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Zulassung von GlyphosatUngesundheitsminister schweigt

Was sagt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe dazu, dass ein möglicherweise krebserregender Stoff weiter zugelassen wird? Nix.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (rechts) im Gespräch mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery Foto: ap

BERLIN taz | Der Betreff in der E-Mail ist eindeutig: „Vier Fragen an Gesundheitsminister Hermann Gröhe“. An CDU-Mann Gröhe, nicht an Christian Schmidt, den CSU-Kollegen, der das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft leitet, das BMEL.

Gröhes Pressereferentin schickt jedoch die knappe Antwort: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Bitte wenden Sie sich dazu direkt an die Kollegen im BMEL.“ Keine Aussage des Bundesgesundheitsministers zu einer hochbrisanten Frage: Wie ernst muss man den Verdacht nehmen, dass das Spritzmittel Glyphosat nicht nur die Vielfalt der Arten gefährdet, sondern auch die menschliche Gesundheit?

So weit verbreitet ist weltweit kein anderer Unkrautvernichter. Landwirte nutzen ihn vor allem, aber auch Kleingärtner und Kommunen. Mittlerweile taucht er im Trinkwasser, im Bier und sogar im Urin des Menschen wieder auf. Das EU-Parlament hat sich vergangene Woche dafür ausgesprochen, Glyphosat für weitere sieben Jahre zuzulassen, obwohl der Stoff im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Über die Zulassung entscheiden die EU-Länder im Mai. Im März konnten sie sich nicht auf eine Position einigen.

Eigentlich also ein Fall für den Gesundheitsminister, deshalb nochmal bei Gröhe nachgehakt. Per Mail. Per Telefon. Nichts. Außer: „Die Federführung hat das Landwirtschaftsministerium. Haben Sie da nun schon mal nachgefragt?“ Natürlich ist es schon mal so, dass sich einer vertut damit, wer wofür in der Bundesregierung so zuständig ist. Aber diesmal nicht.

Alle Minister können sich einmischen

Die Anfrage war bewusst an Gröhe gerichtet. Der Grund: Die Bundesregierung will der weiteren europaweiten Zulassung von Glyphosat prinzipiell zustimmen. Das wurde vor wenigen Tagen bekannt. Voraussetzung sind auf Druck der SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks allein Auflagen zur biologischen Vielfalt. Bevor solche Entscheidungen fallen, können sich alle Minister einmischen. Auch Gröhe. Darum die Bitte an ihn, innerhalb von gut 24 Stunden „kurz und knapp“ vier Fragen zu beantworten.

Nummer 1: „Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation halten den Unkrautvernichter Glyphosat für ‚wahrscheinlich krebserregend‘. Die Bundesregierung will trotzdem für die weitere Zulassung in der EU stimmen. Welche Rolle spielen Sie als Gesundheitsminister dabei?“ Eine große. Eigentlich keine. Verschiedene Antworten sind denkbar, die zeigen könnten, wie wichtig Gröhe sich und seinen Auftrag nimmt, sich um den Schutz der menschlichen Gesundheit zu kümmern.

Dann Frage Nummer 2: „Selbst wenn die Federführung bei einem anderen Ministerium liegt, können Sie immer eine Position einbringen. Wie ernst sind aus Ihrer Sicht Warnungen der Weltgesundheitsorganisationen zu nehmen?“ Immerhin haben das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, und die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, die EFSA, Glyphosat im Gegensatz zu den Experten der Weltgesundheitsorganisation für unbedenklich erklärt. Die wissenschaftliche Kontroverse, ob der Unkrautvernichter Krebs fördert oder nicht, ist noch nicht ausgestanden.

Krebs-Bedenken plötzlich weg

Das führt zu Frage Nummer 3 an Gröhe: „Die Bekämpfung von Krebs sei eine Herausforderung ‚ersten Ranges‘, sagen Sie sonst. Wieso greift bei Glyphosat nicht das Vorsorgeprinzip?“ Mancher fordert, mit der Neuzulassung des Stoffs so lange zu warten, bis die offenen Fragen geklärt sind. Bleibt Frage Nummer 4: „Wann wird ein Stoff, der sich wie Glyphosat auch im Urin des Menschen wiederfindet, zur Sache eines Gesundheitsministers?“

Vier Fragen, keine Antwort. Natürlich habe es Abstimmungen gegeben, aber die seien intern und nicht öffentlich, erklärt die Pressereferentin noch am Telefon. Ob sie das kurz als Antwort schreiben könne? Nein. Das nicht.

