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Uran-Abraum in Sachsen und ThüringenFür radioaktiven Müll gilt DDR-Recht

Das bundesdeutsche Atomgesetz gilt in den ehemaligen Uranbergbaugebieten der ehemaligen DDR nicht. So können radioaktive Stoffe umdeklariert werden.

Spitzkegelhalden bei Ronneburg – per Gesetz ungefährlich. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Die ehemaligen Uranbergbaugebiete in Sachsen und Thüringen werden auf Grundlage von altem DDR-Recht saniert, nicht nach der strengeren Strahlenschutzverordnung oder dem Atomgesetz. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor.

Zum Wismut-Erbe gehören unter anderem fast 50 Halden mit mehr als 300 Millionen Kubikmeter schwach radioaktivem Gestein, vier große industrielle Absetzanlagen mit über 160 Millionen Kubikmeter radioaktiv belastetem Schlamm und ein früherer Uranerztagebau nahe dem thüringischen Ronneburg.

Für die Sanierungstätigkeit der bundeseigenen Wismut GmbH seien insbesondere die Vorschriften des Strahlenschutzrechtes in Form von übergeleitetem DDR-Recht maßgeblich, beantwortet das Bundeswirtschaftsministerium die Linken-Anfrage. Es handele sich bei den betreffenden radioaktiven Stoffen deshalb auch „nicht um radioaktive Abfälle im Sinne des Atomgesetzes“. Freigrenzen und Freigabewerte der Strahlenschutzverordnung seien nicht anzuwenden, heißt es.

Stattdessen gilt – 23 Jahre nach der deutsch-deutschen Vereinigung – für die Beseitigung der Wismut-Altlasten explizit die „Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz“ der DDR vom 11. Oktober 1984. O-Ton Wirtschaftsministerium: „Das so etablierte Regelungsregime geht den allgemeineren Vorschriften des Atomgesetzes und der Strahlenschutzverordnung vor, die nicht anwendbar sind.“

Rechtliche Tricks

Der Linken-Abgeordnete und -Umweltexperte Ralph Lenkert ist empört. Für die Frage eines sicheren Umgangs mit diesen Abfällen seien also offensichtlich nicht die stofflichen Eigenschaften, sondern das Rechtsregime entscheidend, sagt er. Hier werde „ein rechtlicher Trick angewandt, um radioaktive Stoffe nicht als solche zu deklarieren und dementsprechend nicht so zu behandeln“.

Indem die Bundesregierung den kontaminierten Schrott per DDR-Gesetz zu nichtradioaktivem Atommüll umdefiniert, entfällt auch die Verpflichtung, die Wismut-Abfälle perspektivisch in ein Endlager zu bringen. Wohin auch? Die einzig in Frage kommende Lagerstätte Schacht Konrad bei Salzgitter ist nur für 303.000 Kubikmeter schwach und mittelradioaktiven Müll genehmigt.

Mit der Anwendung des DDR-Rechts entfällt zudem die Verpflichtung zur formellen Öffentlichkeitsbeteiligung vor der Erteilung von Genehmigungen. Für die Entsorger eine enorme Entlastung, hat das Unternehmen in Sachsen und Thüringen doch mehr als 8.000 bergrechtliche, strahlenschutzrechtliche, wasserrechtliche und umweltrechtliche Genehmigungsverfahren geführt. Bislang hat die Sanierung mehr als 6 Milliarden Euro gekostet.

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14 Kommentare

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  • Das zeigt doch nur, dass dem neuen Regime die Gesundheit der Bevölkerung genauso am Arsch vorbeigeht, wie dem alten Regime. Ohne Druck der Betroffenen bewegt sich mal wieder gar nichts.

  • L
    Lowandorder

    Ich versteh die Aufregung nicht:

     

    Das - sind die vom Verfassungsfeind

    Dr. Helmut Bimbes-Kohl versprochenen

    blühenden Landschaften;

    wird alles aus der Portokasse bezahlt.

     

    Und bei allem Hochreck:

    in dem unsäglichen Feldspatbergwerk

    Truhsetal stand zur Wende quer über die Wand:

    " Wer arbeitet hier eigentlich?

    Die SED - oder die Arbeiter?"

     

    - geändert hat sich nicht viel!

  • N
    NurSo

    @TAZ: super Symbolfoto die Kegelberge: Wenn man aber bedenkt das diese seit der Gartenschau in Gera schon nicht mehr existieren und diese nun auch schon Jahre her ist sinkt die Ausagekraft ein wenig. Ebenso sind schon viele andere Wismuthalden erfolgreich rekultiviert, könnte den Leser vielleicht interessieren ;-)

    • L
      lowandorder
      @NurSo:

      Geht natürlich gar nicht - klar;

       

      aber die Anwendung auch bei solcherart "Beseitigung" der DDR-Standards ist und bleibt ein Skandal;

       

      zumal in den 40 Jahrenplus unter dieser Käseglocke DDR-Standards schwere Umweltsünden an der Tagesordnung waren.

