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Antiziganismus im AlltagGanz plötzlich kein Zimmer frei

Kelly Laubinger von der Sinti-Union bucht für einen gastierenden Autor ein Zimmer. Das Hotel storniert – wegen ihres Namens. Nun geht sie vor Gericht.

Nicht immert seriös begründet: Schild mit Aufschrift „belegt“ an einer Pension Foto: Matthias Bein/dpa

Hamburg taz | Es sollte ein Lesefest gegen Diskriminierung werden – und endet vermutlich vor Gericht. Im vergangenen Oktober wollte Kelly Laubinger, Geschäftsführerin der Sinti-Union Schleswig-Holstein, ein Zimmer für den Autor Max Czollek buchen, der in den damals neu eröffneten Räumen des Selbsthilfe-Vereins lesen sollte. Ein örtliches Hotel verweigerte die Reservierung, die Begründung: „Schlechte Erfahrungen mit der Familie Laubinger“. Der Name ist typisch für die Sinti-Minderheit. Kelly Laubinger machte den Fall öffentlich, schaltete die Antidiskriminierungsstelle des Landes ein und verlangt Wiedergutmachung. Der Versuch einer außergerichtlichen Schlichtung scheiterte. Nun droht ein Prozess.

Mit dem Hotelier Thomas Hildebrandt an einem Tisch zu sitzen, sei kein gutes Gefühl gewesen, berichtet Laubinger von dem Schlichtungsgespräch. Ihre Forderungen, darunter eine öffentliche Entschuldigung und ein Antidiskriminierungstraining für ihn selbst und seine Mitarbeiter:innen, habe er abgelehnt. Aus Sicht des Hoteliers stellte sich die Szene anders dar: „Bei dem Gespräch war sie zu keinem Dialog bereit. Selbst als ich auf ihre Forderungen weitgehend eingehen wollte, lehnte sie ab“, schreibt er auf taz-Anfrage.

Der Teufel liegt im Detail

Es sind die Details, über die sich beide Seiten nicht einigen können. So verlangte Laubinger ein Anti-Rassismus-Seminar für das ganze Team, Hildebrandt schlug vor, alleine daran teilzunehmen, „da 60 Prozent meiner Mitarbeiter die deutsche Sprache schlecht bis gar nicht sprechen“. Eine Entschädigung wollte er an eine örtliche „Brennpunktschule mit über 30 Nationen, auch mit Sinti- und Roma-Kindern“ zahlen. Überhaupt sei er „seit 25 Jahren durch meinen Rotary-Club engagiert in Burkina Faso“. Daher sei es „erniedrigend“, so der Hotelier, wenn er und sein Team als „Rassisten und Nazis beschimpft“ würden.

Sie selbst habe ihn nie so genannt, betont Laubinger. Doch für sie ist Hildebrandts Verweis auf das Engagement im Ausland eher ein Zeichen dafür, dass der Mann nicht verstanden habe, worin die Diskriminierung bestand. Denn die Sinti sind eben nicht „ausländisch“: Die Minderheit ist seit über 600 Jahren in Schleswig-Holstein ansässig und genießt seit 2012 Verfassungsrang, so wie die dänische und die friesische Minderheit. Dennoch werde „unterstellt, wir seien nicht deutsch genug oder nicht gut integriert“, sagt Laubinger, deren Verein sich dafür einsetzt, die Minderheit sichtbarer zu machen.

Beim Mediations-Gespräch und auch gegenüber Medien hatte Hildebrandt die damalige Entscheidung bedauert und von einem Missverständnis gesprochen. Laubinger hätte ihn anrufen und die Sache klären können, sagt er. Kelly Laubinger schüttelt den Kopf: Die Ablehnung sei so deutlich gewesen, dass sie keine Basis für ein Gespräch gesehen habe: „Das Zimmer stand plötzlich nicht mehr zur Verfügung, als ich explizit im Namen der Sinti Union SH buchen wollte.“ Für die Enkelin von Holocaust-Überlebenden war diese harsche Abfuhr „ein Stich ins Familien-Trauma“.

„Ein Stich ins Familien-Trauma“: Kelly Laubinger, Geschäftsführerin der Sinti Union Schleswig-Holstein Foto: Katja Grope

Im vergangenen Oktober sollte der Berliner Autor Max Czollek in Neumünster im Rahmen einer „antirassistischen Lesereihe“ aus seinem Buch „Versöhnungstheater“ lesen. Auf der Suche nach einem Zimmer war Laubinger auf Hildebrandts Hotel gestoßen, das sozusagen um die Ecke liegt. „Gäste können zu Fuß gehen – ideal auch für zukünftige Veranstaltungen“, sagt sie. Online reservierte sie ein Zimmer und bekam eine Zusage. Als sie die bestätigte, erhielt sie eine Mail, die die taz einsehen konnte: „Leider darf ich Ihnen kein Zimmer vermieten, da wir mit der Familie Laubinger leider schlechte Erfahrungen gemacht haben“, schreibt eine Mitarbeiterin des Hauses. Das doppelte „leider“ lässt ahnen, dass sie selbst nicht froh darüber war.

„Maximal schlechte Kommunikation“

Heute bedauere er die Absage „aus tiefstem Herzen“, sagt Hotelier Hildebrandt. Die Kommunikation im eigenen Haus sei „maximal schlecht gelaufen“. Mit Sinti habe er den Namen „Laubinger“ – der in der Minderheit ähnlich weit verbreitet ist wie „Müller“ oder „Meier“ in der deutschen Mehrheitsgesellschaft – nicht in Zusammenhang gebracht.

Doch warum genau er nicht an eine Laubinger vermieten wollte, bleibt vage. Der Lokalzeitung Holsteiner Courier sagte Hildebrandt, Gäste dieses Namens hätten früher einmal nicht bezahlt. Dem Fernsehsender Sat 1 sagte er dagegen, ein Laubinger habe ein Zimmer „verwüstet“. Auf die Frage der taz nach diesem Widerspruch antwortet der Hotelier unbestimmt, es habe „vor einigen Jahren in unserem ersten Hotel einen sehr unangenehmen Vorfall mit dem Namen Laubinger gegeben“. Deswegen habe er abgelehnt, obwohl nicht einmal eine Person namens Laubinger hätte übernachten sollen. „Menschen machen Fehler, auch ich“, schreibt er.

Nachdem Laubinger den Fall bekannt gemacht hatte, gab es zahlreiche Reaktionen – positive wie negative. Hildebrandt spricht von „Hass und Hetze“, die ihn getroffen hätten: „Das wird dem Vorfall nicht gerecht.“

Kelly Laubinger nimmt es gelassen: „Ich kriege bestimmt mehr Hass-Kommentare als er“, sagt die Verbands-Geschäftsführerin. Aber sie erhielt auch Zuspruch, darunter von Po­li­ti­ke­r:in­nen wie der EU-Abgeordneten Delara Burkhardt (SPD).

Kommt es zu einem Verfahren, ist es für sie bereits der zweite Prozess, mit dem sie gegen Diskriminierung vorgeht. In einem ersten Verfahren hatte sie gegen einen Fitnessstudio-Besitzer geklagt, der sie wegen ihres Namens nicht aufnehmen wollte. Das Gericht gab ihr recht.

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22 Kommentare

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  • So wie das jetzt lese geht es nicht (mehr) darum ob es damals oder zukünftig ein Zimmer für Frau Laubingers Gäste gibt.



    Gescheiterte Kommunikation akzeptieren und Themen um die es geht getrennt halten. Wäre mein Hinweis um weiter zukommen. Wenn man will.

  • Dass man der entsprechenden Person Hausverbot erteilt macht Sinn. Aber nun JEDEN Menschen mit dem Namen kein Zimmer zu vermieten geht gar nicht. "Oh, Sie heißen Hoffmann? Tja, dann geht das nicht....". Das geht ja noch einmal über Sippenhaft hinaus zu Menschen, die nicht mal direkt verwandt sind. Da gibt es jetzt keine gute Ausrede. Wer so einen Fehler macht, kann nur noch Asche aufs Haupt kippen und fertig. Diskutieren macht es nicht besser. Und "But I have a black friend" Argumente ziehen nicht...

  • Leider kann ich einige Sachen des Hoteliers bestätigen. Ich war selber in der Gastronomie tätig und hatte mehrere negative Vorfälle mit Sinti und Roma. Es wurde mehrfach jedes Klischee bestätigt.



    Die junge Dame muss sich mal fragen warum das so ist. Ich habe mehrere Feiern für einige ausgerichtet die aus dem Ruder gelaufen sind. Irgendwann habe ich keine mehr angenommen.



    Vielleicht bin ich auch immer an die Falschen geraten zumal ich am Anfang gar nicht wusste das die Sinti oder Roma sind, hat mich auch nicht wirklich interessiert.



    Für mich ist jeder Mensch erst einmal positiv bis er mich vom Gegenteil überzeugt.

    • @Garum:

      Die "junge Dame" muss sich überhaupt nicht fragen, warum das so ist. Sie kann sich trotzdem rechtmäßig über die Diskriminierung beschweren. Sie kann nämlich nichts für eventuelle frühere Erfahrungen mit Menschen gleichen Namens. Stellen Sie sich z.B. mal vor, sie möchten eine Wohnung mieten. Der Vermieter sagt: " Ich kannte Ihren Großvater, den konnte ich überhaupt nicht leiden. Sie kriegen von mir bestimmt keine Wohnung." Wie geht's Ihnen damit? Wahrscheinlich möchten Sie sich dann irgendwo beschweren, weil Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Und hilflos, da Sie dieses "Argument" gar nicht widerlegen können, keinen Einfluss ausüben können. Pauschal abgelehnt. Und jetzt sage ich: "Tja, dann muss der Herr sich halt mal fragen, warum das so ist." Hm.

    • @Garum:

      Ich bin in Italien einmal beklaut und einmal im Restaurant über den Tisch gezogen worden, seitdem esse ich nicht mehr beim Italiener.

      In Paris wurden mir gefälschte Métro-Tickets verkauft und im Hotel gab es kein warmes Wasser, seitdem esse ich kein Baguette mehr.

      Im Londoner Eastend würde ich fast verprügelt und ein Taxifahrer berechnete mir den doppelten Fahrpreis, Seitdem höre ich keine englischsprachige Musik mehr.

      • @Jim Hawkins:

        Ich habe wehrend meiner Arbeitszeit ca. 20- 30 Vorfälle gehabt, inklusive der zerstören eines Lokals.



        Leider ist es so das man sich Familie nicht aussuchen kann. Was einige mühsam aufbauen reißen andere mit dem Arsch ein.



        Und ihre dumme Art können Sie sich bei mir verkneifen.

        • @Garum:

          Wissen Sie, die Sinti und Roma haben auch ziemlich schlechte Erfahrungen mit Deutschen gemacht.



          Da geht es auch um "mehrere negative Vorfälle", (so 500000 - 1000000)) inklusive des Ermordens von Kindern.

          Was die Einen mit Erinnerungsarbeit versuchen aufzubauen reißen Andere mit dem Arsch ein.

          Und auch wenn es Ihnen nicht gefällt.

          Die Konsequenzen, die Sie aus Ihren angeblichen Erfahrungen zu ziehen scheinen sind nüchtern und obejktiv betrachtet die Definition von Rassismus.

          • @Zecke:

            Ja, das Sinti und Roma mit Deutschen schlechte Erfahrung gemacht haben will ich nicht mal ansatzweise bestreiten.



            es sind auch nicht meine angeblichen Erfahrungen, es sind Erfahrungen.



            Und da sie mich nicht kennen verbitte ich mir, mir Rassismus zu unterstellen. Davon bin ich weit entfernt.



            Es ging bei um konkrete Fälle,

        • @Garum:

          Aber wenn der Alman das Leben von Sinti und Roma mit Vertreibung zerstört, das ist dann wieder was anderes?

        • @Garum:

          Wow, das werden ja immer mehr.

      • @Jim Hawkins:

        Ihre Gegenargumentation geht völlig daneben. "Gerum" schildert sehr konkrete Vorbehalte aufgrund sehr konkreter Ereignisse.

        Sie unterstellen (allgemeine) Verbehalte die nichts mit konkrten Ereignissen zu tun haben.

        Mal andersherum gedacht:



        Sie müssten nach Ihrer "Logik" ja auch gegen jeden Vorwurf des systematischen Rassismus der dt. Mehrheitsgesellschaft argumentieren - ist ja letztlich auch nur Schubladendenken....

        • @Chris McZott:

          "Ihre Gegenargumentation geht völlig daneben. "Gerum" schildert sehr konkrete Vorbehalte aufgrund sehr konkreter Ereignisse."

          Ach ja?

