Antisemitismusvorwurf gegen Emcke: „Haltlos und unangebracht“
Jüdische Intellektuelle verteidigen die Publizistin Carolin Emcke gegen Antisemitismusvorwürfe. Sie greifen vor allem die Springer-Presse scharf an.
Die preisgekrönte und zivilgesellschaftlich engagierte Publizistin Emcke hatte am Wochenende auf dem Grünen-Parteitag über Falschmeldungen und rechte Hetze während des Bundestagswahlkampfs gesprochen. Dabei sagte sie: „Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen oder die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.“
Die Springer-Zeitungen Bild und Welt sowie Unions-Politiker:innen warfen ihr daraufhin Antisemitismus vor: Emcke habe das Leid jüdischer Menschen während des Holocaust verharmlost. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb auf Twitter von einer „unglaublichen + geschichtsvergessenen Entgleisung“.
Die Vorwürfe gegen Emcke bezeichnen die jüdischen Unterzeichner:innen in ihrer Stellungnahme nun als „haltlos und unangebracht“. Sie schreiben: „Keiner ihrer [Emckes; Anmerkung d. R.] Sätze ist in irgendeiner Weise als antisemitisch zu werten.“ Die Kritiker:innen Emckes unterminierten „mit diesen aus dem Zusammenhang und aus der Luft gerissenen Vorwürfen den eigentlichen, wichtigen Kampf gegen den Antisemitismus.“
Weiter heißt es in dem Statement: „Auf die gemeinsame kulturelle Textur und politische Form gruppenfeindlicher Ressentiments hinzuweisen bedeutet mitnichten, den Antisemitismus zu verharmlosen oder alles irgendwie gleich, gar beliebig zu behandeln. Im Gegenteil.“
Insbesondere Bild und Welt werden im Text hart angegangen: Deren Autor:innen hätten mit ihren Angriffen auf Emcke den Antisemitismusbegriff „instrumentalisiert, missbraucht, also entwertet.“ Die Behauptung, Springer setze sich konsequent gegen Antisemitismus ein, sei deswegen „hohl“.
Vielmehr diene der vermeintliche Kampf der Springer-Medien gegen Hass auf jüdische Menschen „als Alibi für ressentiment-schürende, teilweise regelrecht hetzende Berichterstattung gegen Muslim:innen, Geflüchtete – oder, wie in diesem Fall, gegen Menschen, die politisch nicht rechts stehen.“ Das Leben jüdischer Menschen in Deutschland werde so „lediglich als Munition in einem herbeigeschriebenen Kulturkampf genutzt.“
Aktualisierung Donnerstag 16.06.2021: Mittlerweile hat Paul Ziemiak seine Vorwürfe gegen Carolin Emcke zurückgenommen. Er habe ein „längeres + gutes Telefonat“ mit Emcke geführt, schrieb er am Mittwochabend auf Twitter. Und weiter: „Im Kontext ganzer Rede wird deutlich, dass sie Hass & Lügen gg. Juden nicht vergleicht od. verharmlost.“ [sic!]
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus