Antrag für eine Auslieferung Puigdemonts: Die Bundesregierung ist am Zug

Die deutsche Justiz beantragt Auslieferungshaft. Doch ob Puigdemont nach Spanien überstellt wird, entscheidet letztlich jemand anderes.

Puigdemont schaut nach unten

Ungewisse Zukunft: Carles Puigdemont Foto: reuters

Berlin/Madrid taz | Ferran Cornella hält das Prinzip der Gewaltenteilung hoch. Die Justiz entscheide über Rechtsfragen – die Politik über politische Fragestellungen. „Das muss man respektieren“, sagte der in Berlin lebende katalanische Unabhängigkeitsbefürworter der taz,kurz nachdem am Dienstag die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein einen Antrag auf Auslieferungshaft gegen Carles Puigdemont gestellt hatte. Insofern sei nichts gegen die Auffassung der deutschen Juristen einzuwenden. „Das Problem ist nur: In Spanien gibt es diese Gewaltentrennung nicht“, so Cornella.

Deshalb dürfe man den katalanischen Exregierungschef auch nicht dorthin ausliefern. In Spanien erwarte ihn einfach kein fairer Prozess. „Die Entscheidung über eine Auslieferung liegt bei der Bundesregierung. Wenn sie sich dafür entscheidet, muss sie das auch eigenständig begründen“, fordert der Aktivist des Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR). Die Justiz könne nun mal kein politisches Problem lösen.

Und ein politisches Problem ist der Fall Puigdemont in der Tat. Sonntag vor einer Woche war der katalanische Politiker in Schleswig-Holstein festgenommen worden, kurz nachdem er aus Dänemark eingereist war. Die Behörden handelten auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls, den Spanien angestrengt hatte. Vergangenen Oktober hatte Puigdemont als Regierungschef in Katalonien ein Referendum über die Unabhängigkeit der Region von Spanien durchführen lassen. Die Regierung in Madrid setzte ihn daraufhin ab und warf ihm Rebellion und Veruntreuung vor. Doch bevor es zu einem Verfahren kam, setzte Puigdemont sich nach Belgien ab.

Puigdemonts Anwalt reagiert erstaunlich gelassen

Nun ist er in Deutschland in Haft, und das könnte für die Bundesregierung noch unangenehm werden. Denn die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein hat mit ihrem Antrag den Weg für eine Auslieferung Puigdemonts geebnet. Wenn das Oberlandesgericht Schleswig dem folgt, könnte sich nur noch die Bundesregierung einer Überstellung nach Spanien in den Weg stellen. Man würde tief in den Katalonien-Konflikt hineingezogen, aus dem man sich eigentlich heraushalten will. Der Spiegel mutmaßt schon, dass Berlin sich nicht gegen die Entscheidung der norddeutschen Behörden stellen werde.

Eben das, ein entschiedenes Entgegenstellen, fordern hierzulande manche in der Linkspartei. Eine ihrer Bundestagsabgeordneten, Zaklin Nastic, hatte Puigdemont am Sonntag in der Justizvollzugsanstalt Neumünster besucht und sagte der taz: „Die Bundesregierung darf ihn nicht ausliefern.“ Aus einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags geht laut Nastic hervor, „dass politische Verfolgte nach deutschem Recht trotz Europäischem Haftbefehl nicht ausgeliefert werden müssen“.

Die deutschen Verteidiger des ehemaligen katalanischen Regierungschefs haben das Oberlandesgericht von Schleswig-Holstein direkt um die Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft ersucht. „Die Durchführung des Referendums war grundsätzlich nicht strafbar“, sagte Puigdemonts Anwalt Till Dunckel am Dienstag. Der spanische Anwalt Puigdemonts reagierte zunächst erstaunlich gelassen: „Es wäre verwunderlich gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft den Europäischen Haftbefehl nicht anerkannt und die Auslieferungsantrag nicht zugelassen hätte“, sagte Gonzalo Boye der taz.

Die spanische Regierung wiederum ließ bislang kaum mehr verlauten, als dass sie die Vorgänge in Deutschland zur Kenntnis genommen habe. „Spanien und Deutschland sind demokratische Rechtsstaaten, und wir müssen in beiden Ländern die Regeln, die wir uns gegeben haben, sowie die Arbeit der Richter und Staatsanwälte respektieren“, erklärte die stellvertretende spanische Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamarí von der konservativen Partido Popular (PP).

Neue Eskalation befürchtet

Carles Campuzano, Sprecher der katalanischen PdeCAT, der auch Puig­demont angehört, zeigte sich am Dienstag allerdings überzeugt davon, dass die deutschen Richter die Auslieferung letztlich ablehnen würden. Der Vorwurf der Rebellion und der Gewalt sei „ganz einfach fehl am Platz“.

Tatsächlich hatten verschiedene Politiker der PP von Ministerpräsident Mariano Rajoy und der rechtsliberalen Partei Ciudadanos (Cs) die katalanische Unabhängigkeitsbewegung in den vergangenen Tagen verstärkt der Gewalt bezichtigt. Dabei ging es um Sprühereien am Haus eines Ermittlungsrichters im katalanischen Girona, um Solidaritätsparolen mit den „politischen Gefangenen“ an der Fassade eines Parteibüros der Cs in Tarragona und um unblutige Straßenblockaden.

„In Katalonien gibt es keine Gewalt. Schlagen wir nicht dort Alarm, wo nichts passiert“: Mit diesen Worten warnte die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, vor einer weiteren, auch verbalen Eskalation. Colau gehört zur basisdemokratischen Plattform Barcelona En Comú, sie regiert mit Unterstützung von Parteien der Befürworter der Unabhängigkeit und solchen, die sie ablehnen. Sowohl in Spanien als auch in Deutschland haben Aktivisten jetzt weitere Demonstrationen gegen die Inhaftierung beziehungsweise Auslieferung Puigdemonts geplant.

Am kommenden Samstag will Ferran Cornella mit dem CDR eine Demonstration vor der Justizvollzugsanstalt Neumünster organisieren. Mit Bussen sollen Unabhängigkeitsbefürworter aus ganz Deutschland kommen, auch Politiker aus Katalonien werden erwartet. In Barcelona hat ein Bündnis aus Unabhängigkeitsbewegung, Gewerkschaften und Organisationen aus der Kultur für den 15. April zu einer Großdemonstration zur Verteidigung demokratischer Rechte aufgerufen.

Was alle, quer durch die Lager befürchten: Eine Auslieferung Puig­demonts aus Deutschland nach Spanien könnte den Zorn und die Auseinandersetzungen dort gehörig anheizen.

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