Antisemitismus in den USA: Eine Tote nach Schüssen in Synagoge

Im kalifornischen Poway hat ein 19-Jähriger auf jüdische Gottesdienstbesucher geschossen. Er tötet eine Frau und verletzte drei Menschen.

Flatterband hängt neben der Straße vor der Chabad of Poway Synagoge.

Der mutmaßliche Schütze des Angriffs auf die Chabad-Synagoge ist festgenommen worden Foto: dpa

WASHINGTON dpa/ap | Sechs Monate nach dem rechtsradikal motivierten Angriff auf eine Synagoge in Pittsburgh hat ein Mann in einer Synagoge in Kalifornien das Feuer eröffnet und eine Frau getötet. Drei weitere Menschen – darunter der Rabbi – seien am Samstag verletzt worden, sagte der Sheriff im San Diego County, Bill Gore. Die Zeitung San Diego Union-Tribune berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, dass die Frau, die bei den Schüssen starb, vor den Rabbiner gesprungen sei, um ihn zu schützen.

Der mit einem Gewehr bewaffnete Angreifer sei am letzten Tag des jüdischen Pessachfestes in die Synagoge der orthodoxen Chabad-Bewegung in Poway nördlich der Stadt San Diego eingedrungen. Poways Bürgermeister Steve Vaus sprach von einem „Hassverbrechen“ und betonte: „Ich will, dass du weißt, dass das nicht Poway ist.“ In Poway unterstützten sich die Bürger, so Vaus. „Wir werden Arm in Arm durch diese Tragödie gehen“.

Der mutmaßliche Schütze wurde festgenommen. San Diegos Polizeichef David Nisleit sagte, es handele sich um einen weißen 19-Jährigen aus San Diego. Er sei zunächst vom Tatort geflohen, habe dann aber selbst die Polizei angerufen und sich anschließend widerstandslos festnehmen lassen. Vaus sagte dem Sender CNN, er gehe davon aus, dass der Angreifer gezielt eine Synagoge ins Visier genommen habe. „Ich habe gehört, dass es definitiv jemand mit Hass in seinem Herzen war, Hass auf unsere jüdische Gemeinschaft.“

Nach dem Angriff verurteilte US-Präsident Donald Trump jeglichen Antisemitismus auf das Schärfste. „Unsere gesamte Nation trauert um den Verlust von Leben, betet für die Verletzten und ist solidarisch mit der jüdischen Gemeinschaft“, sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Green Bay im Bundesstaat Wisconsin. „Mit Nachdruck verurteilen wir das Übel des Antisemitismus und des Hasses, das besiegt werden muss.“

Auch der demokratische Gouverneur Kaliforniens Gavin Newsom äußerte seine Anteilnahme. „Niemand sollte Angst haben müssen, zu seinem Gotteshaus zu gehen, und niemand sollte für die Ausübung seiner Glaubensgrundsätze zum Ziel werden“, sagte er.

Online-Kampfschrift mit Bezug auf Christchurch

Sheriff Gore sagte, man prüfe, ob eine im Internet veröffentlichte Kampfschrift, die dem Festgenommenen zugeschrieben wurde, authentisch sei. Darin schreibt der Autor, dass Juden „nichts als die Hölle“ verdienten. „Ich werde sie dorthin schicken.“ Der Verfasser bezieht sich darin auch auf Brenton Tarrant, den mutmaßlichen Attentäter von Christchurch. Der Rechtsextremist soll für den Anschlag auf zwei Moscheen mit 50 Todesopfern in Neuseeland verantwortlich sein.

Der Autor bekennt sich in dem nicht verifizierten Schreiben auch auf einen bislang nicht aufgeklärten Brandanschlag auf eine Moschee im kalifornischen Escondido kurz nach dem Anschlag in Christchurch. Sheriff Gore sagte, es werde geprüft, ob es eine Verbindung zu dieser Tat gebe. Der Brand im vergangenen Monat habe Schäden verursacht, es habe aber keine Verletzten gegeben.

Auf den Tag genau sechs Monate vor dem Angriff in Poway hatte ein Rechtsradikaler in der „Tree of Life“-Synagoge in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania elf Menschen erschossen. Es handelte sich um das folgenschwerste antisemitische Verbrechen in der Geschichte der USA. Dem Täter wird derzeit der Prozess gemacht. Ihm droht nach Angaben des Justizministeriums die Todesstrafe.

Nach jüngsten Statistiken der Bundespolizei FBI haben Hassverbrechen in den USA 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent zugenommen. 2017 registrierten die Behörden 7.175 solche Verbrechen. 1.679 davon wurden als religiös motiviert eingestuft. Von diesen Taten richteten sich wiederum 58,1 Prozent gegen Juden, 18,7 Prozent gegen Muslime. Kritiker werfen Trump vor, nicht energisch genug gegen Rechtsradikale Position zu beziehen oder sie mit seiner hitzigen Rhetorik sogar zu ermutigen.

Auf ein achtjähriges Mädchen unter Verletzten

Sheriff Gore sagte, bei dem Angriff am Samstag seien vier Menschen verletzt worden. Eine ältere Frau starb an ihren Verletzungen. Bei den anderen drei handele es sich um eine Jugendliche und zwei erwachsene Männer. Sie alle schwebten nicht in Lebensgefahr.

Das israelische Außenministerium teilte am Sonntag mit, unter den Verletzten seien zwei Israelis, ein achtjähriges Mädchen und ihr 31-jähriger Onkel. Sie seien vor einigen Jahren aus der israelischen Grenzstadt Sderot nach San Diego gezogen.

In der Synagoge wurde während des Angriffs das jüdische Pessachfest begangen, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei erinnert. Die einwöchigen Feierlichkeiten hätten am Samstagabend mit einem Essen beendet werden sollen.

Die vor 250 Jahren gegründete Chabad-Lubawitsch-Bewegung war zunächst in Russland verbreitet und dehnte sich dann über die Nachbarländer aus. Ihr Ziel ist es, Juden ihrer Religion und ihren Traditionen näherzubringen. Weltweit hat die Organisation nach eigenen Angaben Zehntausende Mitarbeiter in mehr als 3.300 Institutionen.

Kürzlich Angriff auf Muslime

In Kalifornien war es kürzlich erst zu einem weiteren Angriff gekommen, der nach Überzeugung der Polizei Muslimen galt. Bereits am Dienstag war ein 34-jähriger US-Armeeveteran in Sunnyvale mit seinem Auto in eine Menschengruppe gefahren. Neue Beweise zeigten, dass der Verdächtige die Opfer aus rassistischen Gründen angegriffen habe, teilte die Polizei nun mit. Er habe sie für Muslime gehalten. Acht Menschen waren bei dem Vorfall am vergangenen Dienstag verletzt worden, ein 13-jähriges Mädchen schwebte danach in Lebensgefahr.

Nach Überzeugung der Ermittler steuerte der Mann sein Fahrzeug absichtlich in die Menschengruppe. Der Verdächtige wurde festgenommen. Ein Polizeisprecher sagte, ihm werde versuchter Mord in acht Fällen vorgeworfen. Zeugen hätten ausgesagt, dass er nach der Kollision Gott gedankt habe. Der Sender ABC berichtete, der Verdächtige sei 2005 und 2006 mit der US-Armee im Irak gewesen. Laut seiner Familie sei er danach wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung gewesen.

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