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21 Kommentare

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  • Ein an den Haaren herbeigezogenes Pseudo-Skandälchen. Dass die Ministerien versuchen, ihre PR untereinander zu bündeln und daher bestimmte Themen den Pressestellen des federführenden Ministeriums fix zuordnen, ist ganz banaler Alltagsbetrieb einer Regierung. Es soll verhindert werden, dass ein Ministerium dem anderen unbeabsichtigt querschießt. Das geht effektiv nur mit zentraler Bearbeitung, wenn die Beantwortung solcher Fragen nicht jedesmal wochenlange Abstimmungsprozesse auslösen soll.

     

    WENN Ministerien unkoordiniert ihren jeweiligen Senf zu bestimmten Themen öffentlich lancieren, dann ist das dagegen meist volle Absicht, von oberster Stelle gewollt und überwiegend eher ein machtpolitischer Rempler als eine inhaltliche Auseinandersetzung. Dafür suchen sich verständlicherweise die Akteure die Schlachtfelder selbst aus und lassen sie sich nicht von der taz-Redaktion vorgeben.

     

    Also Frage an die Redaktion:

    Was sagt denn nun das "BMEL" zu den Gesundheitsrisiken von Glyphosphat?

  • Im Bier ist schon ein anderer Stoff enthalten, der krebserregend sein soll: Ethanol. Da macht das bisschen Glyphosat auch nix mehr.

  • Es ist mittlerweile mehrfach nachgewiesen, daß Glyphosat die Krebsrate bei fast allen Krebsarten signifikant erhöht!

    Da erscheint es einem doch schon wie ein Hohn, daß dieses Pflanzenschutzmittel (ist ja eigentlich ein Pflanzenvernichtungsmittel) weitere 15 !! Jahre zugelassen werden soll. Dem chinesischen Hersteller würde das natürlich freuen, wo sich chinesiche Firmen ohnehin einen Dreck um die Verträglichkeit ihrer Produkte scheren, Hauptsache der Profit stimmt. Und Monsanto selbst hat schon genug Reibbach mit diesem Gift gemacht!

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Ein Gröhe soll sich mit Monsanto anlegen?

    Der dürfte auch nicht mehr Mumm an den Tag legen - wie seine Kanzlerin in der Causa B. schon vorgelegt hat.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Auch wenn es schwer fällt, Monsanto ist nicht mehr der Haupthersteller von Glyphosat. Die Patente für Glyphosat sind schon lange abgelaufen. Inzwischen kommt das Zeug überwiegend aus China.

       

      Ich könnte mir sogar vorstellen, das Monsanto ein Interesse daran hat, statt Glyphosat (patentfrei) andere, neue und patentgeschützte Herbizide zum Einsatz zu bringen.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Gesunder Menschenverstand:

        Auch der aktuelle Produzent von "Roundup" dürfte am weiteren Erfolg seines Produkts genauso interessert sein wie Monsanto es schon mal war.

        Tut dies was zur Sache?

      • @Gesunder Menschenverstand:

        Ob der Hersteller Monsanto heißt oder XYZ ist völlig irrelevant, Herr Klauker. Es gehlt um die Gefährlichkeit von Glyphosat und wie man damit umgeht!

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Das alles zeigt überdeutlich, wer das Sagen hat. Ganz sicher nicht irgendwelche (Provinz)Politiker...

  • "Mittlerweile taucht er im Trinkwasser, im Bier und sogar im Urin des Menschen wieder auf."

    Und praktische keine Krebsfälle, die auf ein Mittel zurückzuführen ist, daß seit den 70er Jahren zu den am häufigsten verwendeten überhaupt gehört.

    • @Werner W.:

      Schön, dass Sie sich so sicher sind, worauf die Krebsfälle zurückzuführen wären.

    • @Werner W.:

      Her Werner, "Wissen Sie das" oder "Sagen Sie das nur"? Würden Sie für eine solche Aussage auch persönlich "haften"? Wenn sich später herausstellt, dass Glyphosat krebserregend ist, werden Sie dann persönlich "haften"? Die Informationslage zu Glyphosat ist objektiv betrachtet höchst strittig. Daraus abzuleiten, dass keine Krebserkrankungen auf das Konto von Glyphosat gehen ist verantwortungslos..

    • @Werner W.:

      Bereits vor sechs Jahren wurden an der Uni Leipzig die Auswirkungen von Glysophat bei Fauna und Flora und Mensch untersucht. Diese Studien wurden vom Bundestag ignoriert. Es gibt Hinweise auf Krebs, auch durch das Wissen welche verheerenden Schäden dieses Gift in Vietnam angerichtet hat. Auch bei den US-GI`s die bis heute von ihrer Regierung keinen Entschädigung bekommen haben. Vergessen wir nicht, wir sind heute keine Individuen (Mensch) , wir sind Menschenmaterial. Denken sie mal nach.

      • @Rita Dütsch:

        Zur Zeit des Vietnam-Krieges gab es Glysophat noch gar nicht. Sie verwechseln mit Dioxin.

