piwik no script img

Annalena Baerbock und KlimaschutzEine für alle

Sprechen ist nicht Handeln. Und: Interessiert es das Klima, wenn eine jüngere Frau eine ältere als Kanzlerin ablöst?

1,5-Grad-Pfad? Wo ist das Problem, Alter? Foto: Kay Nietfeld/picture allianceKay Nietfeld/picture alliance

T riggerwarnung: Ich werde über politische Inhalte sprechen.

Sage ich: Mir geht es darum, bei der Bundestagswahl eine Mehrheit zu gewinnen, für die gemeinsame politische Bearbeitung der Klima­krise und die sozialökologische Transformation der Wirtschaft. Darüber muss im Wahlkampf gesprochen werden.

Sagen die Leute: Wo ist das Problem, Alter? So schnell kannst du gar nicht schauen, wie heute Union, SPD und FDP „1,5 Grad-Pfad“ sagen.

Das Problem ist, dass Sprechen nicht Handeln ist. Und dass immer irgendein Ablenkungs- und Charakter-Abwertungsthema dazwischen kommt und gern ein Kulturkämpfchen. Letzteres lieben Altkonservative wie Linksemanzipatorische, denn es ist ihr business as usual.

In der alten Welt der Bundesrepublik schien die Frage zu sein: Konservativ oder progressiv, rechts oder links, Union oder SPD? In Wahrheit war es etwas mehr oder etwas weniger fossil erwirtschaftete Umverteilung und emanzipatorische Moderne, und bedeutete vor allem Union UND SPD, die alles im Griff hatten, inklusive bis heute die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Je kraftloser der alte Antagonismus wurde, desto stärker schrumpfte zunächst die SPD und wurden die beiden Nachkriegsvolksparteien in einer gemeinsamen Bundesregierung aneinandergekettet.

Daraus ergab sich der Aufstieg der AfD, die ein alternatives fossiles Angebot macht, in dem Zukunft und emanzipatorische Moderne komplett aufgegeben ist. Und der Aufstieg der Grünen, der möglich wurde, weil die neuen Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock die ökoemanzipatorische Bessersprecher-Nische und das alte halblinks-halbrechts-Lagerdenken abhakten, sodass sich seither breite Teile der Gesamtgesellschaft von ihrem Modernisierungsversprechen gemeint fühlen.

Nun ist die Frage, ob die von den Demoskopen ermittelte „Wechselstimmung“ durch eine Konkretisierung künftiger sozialökologischer Ordnungspolitik schnell beendet wird. Stichwort: Mallorcaflüge. Ach so, die überfällige Kerosinbesteuerung macht Fliegen teurer? Interessierte Medien werfen den Hyperventilator an. Und schon sind Union, SPD und FDP eine potentielle Status quo-Koalition.

Das zeigt: Trotz EU-Klimagesetz und Handlungsbefehl aus Karlsruhe weiß man noch nicht, ob und wie konkret man sprechen kann. Aber man muss es jetzt tun. Allerdings eben nicht so, wie Jürgen Trittin selig. Es geht hier nicht um eine Grünen-Hegemonie, Gott bewahre, es geht um die zeitgemäße Erzählung, in der postfossile Klima-, Wirtschafts- und Wohlstandspolitik ein partei- und schichtenübergreifender Grundpfeiler ist.

Und es geht darum, diese neue Erzählung handwerklich professionell zu regeln. Höhere Ziele bei den Erneuerbaren brauchen ein besser gemachtes EEG. Sozialer Ausgleich braucht neue solidarische Instrumente. Bessere EU braucht die richtigen Initiativen in der EU-Gesetzgebung.

Dabei hilft es nicht a priori, wenn eine junge Frau eine ältere Frau als Kanzlerin ablöst. Das ist, um es in der Rhetorik mancher Klimabewegter zu sagen, „dem Klima egal“. Wer sich auf die Verantwortung einlässt, die neue Geschichte dieser Gesellschaft mehrheitsfähig machen und dann ausgleichend moderieren zu wollen – und das hat Annalena Baerbock mit ihrer Selbstnominierung als Kanzlerinkandidatin getan –, die darf sich nicht auf Symbolpolitik, ein Geschlecht oder eine Teilgesellschaft verkürzen lassen.

Die muss für die Mehrheitsfähigkeit der Sache stehen, für empathischen Realismus, für eine ihre fossilen Ketten sprengende Wirtschaft und für die entscheidenden Impulse in der Europäischen Union.

Dafür, worum es jetzt für uns alle geht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Dabei hilft es nicht a priori, wenn eine junge Frau eine ältere Frau als Kanzlerin ablöst. Das ist, um es in der Rhetorik mancher Klimabewegter zu sagen, „dem Klima egal“. Wer sich auf die Verantwortung einlässt, die neue Geschichte dieser Gesellschaft mehrheitsfähig machen und dann ausgleichend moderieren zu wollen – und das hat Annalena Baerbock mit ihrer Selbstnominierung als Kanzlerinkandidatin getan – .........""

    ==

    Eine offene Wahl zwischen Baerbock & Habeck wäre optimaler gewesen - es sollte darum gehen, die Kandidatin oder den Kandidaten zu finden mit den besten Voraussetzungen und dem größten Rückhalt in der Partei.

    Nur Wochen nach der Nominierung das Thema wieder hochzuziehen ist suboptimal - Baerbocks Engagement zeigt doch jetzt schon wie konservative Blütenträume nach 16 Jahren ""bleierne"" Zeit zerplatzen und den Charme einer genauso angestaubten wie verrosteten Fahrradkette versprühen.

    Für die Annahme, das Sie das Bundeskanzleramt mit dem Umwelt - oder Familienministerium verwechselt ist Baerbock zu intelligent.

    Aber wie sie die politischen Konstanten und Konflikte steuern wird - Beispiel - China - mauert bei der Aufklärung der Ursachen der Pandemie - Russland - agressiv wie Schmids Dackelterrier - oder Brexit country - mit Volldampf gegen die Wand - oder der Rechtsdrall in Frankreich - das sind die Herausforderungen der nächsten Kanzlerschaft -- genauso wichtig wie innenpolitischer Ausgleich durch eine grüne Wachstumsperspektive für alle. .

    Für Klientelpolitik ist die FDP zuständig. - Ein Sieg in der Klimapolitik allein wird weder den Grünen noch einer Kanzlerin nutzen -- im Gegenteil.

    Das ist die Herausforderung vor der Baerbock steht.

  • Das war jetzt ein starkes Bild: eine Wirtschaft, die ihre fossilen Ketten sprengt.

    Mir wäre eine Wirtschaft lieber, die darauf verzichtet aus --uh-- wirtschaftlichen Gründen Menschen zu zerquetschen. Und ja, Fossilismus ist, wie jede Variante des Extraktivismus, eine besonders effiziente Art, Menschen zu zerquetschen, wie wir leider bald sehen werden. Aber nicht die einzige, wie wir leider bereits sehen.

  • 8G
    80198 (Profil gelöscht)

    Ich verstehe immer noch nicht wie Klimaschutz mit grünen oder sonstigen ewigen Wachstum vereinbar sein soll. Nur Verzicht wirkt

    • @80198 (Profil gelöscht):

      Ach, Verzicht, was soll das heißen:

      Da geht es nicht nur um reiche Leute in Ländern wie Deutschland, die zu geizig sind, ihren Wohlstand zu teilen oder aus Umweltschutzgründen aufzugeben: Es geht auch um Leute, die hungernd und durstend und überhaupt ohne das nötigste in irgendwelchen Entwicklungsländern wohnen und Mühe haben, sich und ihre oft kinderreichen Familien am Leben zu erhalten. Erzählen Sie denen mal, dass sie für das Klima Verzicht üben sollen und dass ihr Wohlstand nicht wachsen darf! Da braucht es andere Ansätze: Technische Neuerungen, die Landwirtschaft, medizinische Versorgung, Bildung, Elektrizität, Telekommunikation, öffentliche Verkehrsmittel und sonstige Infrastruktur voranbringen, ohne dabei dem Klima zu schaden. Und wenn man auf den ersten Blick nicht sieht, wie das gehen soll, dann muss man eben mehr, mehr, mehr forschen.

      Oft ist ja aber die Rede vom "Verzicht" nur eine Ausrede, um keine konkreten Maßnahmen ergreifen zu müssen. Nach dem Motto: Wir bestellen keinen Ökostrom, weil's ja ausreicht, wenn wir darüber reden, weniger Strom zu verbrauchen - und ob wir dann wirklich weniger Strom verbrauchen, kontrolliert ja doch keiner. Also schön weiter Kohle verbrennen, die Luft verpesten, das Klima anheizen, solange man als Maulheld Verzicht zu üben angibt!

      Aber selbst, wenn mal deutsche Politiker ernst machen würden und tatsächlich Verzicht fordern würden: Was glauben Sie, wie heutige deutsche Bevölkerung auf autofreie Sonntage wie in den Siebzigern reagieren würde? Und wenn man zusätzlich die Stromversorgung einschränken würde wie in Venezuela? Oder wenn im Supermarkt plötzlich kein aus Übersee importiertes Obst und Gemüse, keine Schokolade, nichts transportintensives mehr erhältlich wäre? Eine solche Regierung würde alsbald abgewählt. Verzicht ist politisch nicht durchsetzbar.

      Was machbar ist: z.B. Solarenergie statt Kohlekraft. Oder ganz klassisch: Jute statt Plastik! Kurz: Alternativen und Perspektiven anstatt Resignation und Verzicht.

    • @80198 (Profil gelöscht):

      Das liegt an Ihrem grundsätzlichem Unverständnis was Wachstum eigentlich ist. Das ist nicht einfach nur immer mehr und mehr. Wenn ich es beispielsweise schaffe, das gleiche Ergebnis mit dem Einsatz weniger Ressourcen als vorher zu schaffen, ist das auch Wachstum. Wir brauchen jede Menge Wachstum und Effizienzsteigerungen in den nächsten Jahren um die Klimakrise zu lösen. Ohne Wachstum funktionieren halt auch so unwichtige Dinge wie der Sozialstaat und unser Wirtschaftssystem einfach nicht. Es wird wahrscheinlich etwas knapp mit dem Zeitplan wenn vor der Rettung des Klimas in den nächsten 20 Jahren noch die Weltrevolution stattfinden muss?

      • @Šarru-kīnu:

        Ihre Erklärung ist m.E. falsch.

        Innovation ist oft mit dem Antrieb verbunden, die Produktivität zu erhöhen. Sie ist also die Grundlage für die Steigerung der Arbeitsproduktivität und damit auch der Steigerung der Produktanzahl. Sonst würde nämlich Innovation keinen Sinn machen. Wenn mit gestiegener Arbeitsproduktivität die Produktkapazität nicht erhöht würde, wäre das Wachstum NULL. Aber warum sollte ein produzierendes Unternehmen auf die "Belohnung" für gestiegene Produktivität und dem damit verbundenen Wachstum verzichten? Das wäre betriebswirtschaftlich Unsinn, umweltpolitisch aber möglicherweise ein Fortschritt. Welcher Unternehmer hat dann noch Interesse an Innovationen?



        Im Kapitalismus ist Wachstum quasi Zwang zum Überleben, solange es noch Konkurrenz gibt.

      • 8G
        80198 (Profil gelöscht)
        @Šarru-kīnu:

        Ach so, der Sozialstaat funktioniert also nur mit Elektropanzern, noch mehr Elektroautos in engen Städten oder in Afrika ? Ineffizienten Ökolandbau schaffen wir ab und holen unser Fleisch weiter aus dem Amazonas, aber dafür mit Ökoschiffen.....

  • Ich hatte mich schon gefreut: politische Inhalte sollte es geben. Nur: zu lesen war dann davon nichts. Kein Kerosinpreis, kein Grundsicherungsniveau, kein Reformvorschlag für die EU. Stattdessen: fromme Wünsche und die Bereitschaft zu glauben, dass die Grünen Träger eines neuen, noch dazu ansteckenden Bewusstseins seien. Das kommt mir soziologisch naiv, idealistisch im schletesten Sinne vor. Ärgerlich, aber zumindest konsistent: der Cheerleader-Zugriff auf Politik: Zwei Menschen kommen: die superdufte Annalena und der megaknorke Robert und sie transformieren Politik - weil sie so schön an- und zusprechen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Es geht hier nicht um eine Grünen-Hegemonie, Gott bewahre,[....]"



