Arbeitsmigration nach Deutschland: Improvisiert euch
Mehr Einwanderung allein kann den Personalmangel in Deutschland nicht lösen. Die Gesellschaft muss sich damit abfinden und flexibler werden.
S chon verrückt, welches Wackelbild sich ergibt, wenn man den Bundestag über Migrant:innen debattieren hört. Da gibt es den „schlechten“ Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, der nur „in das Sozialsystem“ einwandern will, ein Schreckgespenst der Union, das es unbedingt abzuwehren gilt. Während der oder die „gute“ Ausländer:in hochwillkommen ist, wenn sie im Pflegeheim Windeln wechselt, auf dem Bau mitanpackt oder IT-Systeme wieder auf Vordermann bringt.
Das geplante neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Hürden für die Arbeitsmigration aus Drittstaaten absenkt, wird, und das weiß die Union, keineswegs dafür sorgen, dass über diese Schiene mehr Leute „in das Sozialsystem“ einwandern. Dazu sind die Anforderungen, auch für die sogenannte Chancenkarte mit dem Punktesystem, zu hoch, und darüber erwirbt man auch keine Sozialstaatsansprüche.
Mit der Debatte über das Asylrecht hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wenig zu tun. Wohl aber mit der Sorge um den demografiebedingten Personalmangel, der Deutschland auf eine Weise verändern könnte, die wir uns noch nicht vorstellen mögen. Die Arbeitsmigration aus Drittstaaten allein kann dieses Problem nicht lösen.
Wir müssen uns in Zukunft mit Arbeitskräftemangel abfinden und werden uns in eine Gesellschaft mit viel Improvisation verwandeln, in der alte Maßstäbe von „Qualifikation“ nichts mehr nützen. Schon jetzt arbeiten in einigen Schulen zunehmend Quereinsteiger:innen; in Kitas halten auch Helfer:innen den Laden am Laufen, in der Pflege setzt man zunehmend auf Assistenzkräfte.
In Japan arbeiten 80-Jährige, und auch in Deutschland wird es womöglich in Zukunft 70-jährige Elektriker geben, die sich in Teilzeit etwas zur Rente dazuverdienen, und 68-jährige Ruheständlerinnen, die gegen Bezahlung einmal am Tag bei der hochaltrigen Nachbarin vorbeischauen. Kellner:innen und Paketzusteller:innen werden nicht fließend Deutsch sprechen. Wir brauchen mehr Flexibilität. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig.
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