Anwältin zu Equalpay-Klage gegen Daimler: „Das ist nicht das letzte Wort“
Eine Abteilungsleiterin bei Daimler klagte auf das Gehalt ihres direkten Kollegen. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart sprach ihr dieses nicht zu.
taz: Frau Lincoln, Sie vertreten eine Abteilungsleiterin der Daimler Truck AG im Verfahren gegen Ihren Arbeitgeber. Ihre Mandantin hatte darauf geklagt, genauso entlohnt zu werden wie ihr direkter Kollege, der zwar gleich qualifiziert ist wie sie selbst und gleich lang im Unternehmen arbeitet – aber deutlich mehr verdient. Wie lautet das Urteil des Stuttgarter Landesarbeitsgerichts?
ist Anwältin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Sarah Lincoln: Der Richter erkennt zwar eine systematische Benachteiligung von Frauen bei Daimler, weil das Gehalt der weiblichen Beschäftigten im Mittel deutlich unter dem der männlichen liegt. Zudem fehlen dem Unternehmen nach Auffassung des Gerichts klare Kriterien, die diese Gehaltsunterschiede erklären könnten.
Aber?
Leider bleibt das Gericht trotzdem hinter dem zurück, was der Klägerin in der vorherigen Instanz bereits zugesprochen worden war. Zum einen soll sie nicht die Gehaltsdifferenz zu den männlichen Angestellten auf vergleichbaren Positionen im Unternehmen bekommen. Und zum zweiten wurde entschieden, dass die Klägerin keine Anpassung an das Gehalt ihres direkten Kollegen verlangen kann.
Wie wird das begründet?
Damit, dass die Klägerin nicht nur unterhalb des Mittels der männlichen, sondern auch der weiblichen Vergleichsgruppe im Unternehmen liegt. Aber es kann ja nicht sein, dass es darauf ankommt, ob andere Frauen im Unternehmen mehr verdienen und eben nicht diskriminiert werden – das wäre ja absurd. Sondern es kann nur maßgeblich sein, ob die Klägerin selbst diskriminiert wird.
Durch die Gesetzgebung der EU und die Urteile des Bundesarbeitsgerichts ist doch bereits bestätigt, dass eine Angleichung an den Mittelwert der männlichen Vergleichsgruppe zwingend ist – oder nicht?
Richtig. Das jetzige Urteil ist mit den europarechtlichen Vorgaben und der progressiven Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht vereinbar. Es will beides in Frage stellen – und das in Deutschland, das in Sachen Equal Pay Schlusslicht in Europa ist. Arbeitgeber und Arbeitsgerichte halten sich hierzulande schlicht nicht an das, was sowohl das Entgelttransparenzgesetz als auch die Europäische Union vorgeben. Hier wird versucht, diese verbindlichen Vorgaben zu torpedieren.
Wie kann das sein?
Die Rechtsprechung des BAG besagt, dass eine Entgeltdiskriminierung vermutet wird, wenn das Gehalt vom Median der männlichen Vergleichsgruppe oder von dem Gehalt eines konkreten Kollegen abweicht. Zudem hat es sehr deutlich gemacht: Wenn es bei gleicher Arbeit eine Lohndifferenz gibt, gibt es eine Umkehr der Beweislast. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass es dafür objektive Gründe gibt, die mit dem Geschlecht nichts zu tun haben. Der Richter des Landesarbeitsgerichts widerspricht nun aller bisherigen Systematik: Er findet offenbar, dass beides zu weit geht.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Die Revision ist zugelassen und wir müssen und werden diese Fragen vor dem BAG klären. Ich bin guter Dinge, dass dieses seine bisherige Rechtsprechung nicht über den Haufen werfen wird.
Was bedeutet das Urteil für Ihre Klägerin?
Emotional ist das natürlich belastend. Und es ist sowohl für sie selbst als auch zunächst für weitere Equal-Pay-Klagen hierzulande ärgerlich. Der weitere Verlauf des Verfahrens wird zudem nochmal ein bis zwei Jahre dauern. Aber dann gibt es die Chance, eine höchstrichterliche Klarstellung zu erwirken, die auch anderen Frauen etwas bringt. So war der Weg bisher bei allen Equal-Pay-Klagen hierzulande: Die Frauen mussten bis vors Bundesarbeitsgericht ziehen, bis in ihrem Sinn entschieden wurde. Auch diesmal gilt: Das Urteil muss dringend höchstrichterlich überprüft und richtiggestellt werden. Es ist ein ärgerlicher Rückschlag für Equal Pay in Deutschland – aber längst nicht das letzte Wort.
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