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Kommentar Extremismusthese in SachsenRassisten, das sind die anderen

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Sachsen ist die Heimat des sogenannten Extremismusmodells. Auf Basis der Theorie leugnen Behörden gesellschaftlichen Rassismus.

Wer zündete die geplante Flüchtlingsunterkunft an und wer applaudierte der rassistischen Brandstiftung? Müssen wohl alles Extremisten gewesen sein Foto: dpa

A us der Perspektive des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich ist alles schön übersichtlich. Der grölende Mob von Clausnitz, der Bautzener Brandanschlag, die tägliche rechte Gewalt in seinem Bundesland: „Das sind Verbrecher.“ Die Täter, so die Botschaft, das sind die anderen. Das ist bequem. Und in Sachsen ein durchaus üblicher Reflex, denn das Bundesland ist Heimatland und angestammtes Habitat der Extremismustheorie.

Dieses politikwissenschaftliche Modell besagt: Dort, weit weg am gesellschaftlichen Rand, treiben die Verfassungsfeinde ihr Schindluder. Ob rechts oder links, ist dabei egal – so eine Kernaussage der Theorie. Denn: Extremisten seien alle totalitär, ein jeder gleich schlimm und verfassungsfeindlich. Im selben Atemzug mit Nazis wird daher stets auf Linksextremisten verwiesen. Beide Seiten schaukelten sich gegenseitig hoch.

Die Gurus dieser Ideologie sind Eckhard Jesse und Uwe Backes, beheimatet an der TU Chemnitz. Vor Ort erreicht ihre Lehre eine besondere Strahlkraft, wenn Polizei und das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz rassistische Demos wie Pegida und Legida als „rechtspopulistische Bürgerbewegung“ verharmlosen und im selben Atemzug auf Linksextremisten zeigen.

Die Extremismustheorie durchzieht jedoch auch sämtliche Veröffentlichungen des Verfassungsschutzes. Sie ist maßgeblich für die Weltanschauung staatlicher Sicherheitsbehörden. Grassierende rechte Gewalt zeigt, wie fatal das ist.

In erster Linie dient diese eindimensionale Auffassung des politischen Raums der Abgrenzung: Rassismus erscheint als randständiges Phänomen. Rechtsextremismus wird damit marginalisiert, das zugrunde liegende Problem verkannt: Die Täter von Clausnitz und Bautzen sind nicht einfach „die anderen“, sondern Teil der Mitte. Sie zeigen, dass rassistische Einstellungen längst anschlussfähig geworden sind.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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23 Kommentare

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  • Welche "Täter" von Clausnitz denn? Was bitte ist denn an zivilem Ungehorsam gegen klammheimliche Einquartierungen eine Tat?

     

    Ich verstehe, dass Ansässige in einem Ort keine Lust haben, dass ihnen von oben eine neue Bevölkerung verordnet wird, die sie nicht eingeladen haben.

     

    30 Leute auf 100 Einwohner. Das ist wie wenn man in Neukölln plötzlich 100 000 Einwohner von sonstwo dazu hat. Das verändert einen Ort, dazu muss er vorbereitet sein. Denn wenn die Leute dann sagen, wir sind das Volk, dann ist es ja in der Tat so, dass Bürokratie und Menschenverschiebung und "volkswille" vor Ort kollidieren und gar kein Sozialvertrag aufgemacht wurde, mit dem ein Zuzug von Refugees lokal bewältigt werden kann.

     

    Es sollten sozusagen mehr Refugees in Villenvierteln und Beamtensiedlungen untergebracht werden, nicht in intakte Dörfer verschoben, die sich nicht wehren können, und wenn sie es doch tun, beschimpft und verunglimpft werden.

     

    Wir nehmen Millionen Refugees auf, natürlich gibt es da auch Spannungen, das ist doch ganz normal so. Diese Spannungen müssen ausagiert werden, statt sie zu verteufeln und wegzureden. Nur dann kann eine Integration gelingen, wenn der Sozialvertrag steht.

