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Antritt bei der BundestagswahlVerfassungs­schutzchef Thomas Haldenwang wird CDU-Kandidat

Seit sechs Jahren führt er den Verfassungsschutz an, warnt vor rechtsextremen Gefahren. Nun will Thomas Haldenwang für die CDU in den Bundestag.

Wird für die Wuppertaler CDU für den Bundestag kandidieren: Thomas Haldenwang Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin taz | Erst wenige Tage ist es her, da war Thomas Haldenwang zu Gast bei einem „Kamingespräch“ eines Wuppertaler Vereins. Der 64-Jährige erzählte dort aus seinem Alltag als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz: die Terrorgefahr, der Kampf gegen Fake News. Dann wurde er nach seiner bevorstehenden Pensio­nierung gefragt. „Sie erleben mich hier als engagierte Person“, zitiert ihn die Westdeutsche Zeitung. „Vielleicht werden Sie mich hier in Wuppertal demnächst auch wieder in anderer Weise wahrnehmen.“ Das aber sei „Zukunftsmusik“.

Nun ist es keine Zukunftsmusik mehr: Haldenwang, seit sechs Jahren Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, wird in wenigen Tagen abtreten – und dann für die Wuppertaler CDU für den Bundestag kandidieren. Das bestätigte CDU-Kreischef Johannes Slawik der taz. Haldenwang habe sich mit Nachdruck für die Demokratie eingesetzt, sei ein ausgewiesener Sicherheitsexperte und in Berlin bestens vernetzt, frohlockte er. Zugleich sei er als langjähriger Wuppertaler bodenständig geblieben.

Tatsächlich ist der Protestant seit Geburt Wuppertaler, lebt im grünen Osten der Stadt. Und er ist langjähriges CDU-Mitglied. Slawik sagte, die Entscheidung sei kurzfristig gefallen, nach einem längeren Gespräch mit Haldenwang. Tatsächlich gab es bereits eine andere CDU-Anwärterin für die Kandidatur, die nun zurückstecken muss.

Haldenwang äußerte sich zunächst nicht selbst. In direkten Gesprächen kritisierte er aber zuletzt auch die Ampel, forderte eine bessere Regierungspolitik ein. Die kennt er seit 1991: Damals fing er als Referent im Bundesinnenministerium an, wechselte 2009 zum Verfassungsschutz. Seine Ernennung als Amtspräsident erfolgte noch unter CSU-Mann Horst Seehofer.

Nun informierte Haldenwang Innenministerin Nancy Faeser (SPD) über seinen Rückzug. Schon zuletzt hatte er recht offen angedeutet, dass er demnächst aus dem Amt scheiden würde, dafür wurden gesundheitliche Gründe angeführt. Dass er nun für den Bundestag kandidiert, ist außerhalb der Wuppertaler CDU für viele eine Überraschung.

Feindbild in der rechtsextremen Szene

Im Verfassungsschutz war Haldenwang ein kleines Kunststück gelungen. Nach dem NSU-Desaster und der Amtszeit seines nach rechts außen abgedrifteten Vorgängers Hans-Georg Maaßen war der Ruf des Amts ruiniert. Haldenwang, zuvor Vizepräsident, schlug einen anderen Ton an. Er erklärte den Rechtsextremismus zur größten Gefahr für die hiesige Demokratie, sprach von einem Versagen seines Amts beim NSU.

Dann nahm er sich die immer weiter radikalisierte AfD vor, stufte sie erst als rechtsextremen Prüffall, dann als Verdachtsfall ein – und bekam damit vor Gericht recht. Das Umfeld der Partei – die Identitären oder das Institut für Staatspolitik – gilt inzwischen als „gesichert rechtsextrem“. Zugleich warnte Haldenwang, dass sein Amt auch in den anderen Extremismusfeldern „unter Volllast“ fahre, dass der Nahost- und Ukrainekrieg „mit voller Wucht“ auch die deutsche Sicherheitslage treffe.

