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Aktivrenten-Pläne der BundesregierungDürfen Selbstständige benachteiligt werden?

Mit der Aktivrente sollen ältere Ar­beit­neh­me­r:in­nen steuerfrei hinzuverdienen können – nicht jedoch Selbstständige. Ist das verfassungskonform?

Selbstständige Ärz­t:in­nen müssen ihren Kittel für die Aktivrente nicht wieder anziehen Foto: Jochen Tack/imago

Die Bundesregierung will mit der Aktivrente ältere Arbeitnehmer ermutigen, länger im Beruf zu bleiben. Selbständige sind von diesem Plan ausgenommen, was viele als ungerecht empfinden. Doch nicht alles, was ungerecht erscheint, verstößt gegen die Verfassung.

Mitte Oktober hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschlossen. An diesem Freitag steht die erste Lesung im Bundestag an. Die zweite und dritte Lesung sollen zügig folgen, damit das Gesetz zum Jahreswechsel in Kraft tritt

Bei der so genannten Aktivrente sollen Arbeitnehmer:innen, die das Rentenalter erreicht haben, bis zu 2.000 Euro pro Monat steuerfrei hinzuverdienen können. Es handelt sich also um einen Steuerbonus und nicht um eine zusätzliche Rentenzahlung. Der Wert des Steuerbonus hängt vom persönlichen Steuersatz ab.

Der Bonus soll jedoch nur für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gelten. Selbständige, Unternehmer, Freiberufler, Landwirte und Beamte würden außen vor bleiben. Viele Betroffene empfinden es als ungerecht, dass sie im Rentenalter keinen Steuerbonus erhalten, wenn sie weiterarbeiten.

Die Bundesregierung rechtfertigt diese Ungleichbehandlung mit dem Arbeitskräftemangel in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen. Steuerliche Anreize sollen gezielt dort wirken, wo sie besonders nötig sind. Selbständige und Un­ter­neh­me­r:in­nen arbeiten, so die Bundesregierung, dagegen heute schon häufig nach Erreichen der Altersgrenze weiter. Ein zusätzlicher Steuerbonus sei hier nicht erforderlich. Auch aus Haushaltsgründen sei es „notwendig, steuerliche Anreize gezielt da zu setzen, wo sie besonders erforderlich sind.“

Verfassungsrechtlich dürfte diese Begründung für die Ungleichbehandlung ausreichen. Das Bundesverfassungsgericht räumt der Politik bei Subventionen eine „große Gestaltungsfreiheit“ ein. Es genüge, wenn der Kreis der Begünstigten „sachgerecht abgegrenzt“ werde, so das Gericht in einer Entscheidung von 2014. Auch für steuerliche Begünstigungen gelte nichts anderes.

Verfassungsbeschwerden von Ärz­t:in­nen oder Hand­wer­ke­r:in­nen dürften daher wenig Erfolg haben. Sie müssen eher politischen Druck aufbauen, wenn sie die Aktivrente auch erhalten wollen. Oder sie warten, bis auch in ihrem Bereich ein Mangel festgestellt wird. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Wirkung der Aktivrente nach zwei Jahren zu evaluieren. Dann soll auch geprüft werden, ob die Einbeziehung von Selbständigen zusätzliche Wachstumsimpulse bringen könnte.

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2 Kommentare

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  • Es ist natürlich seltsam, dass Selbstständige dafür bestraft werden, dass sie ohnehin länger arbeiten, und somit kein Anreiz nötig sei. Was wäre denn, wenn wir alle mit 67 aufhörten? Als kleine Freiberufler hat man allerdings keine andere Wahl, als weiterzumachen, weil Rente und Rücklagen kaum reichen.

  • Dazu gibt eine Petition:



    openpetition.de/!aktivrente