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Aktivistin Laquer über Shitstorm„Das ist Psychoterror von rechts“

Nach der ARD-Wahlarena initiierte die „Bild“-Zeitung einen Shitstorm auf Aktivistinnen. Emily Laquer sieht darin auch einen Erfolg.

Die Aktivistin Emily Laquer fordert Waffengleichheit für Ak­ti­vis­t:in­nen in den Medien Foto: privat
Interview von Carla Geiger

taz: Frau Laquer, Sie haben linke Ak­ti­vis­t:in­nen gecoacht und in die Wahlarena geschickt. Warum ist das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?

Emily Laquer: Ich habe niemanden geschickt, für die ARD Wahlarena haben sich die Aktivistinnen selbst auf der Webseite beworben. Es wird versucht, aus einem völlig normalen Vorgang einen Skandal zu konstruieren. In einem Talkshow-Training haben wir drei Tage lang geübt, wie man in den Medien auftritt. Und das ist wichtig. Po­li­ti­ke­r:in­nen geben Unsummen für Medientrainings aus. Wenn Ak­ti­vis­t:in­nen sich vorbereiten, ist das ein Gegengewicht, stellt Waffengleichheit her. Armin Laschet kann sich nicht darauf verlassen, dass die Menschen, die in eine Sendung kommen, nicht vorbereitet sind. Ein Kanzlerkandidat muss das abkönnen, sonst ist er schlicht ungeeignet.

Wovor haben die Menschen Angst, wenn Ak­ti­vis­t:in­nen die Kniffe der medialen Kommunikation beherrschen?

Wir haben viel Zuspruch, Solidarität und auch Spenden für unsere Trainings erhalten. Angst haben nur diejenigen, die diese Schmutzkampagne antreiben, von CDU bis AfD, Die Welt, Bild und dem rechtsextremen Compact Magazin. Die klammern sich verzweifelt an ihren rechten Kanzlerkandidaten und an eine alte Welt, die keine Zukunft hat. Die Atom- und Kohlekraftwerke werden nicht mehr angeschaltet. Migration und die Emanzipation der Frauen werden nie wieder zurückgedreht. Sie haben diese Kämpfe verloren und das wissen sie. Und darum stemmen Sie sich umso aggressiver gegen eine Welt, die sich verändert hat. Und mit ihrer Aggression richten sie großen Schaden an.

Armin Laschet ist ein rechter Kanzlerkandidat?

Armin Laschet ist jedenfalls der Kandidat, der von vielen Rechten, von Hans-Georg Maaßen bis hin zu offenen Neonazis, unterstützt wird. Ihm wünsche ich Opposition und maximalen Gegenwind. Laschet und die rechte Blase, die ihn verteidigt, nehmen Aktivist:in­nen in den Medien als Bedrohung wahr. Genau diese mutigen Stimmen von engagierten Menschen brauchen wir aber – auch nach der Wahl.

Im Interview: Emily Laquer

Jahrgang 1987, ist Gründerin der Ak­ti­vis­tin­nen-­Agen­tur „Hart aber Links“. Die Agentur organisiert Medientrainings und unterstützt soziale Bewegungen dabei, ihre Positionen in die Leitmedien zu tragen. Vergangene Woche befragten drei von Laquer geschulte Ak­ti­vis­t:in­nen in Talkshows die Kanzlerkandidaten Laschet und Scholz über Rassimus, die Klimakrise und Mietenpolitik. Die Bild-Zeitung und Welt-Autor Don Alphonso initiierten daraufhin einen Shitstorm gegen Laquer, die Ak­ti­vis­t:in­nen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Ihnen wird vorgeworfen die Ak­ti­vis­t:in­nen zu instrumentalisieren. Nutzen Sie Ihre Medientrainings für linksextreme Interessen?

Ich bin eine radikale Linke, weil ich glaube, dass die Welt mit dem Kapitalismus keine Zukunft hat. Das ist kein Geheimnis. In dem halben Jahr, seit es die Medientrainings gibt, haben wir 270 Ak­ti­vis­t:in­nen, von Pflegekräften bis zu Klima- oder antirassistischen Bewegungen gecoacht. Die Positionen und Forderungen, die sie anschließend in Talkshows und Interviews äußern, sind ganz allein ihre eigenen. Ihre Bewegungen tragen zu einer besseren Welt bei und ich will, dass sie in den Medien gehört werden. Die Aktivistinnen-Agentur hilft ihnen nur dabei, Medienlogik und journalistische Spielregeln zu verstehen und stellt Kontakte zu Redaktionen her, wo es keine gibt.

Die Aktivistin Maia Stimming ist erst 15 und bekam nach der Talkshow einen Shitstorm ab. Fühlen Sie sich verantwortlich?

