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Afroamerikaner in Oklahoma erschossenPistole mit dem Taser verwechselt

Ein weißer Hilfssheriff schießt auf einen Unbewaffneten, wieder gibt es ein Video. Die Uniform verdiente sich der Schütze durch Spenden an die Polizei.

Links der Taser, rechts die Pistole Bild: ap

NEW YORK taz | „I am losing my breath“ – „Fuck your breath.“ So der O-Ton des letzten Wortwechsels von Eric Harris. Als der 44-Jährige ächzte, er bekäme keine Luft mehr, lag er mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt in Tulsa, Oklahoma. Der Polizist, der ihm so unflätig antwortete, kniete auf Harris’ Kopf.

Ein weißer Hilfssheriff hatte gerade auf Harris, der bereits am Boden war, geschossen. Angeblich verwechselte der Hilfssheriff im Eifer des Gefechts seine Pistole mit einem Taser, einem Elektrogeschoss. Eine Stunde später war der Afroamerikaner Eric Harris tot.

Auch der neuerliche polizeiliche Todesschuss – inklusive des Wortwechsels – ist auf einem Video festgehalten. Dieses Mal stammt das Video nicht von Passanten, sondern aus Polizeikameras. Eine Bordkamera aus einem Streifenwagen zeigt Harris, der davonläuft und dabei von Polizisten verfolgt wird.

Auf dem Video sind sowohl der tödliche Schuss zu hören als auch die Stimme des 73-jährigen Hilfspolizisten Robert Bates, der unmittelbar danach „Sorry“ sagt und dass er die Pistolen verwechselt habe.

Kaum zu glauben

Der Anwalt von Harris’ Familie kann kaum glauben, dass jemand einen Taser mit einer Pistole verwechseln kann. Tasergeschosse sind klotzig, kantig, knallbunt und aus Plastik. Pistolen sind kleiner und liegen besser in der Hand. Hinzu kommt, dass Polizisten die beiden Waffen an unterschiedlichen Stellen am Körper tragen. Bei Betrachtung der Szene im Video stellt sich zudem die Frage, wieso es überhaupt nötig gewesen sein soll, einen bereits am Boden liegenden und von mehreren Polizisten bearbeiteten Mann mit einem Taser zu traktieren.

Eric Harris war kein Chorknabe. Er hatte versucht, illegal eine Schusswaffe und Drogen zu verkaufen. Sein Pech war, dass er dabei an einen Undercover-Polizisten geriet. Das Treffen in einem Auto ist auf einem zweiten Video festgehalten – aufgezeichnet mit einer versteckten Kamera. Harris muss Lunte gerochen haben. Jedenfalls riss er mitten in der Transaktion die Autotür auf und lief davon. Die Kollegen des Undercover-Polizisten waren bereits an Ort und Stelle. Sie nahmen sofort die Verfolgung von Harris auf.

Kurz nach dem tödlichen Schuss versicherten Sprecher der Polizei in Tulsa, dass niemand vorgehabt habe, Eric Harris zu töten. Erst nach mehreren Tagen, während derer die Angehörigen von Harris einen Anwalt engagierten und sich das Video in den sozialen Medien verbreitete, wurde der Hilfssheriff am Montag wegen Totschlags angeklagt.

Geschenkte Autos

Der 73-jährige Robert Bates war spendabel. Die Polizei in Tulsa verdankt ihm mehrere Autos. Als Gegenleistung durfte er eine Uniform tragen und bewaffnet zu Einsätzen mitgehen. Hilfssheriffs wie ihn gibt es in den USA zu Tausenden.

County Sheriff Stanley Glanz nennt Bates einen „langjährigen Freund“. Die beiden Männer angeln gemeinsam. Der County Sheriff hat auch klargemacht, dass er nicht daran denke, das System von Hilfssheriffs abzuschaffen.

Die Familie Harris hingegen stellt jetzt grundsätzliche Fragen. Zum Beispiel, ob es richtig ist, Sachspender zu gefährlichen Undercover-Operationen mitzunehmen. Und ob die Polizei überhaupt Geschenke von wohlhabenden Bürgern annehmen sollte, die „Cop spielen wollen“.

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9 Kommentare

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  • Und ich dachte immer, Chief Wiggam von den Simpsons wäre Satiere. Es scheint sich dabei aber wohl eher um eine realistische Sozialstudie zu handeln.

    Erst mal losballern, dann ein "sorry" hinterherschieben, um dann das Opfer zu ersticken, wow, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

    • @Flujo:

      In den Simpsons steckt eh mehr Realität als man zu hoffen wagt.

  • Kann man solche Nachrichten nicht einfach unter einer Rubrik: "Neues aus dem Land der unbegrenzten Dummheit" zusammenfassen?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Könnte auch unter geschickt als Fahrlässigkeit getarnter Mord abgelegt werden?

      • @KarlM:

        Natürlich. Aber wie kann in einem zivilisierten Land überhaupt ein kaum ausgebildeter Gelegenheitspolizist unterwegs sein? Solche Dummheiten sind mir unverständlich.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Das basiert wohl auf dem noch immer mittelalterlich strukturierten Polizeiwesen. Ein wesentlicher Grund für die Beibehaltung solcher Strukturen war seit Staatsgründung eben keine zentralisierte polizei mir der darin enthaltenen Machtkonzentration zuzulassen. An sich nicht dumm, aber in der bestehenden Form wurde wohl aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf jedeQualitätssicherung beim Personal verzichtet. Mir auch vollkommen unverständlich, einerseits "Polizeistaat" verhindern wollen, aber jeden Deppen zum Cop machen mit den Folgeschäden?

  • Neben der Frage, ob überhaupt "interessierte" und "spendable" Bürger*innen bewaffnet mit der Polizei auf Einsätze gehen sollten, stellt sich auch die Frage, ob es dazu nicht vielleicht auch eine Altersgrenze oder zumindest Routineüberprüfungen in Bezug auf körperliche und geistige Fitness und allgemeine "Tüddeligkeit" geben sollte. Bei vielen Menschen bauen gewisse Fähigkeiten im Alter von 73 schließlich schon deutlich ab.

     

    Sprachlich ist Ihnen dabei aber mehrfach ein Fehler unterlaufen, Frau Hahn. Ein Taser ist kein Geschoss. Ein Geschoss ist das, was von einer Schusswaffe (ob nun Pistole oder Bogen oder Kanone oder Katapult) verschossen wird. Oder eben _von_ einem Taser.

    • @Kawabunga:

      Haben Sie sich im letzten Absatz Ihres Kommentares nicht eben selbst widersprochen?

  • Die Herren können sich ja beim Rute halten gerne zuschauen, aber in Zivil.

     

    Und den X-26 kann mann schon haptisch kaum mit dem Metallramen eines Revolverchens (ist so ein Stummel überhaupt zulässig?)

     

    Wohl hauptsächlich durch die Suche nach einer "guten" Ausrede für nicht nachvollziehbares Fehlverhalten begründet.

     

    Solche Narren haben im Polizeidienst nichts verloren. offentlich wird wenigstens eine heftige Entschädigung dabei herauskommen. Schon um solche Konstellationen für die Zukunft zu unterbinden. Ist eben auch einer der Nachteile von Polizeien auf Magistratsebene, könnte bei dem Standard auch gut als "Stadtwache" bezeichnet werden.