          Wenn jemand schlechte Erfahrungen mit Menschen einer Gruppe gemacht hat, dann berechtigt das, diese Gruppe unter Generalverdacht zu stellen?

          Und was bitte ist an der Schilderung "sehr konkret"?

          • @Jim Hawkins:

            Vielleicht dazu ein Beispiel, das die Argumentationslinie etwas besser illustriert:



            "Es verbietet sich, Polizisten mit Untersuchungen zu behelligen, nur weil in paar davon offen rechtsradikale Gesinnungen gezeigt haben."



            Würden Sie dem auch zustimmen?



            Wie sieht es eigentlich damit aus, dass allgemein Antiziganismus konstatiert wird, nur weil ein paar Vermieter keine Roma als Mieter genommen haben?



            Im Zweifel ist sehr viel eine Frage des Blickwinkels.

            • @Encantado:

              1. Es ist ein Unterschied, wenn in einer gesellschaftlichen Institution (Polizei) rechtsradikale Strukturen auffallen. Sowas sollte man doch untersuchen, oder? Die Personen dort üben eine wichtige, machtvolle Funktion aus, da müssen sie schon mit strengeren Gesinnungsprüfungen leben.



              2. Möchten Sie mit ihrem Vermieter-Beispiel sagen, dass Vermietern pauschal Antiziganismus unterstellt wird? Wer tut das und wo? Die Berichterstattung über konkrete Fälle zählt übrigens nicht zu den pauschalen Unterstellungen.

            • @Encantado:

              Und wenn ein paar Vermieter keine Juden als Gäste nehmen wollen, was ist es dann?

              Oder keine Schwarzen, keine Lesben, keine Schwulen?

              Dann sind diese paar Vermieter vermutlich Antisemiten, homophob oder rassistisch.

              Was denn sonst?

              • @Jim Hawkins:

                Richtig, aber sie werfen alles in einen Topf. Der Vorgang von @garum ist alltägliches Geschäftsgebaren, schließlich bestreitet er seinen Lebensunterhalt damit. Da bringt es ihm nichts, wenn er bei jeder Roma und Sinti Feier ein dickes Minus macht. Ein ähnliches Beispiel kenne ich von russischen Hochzeiten.

                Etwas anderes ist es wenn, man eine Gruppe unter Pauschalverdacht setzt, ohne Bezug zu irgendwelchen Vorkomnissen oder Begegnungen. Und selbstverständlich ist es keine gute Idee vom Einzelnen aufs Ganze zu schließen. Das berühmte "Die". Das hat @garum aber gar nicht gemeint.

                • @Sam Spade:

                  Es IST ein Pauschalverdacht, wenn man aufgrund einiger persönlicher Erfahrungen jeglichen Geschäftskontakt zu einer Volksgruppe oder zu Personen mit einem bestimmten Familiennamen ablehnt. Wie man es dreht und wendet, es ist Diskriminierung.

                • @Sam Spade:

                  20 - 30 Vorfälle?

                  Echt jetzt?

              • @Jim Hawkins:

                Ich zitiere einfach mal die weiter oben sehr berechtigt gestellte Frage:



                "Wenn jemand schlechte Erfahrungen mit Menschen einer Gruppe gemacht hat, dann berechtigt das, diese Gruppe unter Generalverdacht zu stellen?"

                • @Encantado:

                  Eben nicht, das Ist doch mein Reden.

                  • @Jim Hawkins:

                    Also dürfen Vermieter nicht unter Generalverdacht gestellt werden.



                    Danke für die Argumentationsführung.

                    • @Encantado:

                      Natürlich nicht.

                      Niemand sollte unter Generalverdacht gestellt werden.

                      Versuchen wir es mit Logik.

                      Da gibt es 20 - 30 Vorfälle bis hin zu Zerstörung eines Lokals im Leben eines Gastronomen oder Hotelier.

                      Wenn sich nicht alle Sinti und Roma verschworen haben, immer bei diesem zu buchen muss es Hunderte solcher Vorfälle geben.

                      Ich habe nicht von einem gehört. Keine Belege, nichts. Nichts in den Medien.

                      Es gibt 80.000 Sinti und Roma in Deutschland.

                      Nach dieser Behauptung müsste fast jeder in einen derartigen Vorfall verwickelt sein.

                      Was sagt uns das?