Alkoholverbot in Hamburg: Schampus statt Kioskbier
Der Hamburger Senat vertreibt Jugendliche aus Parks und Straßen. Doch das Alkoholverbot gilt nicht für alle: In teuren Bars darf man weiter saufen.
D ie Masse fängt an zu jubeln, als die Polizei das Flutlicht anschmeißt. „Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei“, schallt es aus den Lautsprechern und wieder jubeln, grölen und pfeifen tausende Heranwachsende im Hamburger Stadtpark. Schön, dass sie das Gebaren der Ordnungshüter*innen noch mit Humor nehmen können, witzig ist es schon lange nicht mehr.
Seit einigen Wochen vertreibt der Hamburger rot-grüne Senat Jugendliche überall dort, wo sie zusammenkommen: In Parks, auf öffentlichen Plätzen, in Grünanlagen. Also da, wo man sich eben trifft, wenn man nach anderthalb Jahren Isolation ohne großes Ansteckungsrisiko ein paar Leute sehen will und kein Geld für die Außengastronomie hat.
Erst verscheuchte die Polizei die Heranwachsenden aus dem Schanzenviertel mit behelmten Polizist*innen und Wasserwerfern, also nach Schema F. Zu laut, zu wild sei es zugegangen, in den sanierten Altbauten im turbogentrifizierten Viertel ruhte man offenbar nicht mehr gut.
Als die Jugendlichen auf andere Orte auswichen, verhängte der Senat flächendeckende Alkoholverbote im Innenstadtbereich. Offenbar machte das Spaßverderben zu später Stunde nicht mal den Berufs-Spaßverderber*innen von der Polizei Freude. Und wer das Kioskbier verbietet, spart sich die Wasserwerfer. Um Alkoholkonsum an sich geht es dabei gar nicht, schließlich darf man sich in Bars und Restaurants nach wie vor hemmungslos besaufen.
Solche und solche Konsument*innen
Aber Konsument*in ist nicht gleich Konsument*in, da gibt's solche und solche. Auf der Seite der Guten: Boomer. Durchgeimpfte potenzielle Wähler*innen mit Geld für teure Drinks und einem Recht auf Malle. Auf der anderen Seite: Jugendliche, ungeimpft, in der Regel keine Fuffies im Club, sondern 50 Cent am Kiosk, dürfen eh noch nicht wählen, wollen auch gar nicht nach Malle wegen Flugscham.
Und ja okay, sie wollen auch mal Spaß haben, aber in der Pandemie müssen wir eben alle zusammenhalten. Und das mit dem Alkoholverbot ist doch eigentlich ganz angenehm, daher Perspektive: bleibt so.
Allerdings muss man sich dann auch nicht wundern, wenn die Jugendlichen, für die es nirgendwo einen Platz gibt, auch mal mit Flaschenwürfen reagieren, wenn sie zum hundertsten Mal vertrieben werden. Da nützt auch das nicht, was der Senat als neuste „Lockerung“ verkauft: Für das Betreten eines Kreuzfahrtschiffes reicht jetzt ein Schnelltest. Und tanzen ist jetzt für 250 Personen im abgesperrten Gehege erlaubt. Merkt ihr noch was, Boomer?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen