Amtsenthebungsverfahren in den USA: Pack sie bei der Berufsehre
Scheitert das Impeachment, wird Trump lachen. Trotzdem ist es der einzige Weg, die Gesellschaft vor weiterer Beschädigung zu bewahren.
E in klein wenig Anstand haben die Demokraten also noch. Drei Jahre lang konnte Donald Trump sich gut gelaunt alle möglichen Vergehen leisten, weil seine politischen Gegner*innen sich lieber tot stellten, als Verluste bei den nächsten Wahlen zu riskieren. Nun aber: eine offizielle Untersuchung gegen den US-Präsidenten, der Beginn eines möglichen Amtsenthebungsverfahrens.
Kein Wort hat das politische Amerika seit Trumps Amtsantritt so sehr bewegt wie das „Impeachment“. Anlässe dafür gab es zu Genüge, die Wende aber kam ausgerechnet mit einem Skandal, der bei der breiten Masse vergleichsweise wenig Empörung hervorrufen dürfte: Trump soll Mitte Juli 400 Millionen Dollar an Hilfsgeldern für die Ukraine zurückgehalten haben, um seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj zu nötigen, gegen seinen Herausforderer Joe Biden und dessen Sohn zu ermitteln.
Ein schwerer Machtmissbrauch, so viel ist sicher – aber keinesfalls der erste dieses Präsidenten. Dass die Vereinigten Staaten gegenwärtig von einem Kriminellen regiert werden, war lange vor dieser Sache klar, und dass die Demokraten so lange gebraucht haben, um zu handeln, ist ein Armutszeugnis, ganz zu schweigen von der Kratzfüßigkeit der Republikaner.
Mit Trump ist ein Mann ins Weiße Haus eingezogen, dem jedes Gespür für politische Konventionen fehlt. Auch ein System, das derart auf Sittlichkeit und Vernunft baut wie das US-amerikanische Präsidialsystem, in dem selbst ein Richard Nixon ging, als der Druck zu groß wurde, konnte dem wenig entgegensetzen. Wie oft hat Trump im Amt schon gelogen (die Washington Post zählte 10.796 Falschaussagen bis Anfang Juni dieses Jahres)? Wie oft dachte man: „Oh, darüber fällt er jetzt aber bestimmt“?
Da helfen weder Tweets noch Trillerpfeifen
Handeln die anderen Gewalten im Staat jetzt nicht, wird es bis 2024 so weitergehen. Solange Donald Trump nicht will, tritt Donald Trump auch nicht zurück. Und er fühlt sich offenbar immer sicherer; diesmal veröffentlichte er selbst ein Protokoll des Gesprächs mit Selenskyj und erklärte dazu gönnerhaft, es sei alles ein „Schwindel“. Als glaubte er ernsthaft, damit sei die Sache gegessen.
Gegen Trump helfen weder Tweets noch Trillerpfeifen. Das Impeachment ist der einzige Weg, die politische Integrität der USA noch zu retten. „Niemand steht über dem Gesetz“, sagte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, zur Entscheidung ihrer Partei. Nie war diese Botschaft wichtiger als jetzt, und Pelosi spricht damit gerade auch Trump-Wähler*innen an: Seht her, da bereichert sich einer, während ihr euch fügen müsst!
Noch immer gibt es Bedenken: Ein Amtsenthebungsverfahren – das mehr ein politischer als ein juristischer Prozess ist – würde, falls es an der republikanischen Mehrheit im Senat scheitert, nichts bringen außer einem vor Schadenfreude kaum zu bremsenden Trump und einer noch stärkeren populistischen Spaltung der USA als zuvor. Aber was wäre die Alternative? Trumps Welt funktioniert nach einer sehr einfachen Logik, und nach der sah es für ihn bislang immer so aus: Er kommt damit durch – also ist er ja wohl im Recht.
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Es lässt sich kaum ermessen, wie sehr das eine Gesellschaft beschädigt. Viele US-Amerikaner*innen sind sich vollkommen im Klaren darüber, dass ihr Präsident lügt und betrügt – über die Größe seiner Hände bis hin zum Verrat von Staatsgeheimnissen. Nur: Es ist ihnen egal, solange er sie von höheren Löhnen und siegreichen Handelskriegen träumen lässt. So weit ist es gekommen.
Mit welchen Drohungen und Schmutzkampagnen Trump sie bald auch überziehen mag: Die Demokraten müssen jetzt durchhalten – und es ist nur zu hoffen, dass es auch unter den republikanischen Abgeordneten noch ein paar gibt, denen ihre Berufsehre nicht völlig abhanden gekommen ist und die sich vielleicht mitreißen lassen vom plötzlichen Aufleuchten staatspolitischer Verantwortung.
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