Kommentar FDP-Spitzenkandidatur: Suding macht auf Scholz
Die FDP würde sich gern nach der Wahl Olaf Scholz als billige Koaltionspartnerin an den Hals schmeißen - seinen Stil hat sich die Spitzenkandidatin schon angeeignet.
S o langsam klären sich die Alternativen für die Bürgerschaftswahl am 15. Februar nächsten Jahres. Klar ist, dass Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erneut die absolute Mehrheit anstrebt, sich derer aber nicht sicher sein kann. Bekannt ist, dass Scholz die Grünen als Koalitionspartner favorisiert; naheliegend ist indes, dass eine zweite Option nicht schaden kann. Und sei es nur, um den Preis zu drücken.
Und jetzt gibt es eine FDP, die sich als Möglichkeit nach der Bürgerschaftswahl anbietet. Denn sie hat sich eingestanden, dass es nur mit Katja Suding Posten in der Bürgerschaft und vielleicht auch im Senat zu verteilen gibt. Und deshalb ist das Durchregieren von Suding auf dem Parteitag nach dem Vorbild von Olaf Scholz Ausdruck nackter Überlebensangst.
Nach dem Rauswurf aus dem Bundestag 2013, dem Desaster bei der Europawahl und den Drei-Prozent-Trostpflästerchen bei den Bezirkswahlen 2014 mussten die Liberalen sich eingestehen, dass nur mit einer Spitzenkandidatin Suding der Wiedereinzug in die Bürgerschaft zu schaffen ist. Eine personelle Alternative zu ihr gab es 2011 nicht und sie gibt es auch jetzt nicht.
Wenn nicht in Hamburg mit Suding, die die volle Rückendeckung des neuen Bundesvorsitzenden Christian Lindner und seines Stellvertreters Wolfgang Kubicki hat, die Trendwende für die schwächelnde FDP eingeleitet würde, würde es auch niemand anders schaffen.
Und das ist auch der taktische Fehler von Parteichefin Sylvia Canel gewesen. Sie bietet keine erfolgversprechende personelle Option und formuliert keine politische Kritik. Was Canel und ihr schmelzendes Lager zu bieten haben, ist die Wiederbelegung der Querelen und Intrigen früherer Jahre, die der FDP den Ruf eingebracht hatten, ein zerstrittener und machtgeiler Männerhaufen sozialkalter Marktradikaler zu sein. Den Nachweis, dass auch Frauen das können, braucht niemand.
Im Ergebnis könnte es jetzt dazu kommen, dass Suding die FDP erneut in die Bürgerschaft führt. Und die Liberalen sich der SPD als preisgünstige Alternative zu den Grünen anbietet, die nicht mit Radfahren, Stadtbahn und anderem Öko-Klimbim nervt.
Olaf Scholz wird das gut gelaunt zur Kenntnis nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln