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Vor dem Parteitag der GrünenRedeverbot für Daimler-Chef

Die linke Basis will mit Dringlichkeitsanträgen Dieter Zetsches Rede auf dem Parteitag verhindern. Sie kritisiert Abgase und Rüstungsexporte.

Schwierig: Kretsche, Zetsche, die Grünen und die Wirtschaft Foto: dpa

Berlin taz | Den Grünen droht eine Blamage. Die linke Basis will Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, auf dem Parteitag im November einen Maulkorb anlegen. „Die Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) beschließt, die geplante Gastrede von Herrn Zetsche – mit dem Ausdruck des Bedauerns und einer Entschuldigung für die Fehleinschätzung beim Aussprechen der Einladung – ersatzlos zu streichen“, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag, den das Rheinland-Pfälzer Basismitglied Karl Wilhelm Koch verfasst hat und der der taz vorliegt.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Cem Özdemir, Parteivorsitzender der Grünen, den Autobauer als Gastredner eingeladen hat. Wäre Kochs Intervention erfolgreich, würde der groß angelegte Schulterschluss Özdemirs mit der Wirtschaft in sich zusammenfallen und Zetsche müsste stillschweigend in der ersten Reihe sitzen.

„Eine Gastrede steht immer für etwas“, sagt Koch. Zetsche sei zuallererst ein „Vertreter der Autoabgas- und Rüstungsindustrie“. Unabhängig vom Erfolg seines Antrags wird dieser die Delegierten zwingen, sich zur Rede des Konzernchefs zu verhalten – als alleinige Initiative des Parteivorstands kann diese dann nicht mehr durchgehen.

Der Daimler-Chef repräsentiere einen Industriezweig, der „Naturschäden, Gesundheitsschäden und Menschenleben zu verantworten hat“, heißt es in der Begründung zu Kochs Antrag. Zudem sei die Lieferung von Rüstung an Staaten wie Bahrain oder Saudi-Arabien nicht verantwortbar. Noch ist der Antrag nicht eingereicht, er hat aber schon die notwendigen 20 UnterstützerInnen.

Schulterschluss zwischen Grünen und Wirtschaft

Mindestens einen weiteren Anlauf gibt es aus der antragfreudigen Parteibasis, die Gastrede ersatzlos zu streichen. Grund dafür sei die „Signalwirkung, die von ihr ausgehen würde“, heißt es in diesem von Gerd Klünder aus dem Münsterland verfassten Dringlichkeitsantrag.

Eine solche Rede dokumentiere „einen Schulterschluss zwischen den Grünen und einem Wirtschaftszweig, der die Herausforderungen des Klimawandels bisher kaum angenommen hat“, steht da. Besonders im Vorfeld der Bundestagswahl könne die Partei „den damit verbundenen Glaubwürdigkeitsverlust“ kaum gebrauchen.

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) „Mobilität und Verkehr“ der Grünen hat die Einladung kritisiert. Zetsche stehe für eine Industrie, die „seit Jahren auf eine Ressourcen verschlingende und umweltschädliche Emissionen erzeugende Produktion und Wertschöpfungskette baut“, heißt es in einem Brief an den Bundesvorstand. Die BAG fordert darin, im Anschluss selbst einen zehnminütigen Redebeitrag halten zu dürfen.

Daimler betont auf seiner Webseite, „kontinuierlich an der Optimierung des klassischen Verbrennungsmotors“ zu arbeiten. Dieser werde „auch weiterhin das Rückgrat der Mobilität bleiben“. Zur von den Grünen propagierten Verkehrswende passt das nicht.

Der Konzern produziert zudem unter der Marke „Mercedes-Benz Defence Vehicles“ Militärfahrzeuge. Im Jahr 2015 exportierte Daimler 3.465 militärische Fahrzeuge in 16 Länder, darunter Bahrain, Katar, Algerien, Saudi-Arabien und die Türkei. 2015 hatten die „Kritischen AktionärInnen Daimler“ dem Vorstand wegen der Rüstungsexporte sogar die Entlastung verwehrt.

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11 Kommentare

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  • Radikale hatten immer schon ein Problem damit sich anzuhören, was Andersdenkende so zu sagen haben. Deshalb findet man bei ihnen häufig den Ansatz, jeden Dialog mit der Nicht-Gleichgesinnten als unbotmäßige Annäherung und nicht als Chance zur Verständigung, bzw. zur Überzeugung zu behandeln. Schade nur, dass gerade die Grünen, die sich den offenen Disput eigentlich auf die Fahnen geschrieben haben, sich von solchem Meinungskontrollwahn umhertreiben lassen.

     

    Dabei vergessen die Dialogunterdrücker Eines: Dieter Zetsche ist viel mächtiger und effektiver als sie. Was auch immer er auf dem grünen Parteitag sagen darf oder nicht - dass er das, was er für richtig hält, schlicht und einfach UMSETZT, ist allen Allmachtsfantasien der Verbotspolitiker zum Trotz immer noch sehr viel wahrscheinlicher, als dass sie ihn irgendwie daran hindern werden.

     

    Aber die Realität ist halt nicht des Dogmatikers liebste Spiewiese...

    • @Normalo:

      "Heute gürn und morgen gelb und übermorgen schwarz."

      Ihre sogenannten Dogmatiker sind weniger dogmatisch, sondern vielmehr konsequent. Eine Eigenschaft, die bei den Grünen sicher neu ist (bzw. lange fehlte), die aber auch Ausdruck einer Wiese ist, auf der Sie offenbar ebenso ungern spielen.

      Darüber hinaus dichten Sie Koch und seinen Anhängern eine Intention an, die m.E. gar nicht vorhanden ist. Ich glaube nicht, dass sich irgendwer der Illusion hingibt, an Zetsches Verhalten würde sich im Falle einer abgesagten Rede irgendetwas ändern. Ich denke, es geht Ihnen darum, ein Signal zu setzen und ein anderes zu verhindern. Auf in die Dissensgesellschaft!

      • @hel.genug:

        Was heißt "Dissensgesellschaft"? Dissens - "Ich denke so, und wenn einer anders denkt, kann er mir gestohlen bleiben" - als Kozept? Wie bitteschön passt das mit dem Wort "Gesellschaft" zusammen?

         

        Sorry, aber so kommt diese "Konsequenz" ausschließlich verbohrt rüber.

  • Die Grüne Basis scheint kein besonders ausgeprägtes Selbstwertgefühl zu haben. Kein Wunder, das. Hat man ihr doch jahrzehntelang eingeredet, sie würde dringen einer (paritätisch-wechselnden) Führung bedürfen.

     

    In der Präambel des Grünen-Parteiprogramms heißt es pastoral: "Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch mit seiner Würde und seiner Freiheit. Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde ist […] der Kern unserer Vision von Selbstbestimmung und Parteinahme für die Schwächsten. Als Vernunftwesen ist der Mensch in der Lage zu einem verantwortlichen Leben in Selbstbestimmung." Wäre das nicht nur ein Bla, müsste die Grünen-Basis jetzt nicht Amok laufen.

     

    Leider ist Papier geduldig. Es wehrt sich nicht, wenn man Dinge drauf schreibt, die man nicht wirklich leben will. Hinter so einem Papier können sich deswegen Gläubige aller Art versammeln. Wie hinter dem Koran, dem Talmud oder der Bibel trifft man hinter Parteiprogrammen Menschen an, die ungern selber denken, dafür aber gern beleidigt sind, wenn sie herausfinden, dass man sie belogen und betrogen hat.

     

    Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, soll also einen "Maulkorb" kriegen. Ja macht man das denn bei den Grünen so daheim? Ich meine: Autoritär sind doch angeblich immer nur die anderen? Die Grünen sind doch ursprünglich mal angetreten, um so lange zu debattieren, bis auch der größte Trottel überzeugt sein muss. Wovor hat denn die Grünen-Basis Angst? Dass ihr die Argumente ausgeh'n könnten?

     

    Die Angst könnte berechtigt sein. Wer will schon seinen Leuchtturm demontieren? Der Grüne mit der meisten Macht im Staat, der Mann, der allen Grünen Hoffnung schenkt, lebt von und mit der Autoindustrie. Herr Zetsche sollte schweigen, finde ich. Er tut ja auch in andern Fällen das, was ihm alleine nutzt. Die Grünen-Basis könnte dann auch weiter tun, als gäb es gar keinen Widerspruch. Dazu jedoch wird Zetsche sicherlich zu eitel sein.

    • @mowgli:

      Und diese Präambel macht mundtot? verbietet, zu äußern, dass man mit Zetsches Sch... nichts zu tun haben will und die Parteispitze ein heuchlerischer, opportunistischer Haufen ist?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Offensichtlich gibt es doch noch GRÜNE, die sich anstatt Karriere, Ministerpöstchen und Parteispenden auch vorstellen können, sich an Idealen zu orientieren. Für eine "andere" Politik sind sie vor vielen Jahren mal angetreten...

  • Jetzt haben die GRÜNEN den Konflikt, den sie sich beschert haben - jeder außenstehende Beobachter konnte das voraussehen - und die GRÜNEN haben nichts besseres zu tun, als sich wieder mal selbst ein Bein zu stellen. Die Einladung von Herrn Zetsche war völlig unnötiger Sprengstoff und sie ist Symbol für den Riss, der durch die Partei geht und für das selbstzerstörerische Vorgehen, das GRÜNE Realos in Regierungsverantwortung an den Tag legen, gegenüber Ihren Parteikollegen, aus deren Kreis sie geboren wurden und die einst Mutter und Vater für sie waren.

  • Rüstungsexporte in den Nahen Osten. Durchstechereien beim Dieselmotor. NOx und Feinstaub als Gesundheitsgefahr. Unfähigkeit bei der Energiewende.

    Lasst den Mann in der ersten Reihe sitzen und erzählt ihm, warum er nicht reden darf. Und dann soll er heim gehen und seine Hausaufgaben machen.

    In fünf Jahren dann Berichterstattung, ob sich was gebessert hat.

    • @JBS_6623:

      Diese "Berichterstattung" kann man sich und uns ersparen, denke ich. Es würde sich nichts ändern, wenn man so verführe, wie Sie vorgeschlagen haben.

       

      Herr Zätzsche hat die Macht zu tun, was immer er für richtig hält. Darauf ist er verdammt stolz, schätze ich. Es ist sein Antrieb für den Job. Mindestens so stolz ist er vermutlich darauf, dass sich selbst Grünen(!)-Führer führen lassen wollen von ihm. Wieso sollte er sich also etwas daraus machen, wenn die Grünen-Basis ihm erzählt, was sie so alles glaubt?

       

      Man sollte diesen Mann nicht nur "in der ersten Reihe sitzen", sondern auch reden lassen. Anschließend sollte man diese Rede in der Luft zerpflücken, wenn man das kann. Aber nicht, um Zetsche zu belehren, sondern um der Grünen-Basis Mut zu machen und ihr zu zeigen, dass es ohne all die Zetsche-Typen geht. Auch ohne diese Zetsche-Typen in der eigenen Partei.

       

      Leider wird das nicht ganz einfach werden. Solche Reden sind ja nicht umsonst lang und nichtssagend. Man kann schlecht was darauf erwidern. Man müsste aufwändig recherchieren und jede Sprechblase einzeln widerlegen. Dafür allerdings dürfte selbst die längste Zetsche-Rede noch zu kurz sein.

       

      Die Frage ist ja auch, was nach Herrn Zetsche kommen könnte. Der einzige Plan, den die Grünen-Basis derzeit hat, scheint der zu sein, den eignen Führern zu vertrauen. Das ist zu wenig, finde ich. Mündige Bürger sollten ihrer eignen Klugheit und einander trauen, nicht nur der Schlauheit irgendwelcher Spitzenleute.

       

      Leider sind auch Grünen-Mitglieder Teil dieser Gesellschaft. Sie dürften sich genau so einsam fühlen mitunter, wie der Rest von uns. Wir leben nun mal mit der absoluten Konkurrenz. Da kann man niemandem vertrauen. Schon gar nicht, wenn man klüger ist als alle anderen. Der Neid ist schließlich überall. :-(

    • @JBS_6623:

      "Lasst den Mann in der ersten Reihe sitzen und erzählt ihm, warum er nicht reden darf. Und dann soll er heim gehen und seine Hausaufgaben machen."

       

      Gratulation - in zwei Sätzen die Quintessenz dessen, was die Grünen bei maximal 10% hält - saturiert, selbstgerecht, rechthaberisch, zum Kotzen.

      • @Wurstprofessor:

        Sollen sie sich prostituieren, wie die Parteispitze, oder was? Das ist keine Kunst. Die Kunst ist, Scheiße zu erkennen, auch wenn Sie einem als Schokomousse präsentiert wird.