Verantwortlich für diesen Psychoterror sind alleine Welt-Blogger Don Alphonso, die Bild-Zeitung, das Compact Magazin und die Fans von CDU bis AfD, die diesen Shitstorm angeheizt haben. In den Talkshow-Trainings der Aktivistinnen-Agentur bereiten wir uns auch auf den Shitstorm vor, der immer dann eintritt, wenn fortschrittliche Positionen die linke Blase verlassen. Es ist wichtig vor diesem Gegenwind nicht zu kapitulieren. Wir haben viel Solidarität erfahren, so dass wir dem rechten Hass nicht allein ausgeliefert waren.

Die Bild ist für Sie ein Hetzblatt. Vor Beginn der Wahlarena twitterten Sie: „Mach ihn fertig!“. Bedienen Sie sich da nicht einer ähnlichen Sprache wie die Bild?

Maia hat getwittert, dass sie sich für die Wahlarena gut vorbereitet fühlt. Darum ging es in dem Tweet. „Fertig machen“ muss man sportlich verstehen, es bedeutet, dass sie ihre eigenen Argumente klar und deutlich vorgebracht hat und sich nicht abbügeln lies. Die Unterstellung, Laschet sollte von einer mutigen 15-Jährigen im Fernsehen psychisch angegriffen werden, ist doch absurd. Was sagt das über seine Eignung als Kanzlerkandidat?

Vielen Tweets zufolge hat der Shitstorm auch etwas damit zu tun, dass Sie und die Aktivistinnen Frauen sind.

Ja, die Rechten wünschen sich eine Welt, in der Frauen den Mund halten. Und das werden wir nicht tun.

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24 Kommentare

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  • Egal ob man die Frau Laquer hier sympathisch findet oder nicht... mit einem hat sie definitiv recht: Ein Laschet muss das abkönnen.

    Wenn Laschet mit einer von einer Coaching-Agentur geschulten 15Jährigen nicht klarkommt, was macht er dann wenn ihm als Kanzler mal ein vom KGB geschulter Putin gegenübersteht?

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @Florian K.:

      Die Grundfrage stelle ich mir ebenso - allerdings mit anderen Gegenparts.

      Putin und Laschet haben in meinen Augen (den KGB mal beiseite gestellt) größere Schnittmengen als es auf den ersten Blick scheint. Bekanntermaßen gilt: gleiche Chemie verträgt sich nicht so doll.

  • Gegen Medientrainig spricht absolut nichts, um für Waffengleichheit zu sorgen. Es ist aber absolut unprofessionell vorher/nachher zu twittern, dass die Leute gecoacht wurden. Denn dadurch setzt man/frau diese Personen der Hetze aus. Das nicht zu wissen im Medienbiz ist sehr fahrlässig.



    Die Profis halten sich diskret im Hintergrund. Lernen sie daraus Frau Laqeur.

    wiederum davon, dass

  • Gut so, ohne Vorbereitung würde man nur niedergemacht. Lasst euch nicht unterkriegen . Bild lügt und hetzt set Jahrzehnten. Nehmt die Komentartrolle wie Gretchen und Markus nicht ernst.

  • Die Kollegin Laquer hat völlig Recht: rhetorische Vorbereitung/persönliches Coaching vor einem Medienauftritt ist eine Notwendigkeit. Mit einem "Reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist" oder hinreichender "Betroffenheit" ist da nichts gewonnen.



    Vielleicht aber noch eines zur Ergänzung - quasi eine Tipp unter Coaches: Das inhaltliche Mitschwingen als Coach/Coachin mit den "richtigen" Meinungen des/der Coachee kann zu inhaltlichen und argumentativen Verengungen führen. Für erfolgreiches Argumentieren ist eher inhaltliche Distanz hilfreich. Auf diese Weise kann auch ein Perspektivwechsel mit den zu überzeugenden Zuschauenden hergestellt werden. Was dort gedacht und geglaubt wird ist letztlich der relevante Rahmen, in dem Verstehen stattfindet.



    Nur so'n Tipp vom Redenknecht

  • "Hart aber links": zeitgemäße Geschäftsidee. Gefällt mir!

  • ....wie sagte einst der Große Vorsitzende treffend: "Wenn der Feind uns bekämpft, dann ist das gut und nicht schlecht!" Und Fritze (nein nicht der Merz) sagte: "Viel Feind, viel Ehr".......

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Gerne teile ich hier den Respekt für Frau Laquer mit den Anderen.

    Das muss nicht zwangsläufig zu Vasallentreue führen. Mittel, die ich bei Anderen kritisiere, gehören bei mir selbst ebenfalls auf den Prüfstand.

    Alles Andere ist 'verquere' Rechtfertigungslyrik. Da möchte ich die Urheberin - und ihre positive Wirkung - gerne vor sich selbst schützen.

  • Der Dame fehlt es eindeutig an Selbstreflexion.

  • Kritik ist Hetze, aber „Macht sie fertig“ ist sportlich? Och nö...

  • Weiter so!

