Streit um Sprache der Verwaltung: Hamburgs FDP laviert beim Gendern

Der Landesparteitag der Liberalen lehnt die Anti-Gender-Volksinitiative ab, aber unterstützt deren Kernforderung nach amtlicher Rechtschreibung.

Eine Frau im blauben Pullover steht vor einer gelben Wand

Sorge um die Schreibfähigkeit ihrer Kinder: Die neue FDP-Landeschefin Sonja Jacobsen Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Mit einer Art „Jein“ hat sich die Hamburger FDP am Wochenende zur umstrittenen Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Bildung und Verwaltung“ positioniert. „Die FDP Hamburg unterstützt die Volksinitiative für ein Genderverbot nicht“, lautet der erste Satz des Antrags, der auf ihrem Parteitag im Haus der Kassenärtzlichen Vereinigung beschlossen wurde. Denn deren „homo-, bi- und transfeindliche Aussagen“ und ihr „konservativer Kulturkampf“ stünden der Idee des Liberalismus entgegen.

Doch zugleich fordert die kleine Partei, die aktuell nur mit zwei Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten ist, eine „genderneu­trale Sprache – ohne Sternchen, Strich und Doppelpunkt“. Der mehrseitige Beschluss arbeitet sich an eben jenen Empfehlungen für „gendersensible Sprache“des rot-grünen Senats von 2021 ab, die auch für die Volksinitiative Stein des Anstoßes sind.

Der Senat wolle Sensibilität für Sprache erzeugen, sei aber in seinem Vorgehen „völlig unsensibel“, kritisieren die Freidemokraten. Sprache lasse sich nicht „von oben“ verordnen. Viele Menschen fremdelten mit derartigen Richtlinien. Erwachsenen mit geringerer Literalität – also nicht so guter Lese- und Schreibfähigkeit – würden Verständnisschwierigkeiten zugemutet. Deshalb fordert die Partei von allen öffentlich-rechtlichen Institutionen die „Anwendung der amtlichen deutschen Rechtschreibung“.

Nicht beim Genden verkämpfen

„Ich glaube, wir müssen erst an der Wirklichkeit arbeiten und nicht an deren Benennung“, erläutert die frisch gewählte Landesvorsitzende Sonja Jacobsen die Linie. Statt sich beim Gendern zu verkämpfen, sollten die Menschen sich auf das besinnen, wo sie einig sind. „Dazu gehört, dass wir Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die sich jenseits der binären Sexualität verorten, auch in Verantwortungshierarchien abbilden wollen“.

Die 51-jährige Fernsehjournalistin wurde am Samstag zur Nachfolgerin von Michael Kruse gewählt, der nach Querelen mit den Jungliberalen nicht wieder antrat. „Privat sollte jeder reden, wie er möchte“, sagt Jacobsen. Das gelte aber nicht für Bildung und Verwaltung. Wenn, wie in Hamburg, eine „Empfehlung“ zum Sprachgebrauch „von oben“ komme, stelle sich die Frage der Freiwilligkeit. „Ich erlebe, dass selbst der studierte Referent nicht mehr weiß, wie er sprechen soll und das Wort ‚Fahrradfahrende‘ noch mal gendert.“ SPD und Grüne hätten mit ihren Empfehlungen einen Kompromiss gewählt, der eine „Mogelpackung“ sei. Auch als Mutter von zwei Schulkindern finde sie es schwierig zu sagen, „schreibt, wie ihr wollt“.

Gefragt, ob dies nicht doch Rückenwind für jene Volksinitiative sei, sagt Sonja Jacobsen, diese lehne sie ab, trotz der Schnittmengen. Sie finde es sehr kritisch, dass die Hamburger CDU diese unterstützt.

Initiative sammelt übers „Soll“ hinaus

Wie berichtet, war die Volksinitiative stark in Kritik geraten, nachdem die Sprecherin Sabine Mertens im Hamburger Abendblatt mit dem Satz zitiert wurde: „Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution am Ende.“ Gegenüber der taz nennt Mertens diesen Satz eine „zynische Zuspitzung“, die als Einzelaussage ohne Kontext einfach „Quatsch“ sei. „Ich finde es sehr bedauerlich, dass diese Aussage so missverstanden wurde. Anstatt so was zu skandalisieren, könnte man nachfragen: ,Wie meinst du das?'“

Der Volksinitiative gehe es um die Gemeinschaftssprache und um sprachliche Verständigung, nicht darum, Rechte von Minderheiten zu beschränken, versichert sie. Es gehe auch nicht darum, den privaten Gebrauch der Gendersprache zu verbieten, sondern darum, dass in Verwaltung und Bildung das Regelwerk des „Rats für deutsche Rechtschreibung“ eingehalten wird.

Die Initiative benötigt bis zum 7. August 10.000 Unterschriften. „Aktuell sammeln wir über das Soll hinaus, um uns der breiten Unterstützung für die nächste Phase zu versichern“, sagt Mertens. Voraussichtlich im Juni 2024 müsste die Initiative 66.000 Unterschriften in drei Wochen sammeln, um ein rechtlich bindendes Volksbegehren in Gang zu setzen.

In einer früheren Version hieß es, die FDP sei mit nur einer Abgeordneten in der Hamburger Bürgerschaft vertreten. Tatsächlich sind es es zwei, seit der Abgeordnete Sami Musa von der SPD zur FDP gewechselt ist.

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