Im politischen Berlin verschaffte Haldenwang sich und seinem Amt damit wieder Standing. Der Jurist habe das Amt umsichtig geführt und in Zeiten verschärfter Bedrohungslagen erfolgreiche Arbeit geleistet, hieß es am Dienstag in Regierungskreisen.

In der rechtsextremen Szene avancierte Haldenwang dagegen zum Feindbild. Haldenwangs Bundestagskandidatur ließ AfD-Chefin Alice Weidel entsprechend über „Parteifilz und staatsnahe Institutionen“ ätzen. Noch vor Jahresende wollte Haldenwang verkünden, ob die AfD bundesweit als „gesichert rechtsextrem“ hochgestuft wird. Das wird nun vorerst nicht geschehen, auch weil die Entscheidung zu nah an die Bundestagsneuwahl heranrückt.

Den Wahlkreis holte zuletzt die SPD

Wer Haldenwang nachfolgt, ist offen. Infrage kommen seine zwei Stellvertreter, Silke Willems und Sinan Selen – die das Amt nun kommissarisch führen werden. Gehandelt wurde auch die frühere Vizepräsidentin Felor Badenberg. Die aber verabschiedete sich zuletzt nach Berlin, ist dort nun für die CDU Justizsenatorin. Offen ist auch, ob Faeser die Nachfolgeentscheidung noch selbst trifft – oder dem oder der neuen Bun­des­in­nen­mi­nis­te­r*in überlässt.

Unklar ist auch, ob ein Bundestagseinzug für Haldenwang überhaupt klappt: Zuletzt gewann den Wahlkreis der Sozialdemokrat Helge Lindh. In der CDU gibt man sich aber angesichts des Bundestrends für die eigene Partei sehr zuversichtlich. Lindh dagegen sagte der taz, er sei „fest gewillt“, den Wahlkreis zu verteidigen. „Ich habe sehr viel für Wuppertal erreicht, war permanent vor Ort. Herr Haldenwang ist ein guter Verfassungsschutzpräsident. Aber das heißt nicht, dass er auch ein guter Wahlkreisabgeordneter wäre.“

Falls es für Haldenwang tatsächlich nicht klappt mit dem Mandat, hätte er immerhin Zeit, mal wieder seinen Hobbys nachzugehen: Opernbesuche, Tanztheater, Motorradfahren.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Herr Haldenwang handelt mit seiner Zukunftsperspektive sehr unüberlegt . Er liefert seinen Gegnern die Munition noch frei Haus, der Bundesverfassungsschutz sei ein Instrument der Altparteien um abweichende Meinungen zu kriminalisieren.



    Die Nachfolgeentscheidung sollte nicht Frau Faeser treffen , diese gescheiterte Regierung hat keine Mehrheit mehr, und würde dem Amt nur schaden.

  • Der Stern titelt zum gleichen Thema gerade



    "AfD-Mitarbeiter des Monats".



    Wirklich, ein größeres Geschenk gibt es nicht.

  • Natürlich ist jemand, der auch gegen Rechtsextremisten und -terroristen vorgeht, ein Hassobjekt für den äußersten rechten Rand. Das kannten die schließlich gar nicht.



    Haldenwang ist ein Segen für die Glaubwürdigkeit des VfS, die von Maaßen (und seinen Vorgängern) so systematisch zerstört wurde.

    • @Kaboom:

      Unter Herrn Maaßen war der VFS eine weitgehend neutrale Behörde. Das hat Herr Haldenwang geändert und dem VFS eine übergriffige Agenda verpasst.



      Wenn dafür in der CDU Platz ist.....

      • @Dromedar:In:

        ROTFL, als Maaßen Chef des VfS war, hat der feine Herr selbst die AfD beraten, was zu tun ist, um eine Beobachtung zu vermeiden. Während seiner Amtszeit fand der unfassbare Skandal der fortwährenden "versehentlichen" Aktenvernichtung im Kontext NSU statt. Er nannte Snowdon einen "Verräter" (extrem neutral, gell?). Er verweigerte Akteneinsicht im Falle von Nazi Brunner. etc. pp.