       

      So - als die BRD Begehrlichkeiten nach dem St.Florians-Prinzip zur Beseitigung ihres Mülls unter Ausnutzung der Devisenknappheit der DDR entwickelte, wurden in Genehmigungsverfahren für Deponie Schöneberg die DDR-Akten vorgelegt;

       

      mal abgesehen davon - wie man heute weiß - , daß die alle gefälscht und frisiert waren,

      zeigten schon die Karten, daß eine Einlagerung nicht zu verantworten war;

       

      eine Endmoränenlandschaft mit Sandplinsen etc "dicht" zu kriegen, ist praktisch nicht möglich; schon gar nicht nach der der DDR zur Verfügung stehenden Technik;

       

      zudem zeigten die Karten noch die Reste der Wassergewinnung! für die wg Tarnung nicht gefundene Kriegsproduktionsstätte

      Lübeck-Weslohe etc

      (später und weiterhin IWK).

       

      Von Bitterfeld/Buna/Leuna ganz

      zu schweigen.

  • O
    Ostthüringer

    Das Bild ist völlig fehl am Platz! Die Kegel wurden längst abgetragen - bereits zur Bundesgartenschau 2007(!) entstand die "Neue Landschaft" Ronneburg! Vielleicht einfach mal hinfahren? Peinlicher Journalismus!

  • 4
    456

    bor politische diskusion über ost und west. wer das ganze zahlen sollte ist doch klar... die sowjets haben das ganze zeug geklaut( ja die ddr hat keinen cent gesehen, denn sonst wäre die ddr heut noch da und das reichste land der erde) also sollen sie das zeug auch endlagern. ich hab auch mehrere gute plätze, die sowieso schon verseucht sind und bei denen es nicht darauf ankommt ob noch ein paar tonnen mehr dort liegen. tschernobl, fukuschima, nagasaki, hiroschima und alle anderen atomtestgelände

  • S
    SchreckLassNach

    Na das wurde ja schön lange verheimlicht!

    Wie wurde denn nun genau der Strahlenschutz vorgenommen?

    Wie objektiv gesichert ist denn nun die Sicherheit der Bürger?

    Es ist doch sehr seltsam, dass in all der Zeit keine Menschen mit Strahlenschäden oder Babies

    mit strahleninduzierten Erbgutschäden in den Medien dargestellt worden sind?

    Auch über die Krebsrate wurde nichts gesagt. Wahrscheinlich liegt eine Vielzahl der Opfer bereits verrottet unter der Erde.

    Das kann auf Zensur und subtilen Druck oder völliger Ahnungslosigkeit über die Ursachen zusammenhängen.

    Natürlich sind Ost-und Westbürger der BRD in gleichem Maße schutzbedürftig und müssen auch diese Abfälle fachgerecht und professionell nach besten Stand der Forschung gelagert werden. Diese Gebiete müssen für die Lebensmittelgewinnung

    weiträumig gesperrt werden.

    Der Wildbeschuss muss als Sondermüll behandelt werden.

    So etwas muss man wissen!!

  • D
    dfsgqwgwqg

    Die Halden in Ronneburg gibt es gegenwärtig nicht mehr. Die Bildunterschrift sorgt da für etwas Verwirrung.

  • J
    JDeckart

    @Klamtzschak Zusammensetzung der DDR Volkskammer

    SED(Linke) und Parteinahe Organisationen 292 Abgeordnete

    CDU 52 Abgeordnete

    LDPD 52 Abgeordnete

    DBP 52 Abgeordnete

    NDPD 52 Abgeordnete

    wobei die Abgeordneten der sogennaten Blockparteien wurden gemeinsam über die Wahlliste der Nationalen Front gewählt.

  • J
    JDeckart

    Welche Partei hat das DDR-Recht zu verantworten? CDU ach nein war ja die Linke(SED)

    • @JDeckart:

      Wer _genau_ aus der Linken hat denn DDR-Recht von 1984 zu verantworten? Und wenn die Linke verantwortlich ist, wieso nicht auch die Blockparteien, die ja in der Volkskammer ebenso über Gesetze abgestimmt haben?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    In welcher Partei ist der neue Wirtschaftsminister? In der FDP? Nein?

    Ach so: in der SPD. Die ist ja nun wirklich nicht der Energiewirtschaft hörig - oder??

  • M
    Markus

    Kann man nicht die Linke für die Entsorgung zur Verantwortung ziehen? Ist doch die Rechtsnachfolge der SED, und da die Partei damals ja immer Recht hatte als sie den Schrott als nicht radioaktiv kontaminiert deklariert hatte sollte das doch jetzt die Sache der Linken sein!

    • @Markus:

      Der Rechtsnachfolger der DDR ist die Bundesrepublik.