    Aber eine absolute Mehrheit sollte es schon werden, damit im BT auch was durchgesetzt werden kann... (Kann Kann Kanzlerinnen-Can Can. Wahrscheinlich wird's doch nur ein Eiertanz.)

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Aber Hallo!

      Die 🥚🥚🥚erOper von R. Wagner!



      “Weiche! Wotan! Weiche!“ - 🥳 -

      Auch bekannt als “Der Ring der Niegelungen“ - Newahr.



      Na - Si’cher dat. Dat wüßt ich ever.



      Da mähtste nix.



      Normal.

      unterm——-



      www.fernsehserien....niegelungen-199036



      & Däh!



      Der Ring der Niegelungen ist ein Musical aus dem Jahr 1957 von Chuck Jones mit Mel Blanc und Arthur Q. Bryan. - 🙀 -

      Na Mahlzeit

  • Selbstverständlich ist Reden eine Form des Handelns. Lügen natürlich auch. Und das ist auch, was den Unterschied macht.

  • Na Servus - Gellewelle.

    SM Mr. Fjutscher2 van de PU -



    “DIE - muss für die Mehrheitsfähigkeit der Sache stehen …



    Dafür, worum es jetzt für uns alle geht.“ Ach was! © Loriot



    & eo ipso - Mach Bosse. Gelle!



    “Ich kenne keine Parteien mehr - Nur eine eine Fragen!“

    kurz - “Howgh“ => Ich SM PU - habe gesprochen - 🤣 -

    unterm——- schon unsere alte Dame*04



    Pflegte zu sagen - “Die & Der - Wagenschmeer!“



    Wer wollte - außer unsrm Dauerkolumnisten mit kluger Perle!;))



    Widersprechen? - Kerle Kerle •



    & dito -



    “Jung. Geh ins Bett! Nen besseren Witz machste heute nicht mehr!“



    Ja. Auch diese Perle war ne kluge - 😼 -

    • @Lowandorder:

      Neulich war im Blatt von Samtpfoten die Rede:

      taz.de/Wahlprogram...5374&s=samtpfoten/

      Und von der Verteilung der Chefsessel:

      "Aber dann wird es spannend. Katrin Göring-Eckardt, ebenfalls Fraktionsvorsitzende, will auch Ministerin werden, Und Cem Özdemir würde nicht Nein sagen – beide gehören zum Realo-Flügel. Die Linksgrünen würden aber auf eine paritätische Besetzung der Ministerposten bestehen, sagen ihre VertreterInnen. Das heißt: Nach Hofreiter wäre erst mal eine linke Frau dran. Baer­bock muss dies, die Frauenquote und Diversitätsanforderungen, ausbalancieren."

      Irgendwie werden sie dazwischen die Umwelt schon irgendwie reinkriegen.

      • @Jim Hawkins:

        Klar - Irgendwie Irgendwo Irgendwann!

        Ringelnatz Gedicht zum Thema Wunder:

        Überall

        Überall ist Wunderland.



        Überall ist Leben.



        Bei meiner Tante im Strumpfenband



        Wie irgendwo daneben.

        Überall ist Dunkelheit.



        Kinder werden Väter.



        Fünf Minuten später



        Stirbt sich was für einige Zeit.



        Überall ist Ewigkeit.

        Wenn du einen Schneck behauchst,



        Schrumpft er ins Gehäuse.



        Wenn du ihn in Kognak tauchst,



        Sieht er weiße Mäuse.

        Joachim Ringelnatz

        (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler

        Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Reisebriefe eines Artisten, 1927

        Sojet halt - wa! - 🥳 -

        • @Lowandorder:

          Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach altem Brauch - noch einen drauf:

          “ Kannzlerinnen- Can Can. "Strumpfenband" ja nee, is klar. www.youtube.com/watch?v=uunGS-oEN4E