    • @Ansgar Reb:

      Zu Tätern werden sie doch v.a. dadurch, dass sie nicht etwa bei der zuständigen Regierungsstelle anklopfen und dort Rabatz machen, sondern schön nach unten treten. Wem angesichts von gesellschaftlichen Problemen nichts anderes einfällt als gegen die Schwächsten in der Nahrungskette zu pogromieren, der ist halt einfach ein Faschist. Punkt.

    • @Ansgar Reb:

      Wenn das schon mal ordentlich diskutiert werden kann ,wäre schon viel gewonnen.

    • @Ansgar Reb:

      Landfriedensbruch, Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Hetze gegen Schutzbedürftige und Minderheiten.

       

      Aber da muss die Polizei auch Willens sein, das entsprechend zu erfassen und den Rechtsstaat vor seinen Feinden zu beschützen. Nur scheint leider die sächsische Polizei, angefangen bei der Führung, dazu derzeit nicht in der Lage zu sein.

      • @cursed with a brain:

        die ersten 3 Begriffe sind Straftaten. Aber wie oft werden diese Straftaten wirklich streng geahndet in Deutschland und wenn ja, ist der Protest groß, siehe zB Hambacher Forst u.ä.

         

        Die letzten beiden Begriffe sind keine Straftaten und daher von der Polizei auch nicht zu ahnden.

         

        Aus meiner Sicht sollten sich sehr viele Leute in Deutschland fragen, warum sie immer nur nach dem Rechtsstaat rufen, wenn eine Seite des politischen Spektrums Straftaten begeht, während auf der "eigenen" Seite jedes Eingreifen ein Skandal ist. So funktioniert ein Rechtsstaat nicht und eine Demokratie auch nicht (damit meine ich Linke und Rechte, nur damit das klar ist).

    • @Ansgar Reb:

      Clausnitz hat 100 Einwohner? Waren die dann am Donnerstag etwa alle beim Mobben dabei?

       

      An anderer Stelle las ich mal von knapp 1.000 Einwohner/innen.

       

      Ansonsten lesen sich Ihre Zeilen wie von einem PEGIDIANER.

       

      Ich kenne z.B. ein Dorf, welches sich explizit um Asylbewerber bemüht haben, weil sie noch keine hatten.

       

      Und ansonsten gibt es auch weitere ländliche Mittelgebirgsregionen, die es tatsächlich schaffen, anders mit dem Thema umzugehen und deren Bürger/innen keine Asylunterkünfte blockieren. Dort engagieren sich dann auch viele ehrenamtlich in den Unterkünften, bei der Wohnungssuche und -einrichtung und in sog. internationalen Cafés.

       

      Bei allen Problemen, die es so gibt und/oder herbeibeschoren werden, kann das sogar auch den Zusammenhalt unter den Einheimischen nochmal bestärken.

      • @Hanne:

        Es gibt auch positivere Beispiele gelebter Willkommenskultur, klar. Man kann Willkommenskultur aber nicht verordnen. Wenn die einen sich willkommen zeigen, müssen andere die Freiheit haben sich nicht willkommen zu zeigen. Das ist Demokratie.

         

        Ich verstehe, dass die Situation für die zureisenden Personen sehr unangenehm ist. Aber es ist eben eine Möglichkeit für Anwohner damit umzugehen, die gegen die Einquartierung von Personen sind.

         

        Mir geht es gar nicht darum die politischen Ziele dieser Personen zu verteidigen, sondern nur den Bruch der Spielregeln bei der Polemik dagegen. Wenn dann die Presse von Pöblern, Mob usw. spricht, oder so tut als seien starke Straftaten vorgefallen, fühlt man sich als sei die Presse wieder in den 60ern angekommen. Es geht hier allenfalls um einen Bruch des Versammlungsrechts. Landfriedensbruch kommt nicht in Frage, weil er eine tatsächliche gewalttätige Bedrohung voraus setzt.

  • Welche "Täter" von Clausnitz denn? Was bitte ist denn an zivilem Ungehorsam gegen klammheimliche Einquartierungen eine Tat?

     

    Ich verstehe, dass Ansässige in einem Ort keine Lust haben, dass ihnen von oben eine neue Bevölkerung verordnet wird, die sie nicht eingeladen haben.

     

    30 Leute auf 100 Einwohner. Das ist wie wenn man in Neukölln plötzlich 100 000 Einwohner von sonstwo dazu hat. Das verändert einen Ort, dazu muss er vorbereitet sein. Denn wenn die Leute dann sagen, wir sind das Volk, dann ist es ja in der Tat so, dass Bürokratie und Menschenverschiebung und "volkswille" vor Ort kollidieren und gar kein Sozialvertrag aufgemacht wurde, mit dem ein Zuzug von Refugees lokal bewältigt werden kann.

     

    Es sollten sozusagen mehr Refugees in Villenvierteln und Beamtensiedlungen untergebracht werden, nicht in intakte Dörfer verschoben, die sich nicht wehren können, und wenn sie es doch tun, beschimpft und verunglimpft werden.

     

    Wir nehmen Millionen Refugees auf, natürlich gibt es da auch Spannungen, das ist doch ganz normal so. Diese Spannungen müssen ausagiert werden, statt sie zu verteufeln und wegzureden. Nur dann kann eine Integration gelingen, wenn der Sozialvertrag steht.

    • @Ansgar Reb:

      Da ist der Rest weggebrochen. Hier ist er noch:

       

      Das ist der weitaus bessere Weg zur Integration - oder meinen sie Unterwerfung?

       

      Veranstalten sie etwa für jeden Neuzuzug eine Volksbefragung?

    • @Ansgar Reb:

      Sollte man den Leuten die sich "ausagieren" müssen, nicht besser einen Sandsack im Keller oder eine Extrastunde im Fitnesscenter empfehlen, anstatt ihnen durchgehen zu lassen, dass sie erschöpfte Flüchtlinge, Frauen und Kinder nach einer traumatischen Flucht erneut traumatisieren. Was können sie für das, was in der Vorbereitung der Flüchtlingsunterbringung eventuell versäumt wurde?

       

      PS: Ich lebe in einem kleinen Ort mit einigen Flüchtlingsfamilien und wir helfen ihnen und erleben täglich Freundlichkeit und gegenseitigen Respekt. Wer sich so unflätig benehmen sollte würde erleben, dass wir uns vor unsere neuen Mitbewohner schützend stellen.

      Das istr der

    • @Ansgar Reb:

      "ziviler Ungehorsam" (gegen das Grundgesetz) drückt sich also im Pöbeln, rassistische Parolen rufen und Flüchtlinge bedrohen aus?Wenn das Gandhi gewusst hätte....mit dem sie und ihre Konsorten im Ürigen so garnichts gemein haben.

       

      Im Übrigen hab ich auch die ganzen Touristen nicht nach Hamburg eingeladen , soll ich jetzt mit ner Bierflasche am ZOB stehen und Leute anschreien?

       

      Wer entscheidet eigentlich, wer erwünscht ist, und wer nicht?Die die am lautesten "Wir sind das Volk™"schreien?

      • @pippilotta_viktualia:

        Es ist ja nicht meine Meinung.

         

        Nur sich zu echauffieren, dass andere vor Ort eine andere Meinung haben, ist schon seltsam.

         

        Welche "rassistischen Parolen" denn? Welches konkrete "Pöbeln" denn? Sicherlich war die Situation bedrohlich und unangenehm für die Betreffenden. Keine Frage.

  • aus Sicht der gesellschaftlichen Mitte, die die geltenden Gesetze anerkennt und Gewalt ablehnt, ist die Extremismustheorie ja auch richtig.

     

    Im übrigen zeigt diese Mitte eben auch gleichermaßen Erschrecken jetzt bei den Ereignissen von Clausnitz wie sie dieses bei der Randale in Frankfurt im Zusammenhang mit der EZB gezeigt hat.

     

    In Leipzig hatte man in kurzer Zeit hintereinander erst linke Randale und dann rechte Randale.

     

    Ich finde die Theorie nicht so falsch, weil ich Gewaltfreiheit als unverzichtbar ansehe in der Auseinandersetzung.

  • So ist das halt bei uns.

    Was muss man tun um als Terrorist wahrgenommen zu werden?

    Als Muslim:

    5 Minuten am Bahnhof nicht auf seinen Koffer aufpassen.

    Als Linker:

    Einen Müllcontainer anzünden.

    Als Nazi:

    Da reicht es nicht mal 10 Jahre lange Banken zu überfallen, Ladenbesitzer und Polizisten zu erschießen.

     

    Nenne mir bitte jemand ein Mordopfer linker Gewalt nach den Taten der RAF.

    Gibt es da welche?

    • @derSchreiber:

      Um als "linker Extremist" eingestuft zu werden, reicht es auch schon aus bei einer Gegendemo zu PEGIDA dabei zu sein oder sich auf dem Weg dorthin zu befinden.

       

      (Polizei in Dresden: "Sie sehen links aus, wir lassen Sie nicht zur Gegendemo durch").

  • Gibt es eine aktuelle Recherche über den Veldensteiner Kreis? https://de.wikipedia.org/wiki/Veldensteiner_Kreis

    da wurde auch schon ein Bernd Rabehl eingeladen;

    ein https://de.wikipedia.org/wiki/Patrick_Moreau veröffentlichte über Linke und zwar mit den Pseudonymen Peter Christian Segall

    oder Hermann Gleumes, auch in der Erfurter Heron Verlagsgesellschaft, die Helmut Roewer als Tarnfirma nutzte.

  • Ursprünglich sollte die "Theorie" oder das "Modell" unterscheiden zwischen Radikalen (Organisationen, Personen) und Extremisten, also diejenigen, die für ihre politische (Welt)Anschauung bereit seien, Gewalt einzusetzen. Die Radikalen blieben nur verbal.

    Das extreme an den Behörden ist, dass sich diese Modelle so lange halten wie die SS-Leute im BKA.

    Und die Förderung durch "VMann-Führer" -

    die Unterscheidung entstand nach 1945 und sollte die Etablierung der Demokratie in Deutschl. erleichtern. DRP und SRP wurden verboten.

    Die "Theorie" sollte alles von der "Mitte" Abweichende marginalisieren.

     

    Selbstverständlich ist sie völlig unbrauchbar bei der Frage, wer ist extrem oder extremistisch beim Konflikt um die Braunkohle. Der Extremist ist RWE.

    "radikale Milieus" sollen bis heute durch die Politische Polizei/ Staatsschutz wie bei einer Raster- oder Schleierfahndung durchsucht werden.

  • Die gute alt-blöde Hufeisentheorie...gut, dass es keinen Extremismus der Mitte geben kann *räusper*.

    • @Bandari:

      Sind Sie sicher?

  • Jesses Thesen sind in der Politikwissenschaft zum Glück eher marginalisiert. Historisch sind sie sowieso nicht haltbar, was ein Blick auf die Weimarer Republik zeigt.

    Leider dienen sie Verfassungsschutz, Polizei und anderen Behörden immer wieder als Bezugspunkt für die Legitimation des eigenen Handelns oder Nichthandelns.

    Maßgeblich für deren Weltanschauung, wie hier dargestellt, sind sie aber sicher nicht.

    Jeder der in den 90er Jahren in Sachsen aufgewachsen, kann nachvollziehen welche Ausmaße hier die rechtsradikale Szene hatte. Das hat damals kaum jemanden interessiert und heute sitzen diese Leute bei der Polizei etc. Da kommt Jesses Legitimationsangebot für Schreibtischtäter nur gelegen...

  • Immer schon anschlussfähig waren. Die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus kann ohnehin nur Elfenbeinturmbewohnern oder unbewussten Rechts-Ideologen einfallen. Oder sind sie - maximal undialektisch und exorbitant blöde - der Wortgleichheit aufgesessen und haben dann hinten rausgequetscht, was sie vorne reingetan haben? In jedem Falle war und ist dieser Stuss enorm wirkungsvoll und destruktiv. Sowohl für die Debatte selbst als auch für Flüchtlingsheime und ein gedeihliches Miteinander.