         

        @Anomalie

        Es gibt in der Gruppe der Anwender (Landwirte) keine überdurchschnittlichen Fälle von Leberkrebs.

        Die Leberkrebsuntersuchungen sind im übrigen im Labor mit vergleichsweise riesigen Mengen gemacht worden sind.

         

        @Georg Marder

        Nein, die Informationslage ist nicht strittig. Das Mittel wird seit Mitte der 70er Jahren in großen Mengen verwendet.

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Werner W.:

          und Sie verwechseln mit Agent Orange.

        • @Werner W.:

          Das halten Sie doch nicht ernsthaft für ein Argument für die Unbedenklichkeit von Glyphosat, dass Glyphosat seit den 70er-Jahren verwendet wird - oder? Eine Fehlinformation wird nicht dadurch richtig, dass sie 30 Jahre überlebt hat! Eine kritische Information wird nicht dadurch entkräftet, dass sie sich auf ein 30jähriges Vorgehen bezieht. Die "aktuell verfügbare Informationen" sind hochkritisch und 30 Jahre Glyphosat sind Teil des Problems und nicht Teil der Entlastung von Glyphosat!

          • @Georg Marder:

            "Eine Fehlinformation wird nicht dadurch richtig, dass sie 30 Jahre überlebt hat!"

            Es iszeben keine Fehlinformation, weil es in der Gruppe der Anwender keine spezifischen Erkrankungen gegeben habt.

             

            @KlausK

            "und Sie verwechseln mit Agent Orange."

            Nein

            Wiki Agent Orange: "TCDD ist der giftigste Vertreter der Dioxine"

        • @Werner W.:

          Warum sind Sie dabei auf Leberkrebs fixiert ?

  • Es geht nicht darum die Wirtschaft anzukurbeln. Das was hier geschieht ist grob gesagt bewußte, fahrlässige Körperverletzung. Denn was diese Monsantogifte an gesundheitlichen Schäden verursachen ist schon seit dem Vietnamkrieg bekannt. Glysophat wurde seitdem Von Monsanto in seiner Wirkung noch verschärft. Auch das ist bekannt und die TAZ hat darüber berichtet. Was von dieser Praktik der Regierung zu halten ist und was damit erreicht werden soll kann ich hier leider nicht schreiben. Denken sie mal es wäre ein Krimi vielleicht können sie dann logisch folgern.

  • Die Menschen sind vielleicht müde, zu jedem Thema, das sie persönlich stark betrifft, aufzustehen, weil die Themen zu viele Themen sind und weil die Menschen mit ihrer Energie wirtschaften müssen. Aber die Menschen entfremden sich innerlich immer mehr von politischen Entscheidungen in ihrer Summe. Ich glaube, dass die Menschen sich nach einer Regierung sehnen, die eine ehrliche und bewusste Auseinandersetzung mit wichtigen Themen vorlebt, eine "werteorientiere" Regierung, die nicht plumpen Dogmen hinterherläuft, wie die CDU dem Neoliberalismus und die SPD dem Arbeitsplatzdogma. Es ist die Sehnsucht nach einer Regierung, die nicht den Neoliberalsimus, noch den Arbeitsplatzdogmatismus in den Mittelpunkt stellt, sondern den Menschen und die menschliche Gemeinschaft. Vielleicht kann nur noch eine Revolution in der einen oder anderen Form dies bewirken - und dann jammern und schreien alle wieder - erwartbar.

  • Viele politische Themen zeigen ein ähnliches Muster. Die Themen werden nicht ganzheitlich gesehen und verstanden, sondern als Gegensatz zwischen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Aspekten - bei der Stickoxidausscheidung der Kfz, bei den Handelsabkommen, bei Glyphosat usw. Und zur Zeit wird häufig zu Gunsten der wirtschaftlichen Interessen entschieden, auch dann, wenn die gesamte Gesellschaft ein hohes gesundheitliches Risiko eingeht und mit der Gesundheit bezahlt. Ökonomische Interessen haben Vorrang - und koste es die Gesundheit der Bevölkerung. Die Informationslage zu Glyphosat ist dermaßen kritisch, dass ein verantwortungsvolles Handeln sich zuerst einmal zur Klärung der Informationen bekennen müsste und die Glyphosatzulassung so lange aussetzt. Es ist unehrlich, die Informationen zu verdrängen und sich auf exotisch anmutendende Argumentationen festzulegen und die Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung abzulehnen, nur dass der wirtschafltiche Betrieb nicht gestört wird.

  • Hier scheint ein grundlegender Irrtum vorzuliegen. Ein Gesundheitsminister versteht sicher etwas davon, Gelder des Gesundheitswesens zu verteilen. Das besagt aber noch lange nicht, daß er etwas von Gesundheit versteht oder Interesse an der Volksgesundheit hat. Die Habgier der Lobbyisten verhindert so etwas bereits im Vorweg.