Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte: Rassisten zündeln, Steinmeier warnt

Im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte sind auch an den Feiertagen Ziel von Angriffen. Der Außenminister warnt vor Stimmenfang mit dem Flüchtlingsthema.

Der Schatten der Feuerwehrmänner an der Wand, vor einem geöffneten Fenster.

Feuerwehrmänner in der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Schwäbisch Gmünd Foto: dpa

Schlettau/Schwäbisch Gmünd/Berlin/düsseldorf epd/afp/dpa | Im sächsischen Erzgebirge ist ein Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft verübt worden. Vier unbekannte Täter hätten am frühen Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages mehrere Brandsätze gegen das Gebäude in Schlettau bei Annaberg-Buchholz geworfen, teilte die Polizei mit. Zwei der Brandsätze seien beim Wurf durch eine Fensterscheibe erloschen, zwei weitere seien auf ein Vordach geworfen worden und vom Wachschutz gelöscht worden.

Bereits am Morgen des ersten Weihnachtstages beschädigte ein Brand den Rohbau für eine Flüchtlingsunterkunft in Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Ersten Schätzungen zufolge beträgt der Schaden rund 20.000 Euro. Menschen kamen nicht zu Schaden. In dem neuen Gebäudekomplex sollen im Frühjahr rund 120 Flüchtlinge untergebracht werden.

Als Reaktion auf den mutmaßlichem Brandanschlag hatten sich mehr als 300 Bürger am Freitagabend zu einer Mahnwache vor dem Gebäude versammelt. Redner unterschiedlicher Parteien wandten sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Intoleranz, wie die Stadt mitteilte. Schwäbisch Gmünds Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) sagte, die „feige Tat“ sei ein Angriff auf die Demokratie. Die gesamte Stadt und die gesamte Gesellschaft müssten sich deutlich gegen diese Entwicklung stellen.

An der Mahnwache beteiligten sich Vertreter aller Parteien, Stadträte, Kirchenvertreter sowie Vertreter von Vereinen, Gruppen und Einrichtungen.

Übergriffe in NRW haben sich versechsfacht

Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsheime hat sich in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr bereits mehr als versechsfacht. Waren im vergangenen Jahr 29 meist rechtsextremistisch motivierte Übergriffe registriert worden, seien es in diesem Jahr bis kurz vor Weihnachten bereits 187 gewesen, berichtete das Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf auf Anfrage. „Nicht jeder Übergriff ist ein Brandanschlag, da sind auch Böller- und Bierflaschenwürfe registriert“, sagte Klaus-Stephan Becker, Abteilungsleiter Staatsschutz im LKA.

Experten sehen einen Zusammenhang zwischen der Stimmungsmache gegen Flüchtlinge im Internet und der Zunahme der Taten. Im LKA wird deswegen seit Mitte Oktober gezielt rechte Hetze im Internet verfolgt. Bisher seien 138 Fälle verfolgt und 46 Verdächtige identifiziert worden, sagte Becker. Die Delikte seien Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung, Nötigung und Bedrohung. „Die Täter wähnen sich im Internet anonym, aber das ist ein Irrtum“, sagte Becker.

„Schweigende Mehrheit darf nicht länger schweigen“

Derweil hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor einer Instrumentalisierung der Flüchtlingspolitik in Wahlkämpfen gewarnt. Der starke Anstieg rechtsextremer Gewalt in Deutschland zeige, wie gefährlich es sei, mit dem Flüchtlingsthema auf Stimmenfang zu gehen. „Aus meiner Sicht ist das auch ein Ergebnis geistiger Brandstiftung“, sagte Steinmeier den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte: „Wir müssen alle unseren Teil dazu beitragen, dass das Klima nicht kippt.“

Jeder Angriff auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte sei „eine Attacke auf unsere Grundwerte“, sagte Maas: „Wenn sich Fremdenfeindlichkeit artikuliert, dann muss es Gegenreaktionen geben. Die schweigende Mehrheit darf nicht länger schweigen.“ Der SPD-Politiker forderte zur Gegenrede auf: in der Kneipe, auf dem Fußballplatz, am Arbeitsplatz.

Justizminister Maas fügte hinzu, auch in den sozialen Netzwerken wachse die „verbale Radikalität“: „Erst fallen die Hemmschwellen bei den Worten, anschließend folgen die Taten.“ Es sei ein „wichtiger Schritt, dass Unternehmen wie Facebook, Google oder Twitter sich bereit erklärt haben, Hasskriminalität innerhalb von 24 Stunden aus dem Netz zu entfernen“. Steinmeier nannte es „eine wichtige Antwort auf die Gefahr von rechts“, entschieden gegen Hassbotschaften im Internet vorzugehen.

Der Außenminister bezeichnete es zugleich als verständlich, dass „Menschen hierzulande besorgt sind und sich fragen, ob wir es schaffen können, all die Flüchtlinge, die zu uns kommen, auch zu integrieren“. „Geistiger Brandstiftung“ indes müssten sich die Volksparteien mit aller Vehemenz entgegenstellen.

Steinmeier sagte, es sei wichtig, „dass wir wieder mehr Kontrolle darüber haben, wer nach Europa ein- und ausreist“. Dabei seien die Pläne der EU zum Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex ein wichtiger Baustein. Zugleich warnte er davor, „Flüchtlinge mit mutmaßlichen Terroristen in einen Topf zu werfen“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.