir bisher noch nicht untergekommen ist. Trifft aber wohl eher auf Ereignisse vom Ausmaß des Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens 6/1989 in Peking zu. Übertreibung mag zwar anschaulich machen, aber man sollte trotzdem Augenmaß behalten!

  • "Der Tagungsort beider Gipfel liegt nur einen Steinwurf vom autonomen Zentrum „Rote Flora“ entfernt."

     

    Eine Schelmerei, dieses Wortspiel.

  • Wieso hält man sowas nicht auf Helgoland ab und entschädigt die Einwohner für diese Zeit z.B. mit einem Karibikurlaub.Damit wäre allen gediehnt und wahrscheinlich Millionen gespart,trotz Großzügigkeit.

  • Ich habe bei solchen Sachen immer wieder das Gefühl, diese überdimensionierten Großaufgebote mit Kontingenten aus drölf Bundesländern sind vor allem eine Möglichkeit, den Beamt_innen recht unkompliziert mit ein paar Zuschlägen die Gehälter anzufetten.

  • Es müsste mal eine Strafregelung für Steuergeldverschwendung geben.

    Mal davon abgesehen kann ich mir richtig vorstellen wie 13000 gelangweilte Cops nur drauf warten Jemanden "zur Ordnung rufen“ zu können und die neue Spielzeuge auszuprobieren.

    Ach so, „urbane Aufstandsbekämpfung“: wie kommt man drauf, dass so etwas nötig sein könnte?

    • @FriedrichH:

      Gott sei Dank sagten sie Cop und nicht Flüchtling.

       

      Da ist dümmlicher Blödsinn schreiben dann unter "Meinung" und nicht unter "Hetze" abgetan.

       

      PS: Mal einfach keine Randale machen - dann braucht es auch weniger Polizei.

  • "Seit Anfang der Woche lungern schwer bewaffnete PolizistInnen in dem Wohnviertel rund "

     

    Ich finde "rumlungern" ist keine angemessene Terminologie.

    • @Nobodys Hero:

      ein Punkerprofilbild haben aber "rumlungern" scheiße finden und die Polizei verdeidigen...,

      ich sehe eine große Diskrepanz

    • @Nobodys Hero:

      Trifft aber den Kern der Sache genau.