Angriffe in Nord- und Ostsyrien: „Krieg niedriger Intensität“
Im kurdisch geprägten Nord- und Ostsyrien sterben immer wieder Menschen durch Drohnenangriffe. Als Quelle der Attacken gilt die Türkei.
Unter den Toten vom Dienstag waren auch mindestens vier Menschen, die im Auftrag der Verwaltung Gräben in der Nähe eines Krankenhauses ausgehoben hatten, so die Zivilorganisation Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Auch am vergangenen Samstag kamen bei einem Drohnenangriff auf eine belebte Straße in Qamischlo drei Zivilisten ums Leben – darunter wohl zwei Minderjährige. Der Angriff soll einem Mitglied der Demokratischen Kräfte Syriens, der Sicherheitskräfte der semiautonomen Region, gegolten haben.
Bereits jetzt ist der August der wohl tödlichste Monat des Jahres 2022. Laut RIC kamen in diesem Jahr bei insgesamt 68 Angriffen 39 Menschen ums Leben, 79 wurden verwundet.
Russland und USA verweigern der Türkei die Einwilligung
Viele rechnen die Angriffe der Türkei zu. Seit Monaten droht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit einer Militärintervention.
Die kurdisch geprägte Verwaltung in Nord- und Ostsyrien stelle eine „terroristischen Bedrohung“ dar, bekräftigte Erdoğan zuletzt am Montag vor türkischen Diplomaten. Die Türkei möchte eine 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone innerhalb Syriens errichten.
Bei den beiden Gipfeln der vergangenen Wochen mit Iran und Russland hatte Erdoğan vor allem bei Russland um grünes Licht für eine Invasion gebeten. Russland unterstützt in Syrien den Machthaber Baschar al-Assad und kontrolliert weitgehend den Luftraum über Nord- und Ostsyrien. Bislang stellen sich sowohl Russland als auch die USA gegen eine militärische Invasion der Türkei in diesem Gebiet.
Matthias Monroy, Redaktionsmitglied der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei und Experte für Drohnen, bezeichnet das Vorgehen der Türkei als einen„Krieg niedriger Intensität“. Dabei, erklärt er weiter, „verletzt das türkische Militär das Völkerrecht, etwa durch den unterschiedslosen Angriff auf die Zivilbevölkerung“. Auch das von der Türkei gern bemühte Selbstverteidigungsrecht als Begründung der tödlichen Maßnahmen lasse sich völkerrechtlich nicht herleiten, so Monroy.
Währenddessen hat sich die Verwaltung von Nord- und Ostsyrien sowohl an die USA als auch an Russland gewandt. Sie macht die beiden Länder für die Eskalation mitverantwortlich.
Dass eine Invasion abgelehnt werde, sei zwar positiv, aber die immer wiederkehrenden Angriffe auf Nord- und Ostsyrien würden Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Aussagen aufkommen lassen. Russland und die USA müssten eine eindeutige Haltung zeigen, so die Verwaltung des Gebiets.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?