        Kurz gesagt: Während seiner Amtszeit war der VfS ähnlich "neutral" wie der Papst es im Kontext Atheismus wäre

  • Ich zitiere aus dem obigen Artikel:



    "Schon zuletzt hatte er recht offen angedeutet, dass er demnächst aus dem Amt scheiden würde, dafür wurden gesundheitliche Gründe angeführt."

    Ich bin erstaunt, daß die CDU jemanden, der gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, seinen Beamtenjob auszuüben, in den Bundestag schicken will. Es heißt doch immer, der Job als Bundestagsabgeordneter wäre sehr anstrengend. Und jetzt soll Haldenwang dort seine Reha machen ?

    Und auch interessant ist, daß die Behauptung der AfD, beim Verfassungsschutz würde Parteipolitik gemacht, so klar bestätigt wird.

    Für die örtliche CDU ist das eine gute Gelegenheit, Unabhängigkeit zu demonstrieren, indem sie den Kandidaten durchfallen läßt.

  • Ich habe etwas Sorge davor, wer nach Haldenwang kommt. Er hat endlich mal die Scheuklappen vom Rechten Auge abgenommen und ich weiß nicht, ob der Nachfolger oder die Nachfolgerin das auch macht.

  • Bin ich der Einzige der sich wünschen würde nicht die komplette Führung des Verfassungschutzes parteipolitisch engagiert zu sehen? Die AfD erzählt hier den Wählern der Verfassungsschutz sei nur der verlängerte Arm der Altparteien und seine Arbeit diene nur dem Kampf gegen die Opposition. Deshalb lösen die diversen Einstufungen hier auch nur noch Achselzucken aus. Jetzt wird dieses Narrativ auch noch bestätigt.

    • @Šarru-kīnu:

      "Die AfD erzählt hier den Wählern der Verfassungsschutz sei nur der verlängerte Arm der Altparteien "

      Wen - abgesehen von AfD-Anhängern - interessiert, was die AfD erzählt? Da kommt eh nur Mumpitz. Die Geschichte mit dem VfS ist ein gutes Beispiel. Jeder kann sich die Organisationsstruktur und die - nicht existierenden - Weisungsbefugnisse gegenüber dem VfS in Nullkomanichts besorgen

      www.verfassungssch...ontrolle_node.html

      Wenn die Leute den Unsinn, den die Neubraunen diesbezüglich verzapfen, kaufen, ist das das Problem dieser Leute. Genauso, wie bei jedem anderen Unsinn, der von den Blaunen verzapft wird.

  • Da ich aus Wuppertal komme und dort lebe, stellt sich mir die Frage: Wo ist denn der „grüne“ Osten der Stadt und ist das eher politisch oder städtebaulich gemeint?

    • @Dirk Osygus:

      Naja, vom Tal selbst abgesehen, gibt es ja schon noch Waldartiges im Südosten und teils im Nordwesten des Stadtgebiets. "Wuppertal 1" gibt leider keinen Aufschluss, das ist: Stadtbezirke 0, 1, 2, 3, 5, 6, 7 und 8.

      • @Janix:

        Nordosten natürlich.

  • Schade. Er hat wirklich einen guten Job gemacht.

  • Klar, dass da in der Union schon mal Frauen den Weg zu räumen haben, wenn ein wichtiger Mann ihn gerne betritt. Wobei, besser zu sein als Maaßen war auch arg einfach.

  • Nachtigall, ick hör dir trapsen. - Es war richtig, dass Haldenwang der AFD den Kampf angesagt hat, aber das könnte jetzt ein Rohrkrepierer werden. Damit kann den Verfassungsschutzberichten und insbesondere einer möglicher "Hochstufung" damit als Politik angegriffen werden und damit seine zumindest öffentliche Wirkung verliert.