    Die besinnungs-losen 'fans von CDU bis AfD' und darüber hinaus lassen sich vielleicht von diffusen ängsten treiben. Ihren anführern geht es um unsere freiheitliche, moderne republik.

    Darum vielen dank für 's empowerment der zivilgesellschaft.

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @hinnerk untiedt:

      Das verstehe ich leider nicht.

      Den Anführern in CDU bis AfD geht es um 'unsere freiheitliche, moderne Republik?'

      Mal davon ab, dass sich über das Ausmaß an Freiheit und Modernität in diesem Land streiten lässt: schützen die dann diese Republik mit rückwärtsgewandten Methoden und Zielen?

      Hä?

      • @32533 (Profil gelöscht):

        Ich frage mich, handelt es sich um ein nicht-verstehen-'können' oder -'wollen'?



        Im ersten fall, täte es mir leid, dann hätte ich die lesekompetenz und das verständnisvermögen einer/s durchschnittlichen taz-leser*in falsch eingeschätzt.



        Im zweiten fall - und irgendetwas flüstert mir zu, um einen solchen handele es sich: Pfui deibel, sie schlumpf.

        Ich finde es supi, toll und lobenswert das Emily Laquer mit der Ak­ti­vis­tin­nen-­Agen­tur „Hart aber Links“ im öffentlichen diskurs für ein stück chancengleichheit sorgt.

        • 3G
          32533 (Profil gelöscht)
          @hinnerk untiedt:

          Ist "Schlumpf" auch zu Unzeiten Netiquette-konform?

          Fragen Sie sich alles, was Sie mögen. Aber wieso brauchen Sie andere dazu? Ich schaffe das ohne Publikum.

          Wenn Sie zukünftig eine Antwort von mir wollen: fragen Sie mich - nicht sich selbst! In Ihrem Namen kann ich nicht antworten.

    • @hinnerk untiedt:

      Was is diffus am Schicksal von Leo Stettin?

  • Supi. Ohne solche Trainings werdet ihr niedergelabert.

    Und in dieser rechtstendierenden Welt braucht es unbedingt ein hörbares linkes Gegengewicht, ebenso ein Grünes.

  • Weiter so. Der Armin kann doch kein Kanzler sein. Stellt Euch den mal vor, wenn er auf Putin trifft…..geht gar nicht. Wenn er schon Hilfe von Welt, -Bildbloggern benötigt, wenn er einer 15-jährigen gegenübersteht, wird er auf der internationalen Ebene voll verlieren. Nee, Finger weg von ihm als Kanzler!

  • Heute in der SZ: Jan Bayer: "Bild betreibt keine Kampagnen!" Soll man da lachen oder weinen, bei so plumpen Lügen?

  • Für diese Frau ist alles, was nicht extrem links ist, rechts.

  • Sollten Aktivist:innen nicht auch Menschen sein, die für alle eine bessere Welt wollen und damit Kommunikation unterstützen? "Eine Zukunft, die es nicht mehr gibt, Migration, die nicht mehr zurückgedreht werden kann" klingt so wie "ICH habe meine Vision und die wird auch so umgesetzt, alle anderen haben den Mund zu halten!"



    Wäre es nicht besser, man würde versuchen, jeden Standpunkt zu verstehen und nach Kompromissen zu streben, statt in eine Gewinner-Verlierer-Haltung zu gehen?

    Und noch etwas - ernstgemeinte Frage: Was ist denn eine Welt ohne Kapitalismus? Eine Welt ohne eigenen Besitz? Wem gehören dann die Sachen, die man nutzt? Lebt dann jeder am Existenzminimum, weil es möglichst wenig Konsum geben soll? Gibt es dann keine Auswahl mehr, wer eine Hose braucht, bekommt eine "Hose", Einheitsfarbe, Einheitsfabrikat? Wie sieht es dann mit Hobbys aus, die Ausrüstung verlangen, wie mit Spielzeug für Kinder, wird das als überflüssiger Luxus gestrichen?

  • Emily Laquer: "Verantwortlich für diesen Psychoterror sind alleine Welt-Blogger Don Alphonso, die Bild-Zeitung, ..."

    Rainer Meyer (Don Alphonso), Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt und der Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Da haben sich bei Springer ja die richtigen Leute zusammengefunden. Don Alphonso prügelt gerne auf Menschen mit Migrationshintergrund oder Personen aus dem linken Spektrum ein und Ulf Poschardt hat sich Hartz IV Empfänger und die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg als Feindbild ausgewählt. Zu Julian Reichelt muss man nichts mehr sagen, denn wenn der Bild-Chef-Phrasendrescher auftaucht, dann steht die "Wahrheit" vollends auf dem Kopf. So sind sie eben, die "Journalisten" aus dem Axel-Springer-Verlag.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Politik ist kein Ponyhof!

    Selbst innerhalb der eigenen Partei gibt es ein Hauen und Stechen!

  • Respekt.

    • @tomás zerolo:

      Find ick och.